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Seit einigen Jahren ist das Mobile Arbeiten aus dem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken. Aus Sicht der Beschäftigten besteht inzwischen regelmäßig der Wunsch, zumindest teilweise aus dem Homeoffice zu arbeiten. VAA-Juristin Catharina Einbacher weiß dies auch aus ihrer Erfahrung in der Rechtsberatung von VAA-Mitgliedern zu berichten. Das Problem: Arbeitgeber haben in der Vergangenheit häufig Homeoffice gewährt, aber möchten die Mitarbeitenden wieder zurück an den betrieblichen Arbeitsplatz holen – möglichst generell oder aber an bestimmten festen Tagen.
VAA Magazin: Was gibt es bei der Homeoffice-Problematik denn grundsätzlich zu beachten?
Einbacher: Wichtig ist zu wissen, dass es aktuell keinen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Recht auf Homeoffice garantiert. Im Koalitionsvertrag der alten Ampelregierung 2021 wurde zwischen den drei Parteien vereinbart, dass Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Arbeit von zu Hause ermöglichen müssen, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Das ist jedoch politisch nicht umgesetzt worden. Der „alte“ Koalitionsvertrag gilt in der neuen Regierung nicht mehr. Damit kommt es bei der Frage, ob die Arbeit zum Beispiel im häuslichen Arbeitszimmer oder auf betrieblichem Boden erbracht wird, auf die jeweiligen Vereinbarungen an.
Wonach bestimmt sich denn grundsätzlich der Ort der Arbeitstätigkeit?
Dies ist in § 106 Abs. 1 der Gewerbeordnung – kurz GewO – geregelt. Dort heißt es: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“ Der Arbeitgeber bestimmt also grundsätzlich den Arbeitsort. Homeoffice ist daher eine freiwillige Gestattung und der Wunsch des Arbeitnehmers, im Homeoffice arbeiten zu dürfen, kann über das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt werden.
Grundsätzlich gilt: Sofern keine Regelung zum Homeoffice existiert, besteht auch kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice. Denn der Erfüllungsort für die Erbringung der Arbeitsleistung ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers. Häufig ist im Arbeitsvertrag schlicht „Sitz des Unternehmens“ oder „Betrieb XY“ geregelt. Ohne Regelung oder mit einer arbeitsvertraglichen örtlichen Versetzungsregelung obliegt dessen Bestimmung kraft Direktionsrecht dem Arbeitgeber.
Gibt es irgendwelche Ausnahmen?
Ausnahmen und Sonderfälle kann es beispielsweise bei einer Schwerbehinderung oder bei der Gleichstellung geben: Bei bestimmten gesundheitlichen Einschränkungen kann im Einzelfall ein Anspruch auf Homeoffice als „mildere Maßnahme“ im Rahmen des § 164 SGB IX entstehen.
Wie ist das in den Chemie- und Pharmaunternehmen üblicherweise geregelt?
Die Regelungen zum Homeoffice finden sich ganz überwiegend entweder in einer Betriebsvereinbarung oder im Anstellungsvertrag. Es bedarf damit jeweils der Zustimmung beider Arbeitsvertragsparteien beziehungsweise Betriebsparteien durch individuelle oder kollektive Regelung.
Kann der Arbeitgeber einen Mitarbeiter auch trotz einer solchen Vereinbarung zur Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz zwingen?
Je nach vereinbarter Regelung kann der Arbeitgeber kraft Direktionsrecht die Rückkehr aus dem Homeoffice in den Betrieb auch gegen den Willen des Arbeitnehmers durchsetzen. In den meisten Vereinbarungen werden Gründe genannt, die den Arbeitgeber zu einer vorübergehenden, vereinzelten oder dauerhaften Rückkehr des Arbeitnehmers aus dem Homeoffice berechtigen.
Dies ist zum Beispiel immer möglich, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Dafür gibt es allerdings Grenzen. Auch der Widerruf der einmal gegebenen Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erledigen, ist eine Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und als solche am Erfordernis billigen Ermessens zu überprüfen.
