Fach- und Führungskräfte Chemie – News http://www.vaa.de Aktuelle Nachrichten für Fach- und Führungskräfte aus der Chemie de VAA Fri, 26 Apr 2024 13:08:42 +0200 Fri, 26 Apr 2024 13:08:42 +0200 TYPO3 EXT:news news-483 Wed, 24 Apr 2024 09:27:00 +0200 Verhaltensbedingte Kündigung: VAA-Jurist erläutert Gründe https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=483&cHash=8709c3e7eca247e24e336f22b4797fad In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist meist von betriebsbedingten Kündigungen und Aufhebungsverträgen die Rede. Trotzdem kommt es regelmäßig vor, dass Beschäftigte auch aus anderen Gründen aus ihren Unternehmen ausscheiden. Nicht nur wegen Restrukturierungen in kleinerem oder größerem Umfang werden Kündigungen und Aufhebungsverträge abgeschlossen. Auch arbeitsvertragswidriges Verhalten führt zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Welche Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung vorliegen können und wie Betroffene damit umgehen sollen, erklärt Hinnerk Wolff vom Juristischen Service des VAA im Interview mit dem VAA Magazin.

VAA Magazin: Gibt es besondere Voraussetzungen für verhaltensbedingte Kündigungen?

Wolff: Ja. Eine fristlose oder fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung hat ganz andere Voraussetzungen als eine betriebsbedingte Kündigung. Da gibt es zum einen die außerordentliche Kündigung mit der zweiwöchigen Ausschlussfrist gemäß § 626 Absatz 2 BGB. Dann gibt es die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung mit regelmäßig einer vorhergehenden Abmahnung. Nun unterscheiden die Juristen auch noch zwischen Tat- und Verdachtskündigung. Zu guter Letzt muss das Ganze abgegrenzt werden von einer personenbedingten Kündigung.

Ziemlich verwirrend. Lässt sich das für juristische Laien erklären?

Bei verhaltensbedingten Kündigungen geht man davon aus, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung erbringen können, aber nicht vertragsgemäß leisten wollen. Bei der personenbedingten Kündigung wollen Beschäftigte ihre Arbeitsleistung erbringen, können sie aber nicht vertragsgemäß leisten. Bei der ordentlichen Kündigung wird mit Ablauf der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beendet, bei der fristlosen Kündigung wird mit sofortiger Wirkung. Das heißt: Mit Zugang der Kündigung wird das Arbeitsverhältnis aus „wichtigem Grund“ beendet.

Bei der Tatkündigung ist der Arbeitgeber von der Pflichtverletzung des Mitarbeitenden überzeugt und kann sie auch beweisen. Er spricht also die Kündigung wegen vollbrachter Tat aus. Kann die Pflichtverletzung nicht sicher nachgewiesen werden, oder besteht ein Risiko, dass er „die Tat“ nicht nachweisen kann, wird die verhaltensbedingte Kündigung oft als sogenannte Verdachtskündigung ausgesprochen. Bei der Verdachtskündigung wird der Mitarbeitende einer so schweren Pflichtverletzung verdächtigt, dass allein der Verdacht ausreicht, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Gilt hier nicht die Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen ist?

Nun, wir sind hier nicht im Strafrecht mit staatlicher Verfolgung, sondern in einem Privatrechtsverhältnis. Insofern gibt es auch kein Aussageverweigerungsrecht, wenn die Gefahr besteht, sich selbst zu belasten. Meist geschieht die Tatkündigung bei strafbaren Handlungen. Besteht beispielsweise der Tatverdacht, der sich auf konkrete Tatsachen stützt, dass ein Arbeitnehmer eine Kollegin sexuell belästigt hat, so kommt diese Verdachtskündigung in Betracht.

In letzter Zeit werden wir auch mit Fällen konfrontiert, in denen nach angloamerikanischen Verhältnissen sogenannte Investigativverfahren von Unternehmen eingeleitet werden, um Schuldige für schwerwiegende unternehmensschädigende Verhaltensvorfälle herauszufinden. Entgegen ihrer Absicht, dafür Verfahrensgrundsätze einschließlich des Rechts auf Verweigerung der Aussage und Beiziehung eines Rechtsanwaltes einzuführen, ist der deutsche Gesetzgeber bisher untätig geblieben – im Gegensatz zu anderen Staaten. So werden Beschäftigte plötzlich von Vorgesetzten in die Personalabteilung oder ins Büro der Geschäftsführung bestellt, wo die Unternehmensleitung – regelmäßig auch ein Anwaltsteam einer vom Arbeitgeber beauftragten Kanzlei – wartet. Dann wird ein Anhörungsverfahren ohne prozessuale Regelungen mit Arbeitnehmern durchgeführt. Dabei werden Zeugen und mögliche Beschuldigte vernommen, beispielsweise, wenn Unregelmäßigkeiten oder Bestechlichkeit bei der Vergabe von Aufträgen an Dienstleister und andere Gewerke im Raum stehen, die Leistungen für das Unternehmen erbringen.

