DECHEMA und VAA: Erläuterungen zur Kombimitgliedschaft

14.02.2023 Kategorie:  Der Verband Interessenvertretung

2021 hat DECHEMA-Geschäftsführer Dr. Andreas Förster auf der VAA-Jahreskonferenz in Köln einen Vortrag zur Dekarbonisierung und Defossilisierung gehalten. Foto: Cornelius Tometten – VAA

Stephan Gilow ist Hauptgeschäftsführer des VAA. Foto: Artis-Uli Deck – VAA

Dr. Andreas Förster ist Geschäftsführer der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie. Foto: Etwina Gandert – CITplus

Im Interview mit dem VAA Magazin erläutern DECHEMA-Geschäftsführer Dr. Andreas Förster und VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow die Beweggründe für die Intensivierung der Kooperation und gehen auch auf die Herausforderungen für die Branche ein.

Mit einer Ende 2022 eingeführten Kombimitgliedschaft haben die DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie und der VAA ihre Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Nach erfolgreichen gemeinsamen Aktivitäten in der Vergangenheit unterstreicht dies die vielfältigen Synergien beider Organisationen.

VAA Magazin: Warum arbeiten der VAA und die DECHEMA künftig noch enger zusammen?

Förster: Mit der Kombimitgliedschaft bieten wir unseren Mitgliedern die Erweiterung unseres bestehenden Netzwerks zu attraktiven Konditionen an. Die DECHEMA ist eine wissenschaftlich-technische Vereinigung mit fast 6.000 Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie. Wir führen Fachleute unterschiedlicher Disziplinen, Institutionen und Generationen zusammen, um den wissenschaftlichen Austausch in der chemischen Technik, Verfahrenstechnik und Biotechnologie zu fördern. Gemeinsam mit ihnen suchen wir nach neuen technologischen Trends, bewerten diese und begleiten die Umsetzung von Forschungsergebnissen in technische Anwendungen. Und mit dem VAA haben wir einen Branchenpartner, mit dem wir uns hervorragend ergänzen.

Gilow: Die Frage lautet tatsächlich: Warum arbeiten wir nicht schon viel länger viel enger zusammen? Wobei wir natürlich schon immer sehr gute Kontakte mit der DECHEMA gepflegt haben. Als Organisation in der Chemie haben wir als VAA viele verschiedene Partner. Mit der GDCh gibt es beispielsweise seit Jahren eine erfolgreiche Doppelmitgliedschaft. Aber auch in der DECHEMA gibt es bereits viele VAA-Mitglieder, die entweder direkt Mitglied sind oder Veranstaltungen besuchen oder Referenten sind. Es drängte sich also geradezu auf. Diese Kombimitgliedschaft ist sicherlich kein Abschluss eines Prozesses, sondern der Auftakt einer weiteren Vertiefung.

Förster: Wir haben bei den bisherigen gemeinsamen Veranstaltungen gute persönliche Kontakte geknüpft beziehungsweise vertieft. So fand im Mai letzten Jahres das gemeinsame Kolloquium zu „New Work im New Normal“ bei uns im DECHEMA-Haus statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden unter anderem die Ergebnisse der jüngsten Mitgliederbefragung des VAA vorgestellt. In einer Podiumsdiskussion gingen Branchenvertreter der Frage nach, wie Unternehmen sich in der Arbeitswelt der Zukunft organisieren.

Aber auch Stephan Gilow war – zumindest virtuell – schon vorher bei uns zu Gast und hat im November 2021 im Rahmen eines Onlineseminars Nachwuchswissenschaftlern wertvolles Wissen zu den Rechten und Pflichten beim Arbeitsvertrag vermittelt. Unsere Zusammenarbeit auf Organisationsebene wächst und wir wollen sie weiter vorantreiben.

Gilow: Ich erinnere mich gut an die Besuche bei der DECHEMA: Ich war vor meiner Tätigkeit als Hauptgeschäftsführer lange für die Hochschularbeit des VAA zuständig. Da habe ich regelmäßig mit der DECHEMA zusammengearbeitet und war häufig auf Veranstaltungen, sowohl in Präsenz als auch online. Es gibt viele gute Möglichkeiten, die wir gemeinsam nutzen wollen. So können wir gleichzeitig unsere Reichweite steigern.

Es geht also auch darum, die bestehenden Synergien noch besser zu nutzen.

Förster: Ja, wir ergänzen uns sehr gut. Der VAA ist kompetent in Sachen Karriere und Rechtsberatung und unterstützt seine Mitglieder bei der Weiterentwicklung und Weiterbildung. Das ist essenziell, denn zufriedene Beschäftigte sind der Schlüssel, um die Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten. Dieses Thema ist auch für die DECHEMA und unsere Mitglieder relevant, zumal bei uns neben Personen auch Organisationen und Unternehmen Mitglieder sind.