Das LAG Köln hat zum Beispiel in seinem Urteil vom 11. Juli 2024 einen Widerruf des Homeoffice abgelehnt, weil der Arbeitnehmer einem neuen, 500 Kilometer entfernten Standort zugewiesen wurde und ohne ersichtlichen Grund die Möglichkeit der Arbeit aus dem Homeoffice widerrufen wurde. Die erzwungene Rückkehr aus dem Homeoffice in den Betrieb kann also zulässig sein, wenn der Arbeitgeber das Direktionsrecht ermessensfehlerfrei nutzt und keine anderslautende Betriebsvereinbarung besteht.
Und wie ist es im umgekehrten Fall? Kann mein Arbeitgeber von mir verlangen, dass ich zu Hause arbeite?
So wie der Arbeitnehmer ohne vertragliche Regelung keinen Anspruch auf Homeoffice hat, so hat auch der Arbeitgeber mangels Verfügungsberechtigung über die Privatwohnung des Arbeitnehmers kein Recht, eine Tätigkeit im Homeoffice gegenüber dem Arbeitnehmer einseitig anzuordnen.
Welche Rolle hat der Betriebsrat in Bezug auf Homeoffice-Regelungen?
Der Betriebsrat hat bei der Einführung, Ausgestaltung und Durchführung von Homeoffice-Regelungen eine zentrale Mitbestimmungsrolle. Die rechtlichen Grundlagen dafür finden sich im Betriebsverfassungsgesetz. Allerdings hat der Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einführung von Homeoffice: Die Entscheidung darüber, ob überhaupt im Homeoffice gearbeitet wird, liegt beim Arbeitgeber.
Die konkrete Durchführung des Homeoffice tangiert allerdings regelmäßig eine ganze Reihe von sozialen Angelegenheiten im Sinne von § 87 Abs. 1 BetrVG, bei denen der Betriebsrat mitbestimmungsberechtigt ist. Wenn die Begründung oder Beendigung einer Vereinbarung über eine Tätigkeit im Homeoffice eine Versetzung ist, ist die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG ebenfalls notwendig.
Was raten Sie betroffenen VAA-Mitgliedern bei unklarer Sachlage oder bei Fragen zu Homeoffice-Regelungen?
VAA-Mitglieder, die sich rund ums Thema Homeoffice nicht sicher sind, sollten sich auf jeden Fall vom Juristischen Service des VAA beraten und ihre rechtliche Situation individuell prüfen lassen.
VAA-Juristin Catharina Einbacher ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin im VAA-Büro Berlin.
Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Beschäftigte selbst durch gerichtlichen Vergleich nicht auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Im konkreten Fall war ein Arbeitnehmer von Januar 2019 bis Ende April 2023 als Betriebsleiter bei seinem Arbeitgeber angestellt. Im Jahr 2023 war er durchgehend krank und konnte deshalb seinen gesetzlichen Mindesturlaub in diesem Jahr nicht nehmen. Kurz vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses einigten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2023 gegen Zahlung einer Abfindung. Im Vergleich stand, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ seien. Später klagte der Arbeitnehmer auf Auszahlung des nicht genommenen gesetzlichen Urlaubs für das Jahr 2023, weil er den Urlaub krankheitsbedingt gar nicht hätte nehmen können.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitnehmer recht. Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Sinne des Arbeitnehmers entschieden (Urteil vom 3. Juni 2025, Aktenzeichen: 9 AZR 104/24). Nach der Entscheidung des BAGs war die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, unwirksam, soweit sie einen nach dem Bundesurlaubsgesetz unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regelt. Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs dürfe im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Das gilt laut BAG auch dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Denn nach Europäischem Recht dürfe bezahlter Mindesturlaub – außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitnehmer somit nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.
Das Urteil des BAG stellt klar, dass bestehende gesetzliche Urlaubsansprüche selbst in einem Vergleich vor Gericht nicht einfach gestrichen werden können, insbesondere nicht ohne finanziellen Ausgleich. Besonders wenn Beschäftigte krank sind und den Urlaub deshalb nicht nehmen konnten, besteht Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Ende des Arbeitsverhältnisses.
Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Juniausgabe 2025 veröffentlicht worden.
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