Werden Beschäftigte davon nicht völlig überrumpelt?

Das stimmt. Betroffene müssen befürchten, dass sie bei entsprechenden Aussagen auch von Kolleginnen und Kollegen mit einer fristlosen Verdachtskündigung, meist ausgesprochen als Tat- oder hilfsweise Verdachtskündigung, gekündigt werden. Meist werden alle Zugangsnachweise weggenommen und die Betroffenen durch den Werkschutz oder HR direkt zum Werkstor geführt. Sie haben also kein Zutrittsrecht mehr zum Gelände. Gegebenenfalls folgt noch die Einleitung eines Strafverfahrens.

Wie kann der Juristische Service des VAA betroffenen VAA-Mitgliedern helfen?

Die Juristinnen und Juristen des VAA begleiten unsere betroffenen Mitglieder bei diesen Verhandlungen, üblicherweise aber nicht beim ersten Mal der Anhörung. Und da haben wir wieder das Problem: Unternehmen müssen die Hinzuziehung eines Anwalts nicht gestatten, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Genauso wenig kann ein Arbeitnehmer verlangen, dass zu einem kritischen Personalgespräch immer ein Rechtsanwalt hinzugezogen wird. Aber regelmäßig lassen die Unternehmen das dann bei Fortgang des Verfahrens aus Gründen der Waffengleichheit zu – und weil es International in anderen Verfahrensordnungen zugelassen ist. Wenn VAA-Mitglieder also von einer solchen Maßnahme betroffen sind, sollten sie sich schnellstmöglich der Unterstützung der VAA-Juristen versichern.

Entscheidend für den Erfolg einer solchen Klage ist aber, dass sich ein dringender Tatverdacht ergibt und man die Beschäftigten genau zu den Tatvorwürfen anhören und Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss! Ein formaler Fehler führt ansonsten zur Unwirksamkeit der Kündigung. Genau aus dem Grund versichern sich die meisten Unternehmen eines Teams von Rechtsanwälten, die den Sachverhalt auch erklären sollen. Was folgt, ist entweder eine fristlose Kündigung, hilfsweise fristgerecht, und ein langer Prozess. Was die meisten nicht wahrhaben wollen: Mit dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung endet die Entgeltzahlung.

Gab es denn in letzter Zeit im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung besondere Entscheidungen?

Über eine Entscheidung hat mein Kollege Stefan Ladeburg in der letzten Ausgabe des VAA Magazins im Februar 2024 schon berichtet. Es ging um die Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Dauer der Kündigungsfrist. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 8. September 2021 entschieden, dass in dem Falle, wenn ein Arbeitnehmer selbst kündigt und passgenau für die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegt, ernsthafte Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung bestehen. Es gab dem Arbeitgeber recht, dass dieser keiner Entgeltfortzahlungspflicht unterliegen kann. Das war zwar kein Fall zu einer verhaltensbedingten Kündigung, aber im Grunde lag hier schon der Verdacht des Betruges vor und damit wieder eine Art von „Räuberpistole“. Das kommt aber sehr häufig vor.

Ähnlich auch war eine Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 22. März 2021: Die Parteien stritten über eine auf den Verdacht von Drogenkonsum gestützte Kündigung. Der Kläger war Verpackungshelfer und zerlegte wiederholt Teile. Das Unternehmen hörte aus dem Betriebsumfeld, dass er seine Fahrerlaubnis aufgrund von Drogenkonsum verloren hätte. Daraufhin hegten sie den Verdacht, dass die ständigen Schädigungen auf den Drogenkonsum zurückgingen. Als der Arbeitgeber den Kläger anhörte, aber vergaß, ihn mit dem Verlust der Fahrerlaubnis aufgrund des Drogenkonsums zu konfrontieren, verlor er den Prozess. Denn auch nach der Rechtsprechung des BAG soll dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, sich mit einer Frist von einer Woche zur Stellungnahme eingehend mit den Verdachtsmomenten auseinandersetzen zu können und sich nach Bedarf hierzu rechtlich beraten lassen. Für die Stellungnahme muss ihnen Gelegenheit nach Wahl gegeben werden, eine Einlassung in Textform oder ein Personalgespräch zu verlangen unter Hinzuziehung eines Anwalts oder einer sonstigen Vertrauensperson.

