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Bis Juni 2026 müssen deutsche Unternehmen die europäische Entgelttransparenzrichtlinie umsetzen – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen und Beschäftigte. VAA-Jurist Stefan Ladeburg erklärt im Gespräch mit dem VAA Magazin, welche neuen Pflichten auf die Unternehmen zukommen, welche Rechte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten und warum auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Karten neu mischt.
VAA Magazin: Gibt es neue Entwicklungen zum Thema Entgelt, Transparenz und der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer?
Ladeburg: Am 6. Juni 2023 ist die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft getreten. Sie soll die Lohntransparenz innerhalb der EU-Mitgliedstaaten fördern und Diskriminierungen bei der Entgeltzahlung aufgrund des Geschlechts beseitigen. Der deutsche Gesetzgeber muss diese Richtlinie bis zum 7. Juni 2026 umsetzen.
Aber es gibt doch schon das Entgelttransparenzgesetz in Deutschland. Wieso muss der Gesetzgeber dann überhaupt noch tätig werden?
Ja, die Anforderungen der Richtlinie gehen über die Anforderungen des deutschen Gesetzes weit hinaus und geben den Arbeitnehmern zusätzliche Rechte. Insofern muss der Gesetzgeber das deutsche Entgelttransparenzgesetz überarbeiten und anpassen.
Welche Veränderung treten mit der europäischen Richtlinie ein?
Tritt künftig eine Transparenzpflicht bei der Vergütung ein, müssen Unternehmen künftig bereits in der Stellenausschreibung oder vor Vertragsabschluss Informationen über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne bereitstellen. Zudem sind sie verpflichtet, den Beschäftigten Zugang zu den Kriterien der Entgeltfestlegung und Entwicklung zu gewähren.
Arbeitnehmer erhalten ein umfassendes Auskunftsrecht über ihre eigene Entgelthöhe sowie die durchschnittlichen Gehälter vergleichbarer Beschäftigter – aufgeschlüsselt nach Geschlecht. Unternehmen müssen Anfragen hierzu innerhalb von zwei Monaten schriftlich beantworten und ihre Mitarbeiter jährlich über dieses Recht informieren.
Ferner kehrt sich die Beweislast künftig um. Der Arbeitgeber muss künftig nachweisen, dass kein Entgeltgefälle vorliegt. Es werden betriebliche Prüfverfahren bei berichtspflichtigen Arbeitgebern bei einem Gefälle der durchschnittlichen Entgelthöhe von mehr als fünf Prozent gemeinsam mit dem Betriebs- oder Personalrat eingeführt.
Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind verpflichtet, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in leicht zugänglicher Weise Informationen über die Kriterien für die Festlegung ihres Entgelts, ihrer Entgelthöhe und ihrer Entgeltentwicklung zur Verfügung zu stellen.
Arbeitgeber mit mehr als 100 Beschäftigten unterliegen einer Berichtspflicht bezüglich geschlechtsspezifischer Entgeltgefälle, geschlechtsspezifischer Entgeltfälle bei ergänzenden oder variablen Entgeltbestandteilen, des Anteils der Arbeitnehmer, die ergänzende oder variable Entgeltbestandteile erhalten, des Anteils der Arbeitnehmer an jedem Entgeltquartil sowie des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles zwischen Arbeitnehmern – aufgeschlüsselt nach Grundlohn oder Gehalt sowie nach ergänzenden oder variablen Entgeltbestandteilen. Die Richtigkeit der Angaben ist von der Geschäftsführung nach Anhörung der Arbeitnehmervertreter zu bestätigen.
Das hört sich nicht unkompliziert an. Was passiert, wenn Unternehmen diese Pflichten nicht erfüllen?
Kommt ein Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nach, drohen empfindliche Bußgelder. Hinzu kommt eine verschärfte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Kriterien der Entgeltungleichbehandlung.
Was hat sich hier geändert?
Das Bundesarbeitsgericht hat 2023 entschieden, dass ein besseres Verhandlungsgeschick bei Gehaltsverhandlungen männlicher Arbeitnehmer kein Kriterium bezüglich einer Entgeltungleichheit darstellt. Auch eine bessere Qualifikation aufgrund langjähriger Berufserfahrung muss vom Arbeitgeber genau dargelegt werden. Es reicht hier nicht aus, allein darauf abzustellen, dass die männlichen Arbeitnehmer über eine mehr als 20-jährige Berufserfahrung verfügen.