Gilow: Wir sehen bei New Work und der Arbeitswelt der Zukunft genau den richtigen Hebel, um gerade für akademische Fachkräfte sowie Führungs- und Nachwuchsführungskräfte Gestaltungspotenziale zu heben. Auch beim Exzellenzpreis der VAA Stiftung sehen wir ein weiteres Kooperationsfeld: Gerade laufen wieder die Ausschreibungen. Wir wenden uns an die Universitäten und Lehrstühle der Chemie, Biochemie und der Verfahrenstechnik und sichten nach hervorragenden Dissertationen. Der Prozess des Einreichens läuft über die Universitäten. Und in dieser fachlichen Exzellenz ist auch die DECHEMA zu Hause.

Wann ist denn die Idee der vertieften Partnerschaft konkret aufgekommen?

Förster: Die Idee entstand vor ungefähr anderthalb Jahren. Zu dem Zeitpunkt ist Dr. Christoph Gürtler gerade in seinem VAA-Vorstandsamt bestätigt und zum 2. Vorsitzenden gewählt worden. Er ist auch bei uns langjähriges, sehr aktives Mitglied und sehr gut vernetzt. Gürtler war – chemisch gesprochen – der Katalysator. War die Aktivierungsenergie erst einmal erreicht, ging es ganz schnell und wurde praktisch zum Selbstläufer.

Gilow: Ganz genau. Christoph Gürtler hat als Mitinitiator einen entscheidenden Anteil am Prozess. Denn unsere Zusammenarbeit gab es ja länger, aber die Vertiefung und der Schritt zur Kombimitgliedschaft ist darauf zurückzuführen.

Wie genau ist die Kombimitgliedschaft für die VAA-Mitglieder ausgestaltet? Wie sieht es finanziell aus?

Gilow: Unsere Kombimitgliedschaft richtet sich an alle DECHEMA-Mitglieder, die bislang noch nicht VAA-Mitglied sind und neu in den VAA eintreten. Diese neu beitretenden Kombimitglieder zahlen drei Jahre lang den halben Mitgliedsbeitrag. Zur Erinnerung: Der reguläre VAA-Mitgliedsbeitrag beträgt 240 Euro pro Jahr. Alle Kombimitglieder kommen in den Genuss der vollen Leistungen – es gibt also keinerlei Einschränkungen gegenüber der normalen Vollmitgliedschaft. Dazu zählen auch die komplette Rechtsberatung sowie der Rechtsschutz, selbstverständlich nach Ablauf der Wartefristen nach Eintritt. Unsere Kombimitglieder erhalten damit auch den vollen Zugang zum Netzwerk der VAA-Community in den Unternehmen.

Und wie sieht es aufseiten der DECHEMA aus?

Förster: Für Mitglieder und Kombimitglieder bieten auch wir Preisnachlässe. Unsere Mitglieder haben also ebenfalls einen finanziellen Vorteil. Der DECHEMA-Mitgliedsbeitrag beträgt 75 Euro pro Jahr – Kombimitglieder zahlen 60 Euro. Das gilt in unserem Fall auch für eine bereits bestehende Mitgliedschaft und ohne zeitliche Befristung.

Unsere Mitglieder können zudem zu vergünstigten Konditionen an den 50 bis 60 Veranstaltungen und Seminaren, die wir jährlich organisieren, teilnehmen. Das reicht vom kleinen Fachworkshop bis zum großen Ingenieurskongress 2023 in Berlin mit 2.500 Teilnehmern. Übrigens stehen unsere Veranstaltungen allen Interessierten offen, nicht nur DECHEMA- oder VAA-Mitgliedern – sie richten sich an die gesamte Fachcommunity.

Wie sehen die gemeinsamen Pläne für die Zukunft aus?

Gilow: Wir haben einiges in der Pipeline und werden hierzu in Kürze konkrete Termine abstimmen. Das Thema der Defossilisierung und Dekarbonisierung – darüber hat Herr Förster bereits auf unserer Jahreskonferenz vorgetragen – ist sehr wichtig für unsere Branche. Das werden wir sicherlich gemeinsam angehen, auch mit anderen Partnern wie dem VCI.

Gerade die gegenwärtige Krise ist für die Chemie einschneidend. Wir im Juristischen Service des VAA erfahren es aus erster Hand von unseren Mitgliedern, wie Anlagen teilweise abgefahren werden und in manchen Betriebsteilen in einigen Unternehmen schon dramatische Zustände herrschen. Für die Zukunft muss man sich fragen, wie wir die Energiefragen lösen und die Versorgungssicherheit gewährleisten können. Da sehen wir Felder, die wir gemeinsam bearbeiten werden.

Förster: Vollkommene Zustimmung! Das ist eines der übergeordneten Themen, die unsere Branche beschäftigen – und zwar schon vor der verschärften Energie- und Gaskrise, die durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufen wurde. Es gab und gibt Abhängigkeiten, Logistikprobleme und höhere Preise. Auch über ein Abwandern der Industrie aus Europa wird immer wieder breit diskutiert. Auch wenn sich die akute Gasmangellage derzeit etwas abgemildert hat, bleiben die grundlegenden Probleme bestehen.

Was braucht der Industriestandort Deutschland, um zu bestehen?