Und wie steht es mit unglücklichem Agieren in sozialen Medien?

Auch dazu gibt es „frische Ware“ aus Erfurt vom Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 24. August 2023. Der Delinquent gehörte seit 2014 einer privaten WhatsApp-Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. 2020 kam noch einer hinzu. Alle waren langjährig miteinander befreundet, zwei miteinander verwandt. In dieser Gruppe äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Kollegen. Und dann kam es, wie es kommen musste: Im Rahmen eines Gesprächs über einen Arbeitszeitkonflikt zeigte ein Gruppenmitglied den Chatverlauf anderen Beschäftigten, die nicht zur Gruppe gehörten. Einer dieser Mitarbeiter kopierte den Chatverlauf auf sein eigenes Smartphone und spielte es dem Betriebsrat des Unternehmens zu. Davon erfuhr das Unternehmen und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos.

In beiden Instanzen in Niedersachsen waren die Arbeitsgerichte der Auffassung, dass die Kündigungsschutzklage erfolgreich sei, da die Äußerungen im Rahmen einer vertraulichen Kommunikation gefallen sind. Diese Vertraulichkeit genieße verfassungsrechtlichen Schutz. Das BAG teilte diese Auffassung nicht: Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedarf es für die Begründung eines besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutzes der Darlegung, warum der Äußernde berechtigt erwarten durfte, dass der Inhalt seiner Äußerungen von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben wird. Und das BAG sah im Messagingdienst WhatsApp ein Medium, das gerade auf die schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegt ist. Das Landesarbeitsgericht müsse dem Kläger nun Gelegenheit für eine solche Darlegung einräumen und erneut entscheiden.

Was lernt man daraus? Wer Nachrichten in einer WhatsApp-Gruppe austauscht, dem muss klar sein, dass diese gespeichert werden und für längere Zeit abrufbar sind. Der Zugriff und das Risiko des Zugriffs von Dritten liegt im Risikobereich des Arbeitnehmers.

Welche Fälle in der VAA-Rechtsberatung kommen bei verhaltensbedingten Kündigungen noch vor?

Vordere Plätze nehmen gern betrügerische Zeiterfassung in Buchungssystemen und Spesenbetrug ein. Man könnte es – abseits von Dummheit – auch so ausdrücken: Wenn einem trennungswilligen Arbeitgeber die betriebsbedingten Argumente ausgehen, lohnt ein Blick in die Abrechnungsunterlagen bei Dienstreisen. Und es reicht schon der Verdacht der Unterschlagung oder des Betrugs mit wenigen Euros aus, um nach der Rechtsprechung eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Denn der dringende Verdacht des Missbrauchs von Zeiterfassungssystemen kann das rechtfertigen.

In Mecklenburg-Vorpommern hatte das Landesarbeitsgericht einen Fall aus Stralsund zu entscheiden, bei dem sich ein vermeintlich gewitzter Arbeitnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit von zu Hause aus im Zeiterfassungssystem eingebucht hatte, die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude aufnahm. Das Gericht wies zutreffend darauf hin, dass Gleitzeitmodelle und flexible Arbeitszeitmodelle insbesondere dem Interesse der Belegschaft dienen, private und dienstliche Belange miteinander zu verbinden und besonders zuverlässig bedient werden müssen. Diese Problematik der manipulierten Arbeitszeiterfassung wird noch interessanter werden, wenn sich der Gesetzgeber endlich entschließen sollte, aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts künftig die Zeiterfassung in weit höherem Maße zur Pflicht zu erklären.

Aber es gibt noch ein buntes Potpourri von anderen Gründen, die den Rahmen sprengen würden: Arbeitsverweigerung, dauernde Unpünktlichkeit, unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes, eigenmächtiger Urlaubsantritt, Drohung der Krankwerdung, Störung des Betriebsfriedens oder beeinträchtigende Nebentätigkeit seien als Beispiele zu nennen.

Können Arbeitgeber einfach eine Kündigung ohne Abmahnung aussprechen?

Nein, bei den meisten arbeitsrechtlichen Verstößen gegen Pflichten im Arbeitsverhältnis ist zuvor eine Abmahnung notwendig – nur nicht bei schwerer Störung des Betriebsfriedens oder kriminellen Handlungen. Und bei der Abmahnung können Arbeitgeber sehr viel verkehrt machen. Wir VAA-Juristen bekommen auch in dieser Hinsicht immer wieder einiges vorgelegt! Eine wirksame Abmahnung muss nach Ansicht der Arbeitsgerichte nämlich perfekt formuliert werden. Das vorwerfbare Verhalten muss entsprechend dargelegt werden, es erfordert weiter die Aufforderung zu vertragstreuem Verhalten und eine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall. Die Abmahnung muss nicht schriftlich erteilt werden, aber sie muss alle diese Bestandteile präzise enthalten – und die Abmahnung verbraucht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers für den gerügten Verstoß.