Was bedeutet dies genau?
Nehmen wir ein Beispiel. Sie haben in einem Bereich fünf langjährig beschäftigte Männer. Diese haben eine Tätigkeit mehr als 20 Jahre lang ausgeübt und beziehen ein entsprechend hohes Gehalt. Jetzt beschäftigen Sie in diesem Bereich eine Frau, die als Berufsanfängerin in der Regel ein weitaus niedrigeres Gehalt bezieht. Da wird es nach einem Zeitraum von fünf bis zehn Beschäftigungsjahren sehr schwierig, die Gehaltsdifferenz allein mit dem höheren Lebensalter und der längeren Berufserfahrung zu rechtfertigen.
Hier spricht dann alles für eine Diskriminierung der weiblichen Mitarbeiterin. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sehr genau darzulegen, weshalb die männlichen Arbeitnehmer ein höheres Gehalt beziehen.
VAA-Jurist Stefan Ladeburg ist Rechtsanwalt, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VAA und Leiter des VAA-Büros Berlin.
Darf ein Betriebsratsmitglied aus dem Gremium ausgeschlossen werden, wenn es gegen seine datenschutzrechtlichen Verpflichtungen verstößt? Ja, hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) festgestellt.
Bei ihrer Tätigkeit haben Betriebsräte häufig mit Personaldaten der Beschäftigten zu tun. Dabei müssen sie nach § 79a S. 1 BetrVG die Vorschriften über den Datenschutz einhalten. Ein Betriebsratsmitglied, das sensible Personaldaten an die eigene private E-Mail-Adresse schickt, verstößt grob gegen diese Pflicht.
Im konkreten Fall hatte sich der Betriebsratsvorsitzende berufliche E-Mails mit personenbezogenen Daten an seine private E-Mail-Adresse automatisch weitergeleitet. Der Arbeitgeber stellte dies fest, sah darin einen Datenschutzverstoß und erteilte eine Abmahnung. Der Betriebsrat änderte sein Verhalten jedoch nicht und leitete weiterhin Dokumente wie eine vollständige Personalliste mit Gehaltsangaben an seine private Adresse weiter, um sie im Privaten zu bearbeiten und anschließend wieder an die geschäftliche Adresse zurückzuschicken.
Der Arbeitgeber beantragte deswegen den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat. Die Begründung: grobe Verletzung seiner gesetzlichen Datenschutzpflicht durch das Weiterleiten der personenbezogenen Daten. Die Begründung des Betriebsratsvorsitzenden und des Betriebsrats, der Betroffene habe die Dokumente für Verhandlungen mit dem Arbeitgeber benötigt und immer auch für Datenschutz gesorgt, hielt vor Gericht nicht stand. Auch die Aktivierung einer automatischen Löschung und eines Virenschutzes waren nicht ausreichend.
Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten verlangen. Dem LAG Hessen zufolge wog der vorliegende Verstoß gegen datenschutzrechtliche Pflichten so schwer, dass er einen Ausschluss rechtfertigt. Das Gericht stellte fest, dass die Liste viele persönliche Daten enthielt – zum Beispiel die Namen aller Mitarbeitenden, ihre Position im Unternehmen, Arbeitszeiten, Tarifgruppe, Entgeltstufe, Grundgehalt, den Verlauf der Entgeltentwicklung, Eintrittsdaten sowie Vergleichswerte zur Eingruppierung und zum Gehalt im Konzern.
Aus Sicht des LAGs sei es nicht nötig gewesen, diese Daten zur Bearbeitung mit nach Hause zu nehmen. Der Betriebsrat habe damit außerdem gegen das Gebot der Datenminimierung verstoßen.
Im Umgang mit personenbezogenen Daten müssen auch und besonders Betriebsratsmitglieder Vorsicht und Sorgfalt walten lassen. Das vom LAG unter anderem angeführte Gebot der Datenminimierung in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass der Umgang mit und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten „dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein“ müsse.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Augustausgabe 2025 veröffentlicht worden.
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