Förster: Wir brauchen Alternativen für die fossile Energie hier in Europa. Wir müssen dabei technologieoffen bleiben. Klar ist: Wasserstoff als Technologie ist gesetzt. Weiterhin ist noch mehr Energieeffizienz nötig. Als Brücke sollten wir darüber diskutieren, inwieweit wir Wasserstoff auch aus fossilen Quellen nutzen können. Positiv ist: Deutschland und Europa sind weltweit führend bei den Patentanmeldungen im Bereich Wasserstoff. Das heißt, dass der Weckruf in Sachen Innovation angekommen ist. Deutschland kann also Innovationsmotor sein und sollte sich als Dienstleister für eine weltweite Wasserstoffwirtschaft positionieren.

Doch wenn wir technologisch führend bleiben und die Transformation umsetzen wollen, brauchen wir hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Nachwuchsproblem beschäftigt uns in der Chemie und im Maschinenbau: Wir haben zu wenig Nachwuchs, das belegen auch verschiedene Studien. Außerdem fehlen uns in Deutschland Lehrerinnen und Lehrer im MINT-Bereich – nur rund ein Drittel der MINT-Lehrkräfte, die bis 2030/31 eingestellt werden müssten, stehen bis dahin auch zur Verfügung. Das ist äußerst kritisch. Das müssen wir gemeinsam als Branche angehen mit Organisationen wie beispielsweise dem VAA. Neben Zuwanderung brauchen wir viel mehr Lehrkräfte im MINT-Bereich und eine bessere MINT-Lehre.

Gilow: Absolut! Das ist eine gemeinsame Aufgabe. Auch der VCI sitzt da mit im Boot und wir alle in der Branche ziehen an einem Strang. Schließlich hat die ganze Gesellschaft ein Interesse daran. Wir wollen etwas dafür tun, mehr Lehrkräfte zu fördern.

Unabhängig von Pandemie, Krieg und der Energietransformation sind aus unserer Sicht als Arbeitnehmerinteressenvertretung die Arbeitsbedingungen essenziell. Hier bleibt New Work ein wichtiges Thema. Denn Unternehmen müssen attraktive Arbeitsbedingungen bieten, damit ihnen der Nachwuchs auch erhalten bleibt.

DECHEMA und VAA sind wichtige gesellschaftliche Akteure, die vom ehrenamtlichen Engagement leben. Wie lässt sich die Motivation, im Ehrenamt aktiv zu werden, noch besser fördern?

Gilow: Das ist wirklich die Gretchenfrage für alle Verbände. Durch die Transformation der Arbeitswelt haben wir mittlerweile weniger Möglichkeiten als zuvor, potenzielle Mitglieder persönlich anzusprechen. Daher beschäftigen wir uns damit, unsere Ansprache offener und digitaler zu gestalten. Über alle Verbände und Gewerkschaften hinweg nimmt die Bereitschaft der Einzelnen fürs Ehrenamt eher ab. Hier sind wir gefragt, die Bedeutung aufzuzeigen. Ehrenamtliches Engagement kann sehr erfüllend sein und ist ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesellschaft, weil wir in vielen Bereichen sonst nichts bewegen können. Auch unser Netzwerk lässt sich viel besser nutzen, wenn man stärker daran teilnimmt.

Förster: Die Mitglieder der DECHEMA sind das Herzstück unserer Organisation und die Grundlage für unser Know-how. Warum lohnt sich Engagement? Letztlich ist neben den monetären Vorteilen das Engagement an sich ausschlaggebend. In unseren Gremien kann man wirklich mitgestalten. Die DECHEMA beschäftigt sich mit den großen Zukunftsthemen: Energieversorgung, Wasser oder der Frage nach den Rohstoffen von morgen. All diese Herausforderungen kann niemand allein bewältigen. Dafür braucht es interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft – und genau dafür bietet die DECHEMA mit ihren Gremien die richtige Plattform.

Klar: Ich kann mich immer auch passiv informieren lassen – für viele ist das auch in Ordnung. Ich kann aber auch aktiv mitgestalten und mein Feedback direkt äußern. Das wird dann von uns aufgegriffen und in unseren Fokusthemen vorangetrieben. Mit der neuen Gremienstruktur haben wir als DECHEMA unsere Partizipationsmöglichkeiten verbessert, beispielsweise durch Wahlen in die Gremien. Es ist nun sichtbarer, wie ich mich persönlich engagieren kann und welche Vorteile mir das bringt.

Gilow: Gestaltungsmöglichkeiten sind natürlich zentral für den VAA. Die Arbeitsbedingungen werden über die Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen, also über Betriebsräte, Sprecherausschüsse und Aufsichtsräte beeinflusst. Unsere Mitglieder haben damit konkreten und spürbaren Einfluss auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen und diejenigen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Das ist etwas, was wirklich handfest ist. Unsere VAA-Community ist breit gefächert und besteht aus all unseren Mitgliedern in den unterschiedlichen Gremien an den Standorten. Wer sich ehrenamtlich engagiert, kann viel bewegen – und das ist dann wirklich unmittelbar zu spüren.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Februarausgabe 2023 veröffentlicht worden.