Abfindung: Kappungsgrenze im Sozialplan zulässig

07.06.2022 Kategorie:  Urteile und Recht

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Eine Abfindungsdeckelung in einem Sozialplan stellt keine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer dar, solange die Maximalabfindung die entlassungsbedingten Nachteile „substanziell abmildert“ und mit der Deckelung eine übermäßige Begünstigung älterer Arbeitnehmer begrenzt werden soll.

Eine Einschränkung gibt es: Für Klageverzichtsprämien gelten die im Sozialplan vereinbarten Höchstbetragsregelungen allerdings nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Was ist im konkreten Fall passiert? Ein 59-jähriger Arbeitnehmer war infolge einer betriebsbedingten Kündigung nach 33 Jahren Betriebszugehörigkeit aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Aufgrund eines zwischen seinem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplans konnte er eine Abfindung beanspruchen, deren Höhe sich nach der üblichen Formel Betriebszugehörigkeit mal Bruttomonatsgehalt mal Faktor berechnete. Zudem war ein Höchstbetrag von 75.000 Euro für die Abfindung festgelegt worden. In einer weiteren Betriebsvereinbarung war geregelt, dass sich der Faktor um 0,25 erhöht, wenn der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt. 

Der Arbeitnehmer verzichtete auf die Kündigungsschutzklage und erhielt als Abfindung den Höchstbetrag. Vor dem Arbeitsgericht klagte er auf die Zahlung weiterer 28.000 Euro, die sich aus der Sozialplanformel ohne Anwendung der Limitierungsklausel ergeben hätten. Aus seiner Sicht war die Begrenzung unwirksam, weil sie eine Altersdiskriminierung darstellte. Weitere 26.600 Euro verlangte er, weil die Limitierungsklausel auf die Klageverzichtsprämie ebenfalls nicht anwendbar sei. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitnehmer hingegen zumindest teilweise recht (Urteil vom 7. Dezember 2021, Aktenzeichen: 1 AZR 562/20). Das BAG entschied, dass die Begrenzung der eigentlichen Sozialplanabfindung auf 75.000 Euro den Arbeitnehmer nicht unzulässig wegen seines Alters benachteiligt und somit wirksam ist.

Die Regelung sei zwar geeignet, ältere Arbeitnehmer zu benachteiligen, aber durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Die Höchstgrenze ziele ab auf die Sicherstellung der gerechten Verteilung der limitieren finanziellen Mittel, die für den Sozialplan zur Verfügung stehen. Solange die Maximalabfindung eine substanzielle Milderung der Nachteile für die vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer darstelle, sei eine solche Regelung aus Sicht des BAG angemessen. Der Arbeitnehmer hatte somit keinen Anspruch auf eine höhere Abfindung direkt aus dem Sozialplan.

Auf die sogenannte Turboprämie für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage findet die Höchstgrenze laut BAG hingegen keine Anwendung. Da der Sozialplan und die Betriebsvereinbarung als eigenständige Regelungen nebeneinanderstünden, sei nicht von einer einheitlichen Abfindung auszugehen, die insgesamt der Höchstbetragsregelung des Sozialplans unterfallen sollte. Somit standen dem Arbeitnehmer zusätzliche zum Höchstbetrag aus dem Sozialplan weitere 26.600 Euro aus der Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie zu.

VAA-Praxistipp: Mit seinem Urteil hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben, nach der es unzulässig war, einem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Mittel zu entziehen und funktionswidrig im Bereinigungsinteresse des Arbeitgebers für Klageverzichtsprämien einzusetzen.