Wie viele Abmahnungen braucht es, um zu kündigen?

Abmahnung ist nicht gleich Abmahnung. Es muss ein gleichartiges fehlerhaftes Verhalten innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes oder sogar bei leichten Verstößen mehrfach vorliegen, um eine brauchbare Vorlage für den kündigungswilligen Arbeitgeber zu sein. Das bedeutet beispielsweise, dass Verspätungen und fehlerhafte Arbeitsleistung eine solche „Rampe“ nicht bauen. Die Arbeitsgerichte haben einen weiten Auslegungsspielraum, ab wann sie eine im Anschluss daran wegen gleichartigen Verhaltens ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung rechtmäßig werden lassen.

Bleibt so eine Abmahnung auf ewig in den Personalakten?

Nein, maximal für zwei bis drei Jahre. Länger nur dann, wenn im Zeitraum wiederholt gleichartige Arbeitsrechtverstöße aufgetreten sind. Irgendwann ist eben auch aus persönlichkeitsschützenden Erwägungen heraus Schluss mit der Hamsterei – und natürlich auch nach der DSGVO.

Wie gehen Betroffene gegen Abmahnungen vor?

Das sollte man sich im Regelfall gut überlegen, denn wenn ein Arbeitgeber wegen vergleichbaren mehrfachen Arbeitsrechtverstößen kündigen will, muss er dies darlegen und beweisen. Das gilt nicht nur für den einen und letzten Verstoß, weswegen er kündigen möchte, sondern auch für die zutreffende Darstellung und formale Richtigkeit der zuvor erklärten gleichartigen Abmahnungen wegen vertragswidrigen Verhaltens. Wenn aber ein Arbeitnehmer eine Abmahnung beim Arbeitsgericht angreift, gibt es die stark vertretene juristische Meinung, dass in diesem Fall der Arbeitnehmer sein korrektes Verhalten darlegen und beweisen muss.

Ärgerlich bleibt leider aber für viele unserer Mitglieder in AT-Positionen, dass diese Abmahnungen gern dazu verwendet werden, um variable Gehaltsbestandteile nach Beurteilungsgrundsätzen im Rahmen des billigen Ermessens negativ zu berücksichtigen. Es ist also eine in jedem Einzelfall zu treffende Entscheidung, sich einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht zu stellen.

Zurück zur personenbedingten Kündigung: Was konkret versteht man darunter?

Hier liegt der Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers. Zu den typischen Beispielen gehört die krankheitsbedingte Kündigung. Dafür muss immer eine negative Gesundheitsprognose, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und die Verhältnismäßigkeit des Ausspruchs einer Kündigung sowie eine umfassende Interessenabwägung stattfinden. Die Arbeitgeber haben regelmäßig nur eine Chance mit ihrer Kündigung, wenn eine andauernde Krankheit mit einer Dauer von über einem Jahr aufgrund einer negativen Prognose vorliegt – also eine sogenannte Langzeiterkrankung.

Bei Kurzzeiterkrankungen wird die Sache komplizierter. Denn hier muss über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren jeder Krankheitszeitraum zusammengerechnet werden und deutlich über sechs Wochen pro Jahr hinausgehen. Wenn dann aber der Arbeitnehmer darlegt, dass die meisten Sachen ausgeheilt sind, bleibt der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht regelmäßig „zweiter Sieger“.

Müssen Beschäftigte den Grund ihrer Erkrankung nennen? Wenn ja: Muss der Arbeitgeber grundsätzlich alles nachweisen?

Grundsätzlich nicht, aber im Prozess schon. Wenn der Arbeitgeber entsprechend vorgetragen über Krankheits- und Ausfallzeiten hat, müssen Beschäftigte die Ursachen ihrer Erkrankung und die Prognose aufgrund ärztlicher Gutachten – gegebenenfalls auch Sachverständigengutachten – zur Entkräftung darlegen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Aprilausgabe 2024 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-486 Thu, 28 Mar 2024 06:00:00 +0100 Was tun gegen Diabetes? Neues VAA Magazin bringt Schwerpunktthema! https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=486&cHash=3bb291fae510a90ee0e1e1b08fb66dcb Seit Jahrzehnten steigt die Prävalenz von Diabetes weltweit ungebrochen an. Obwohl es im Umgang mit der Volkskrankheit große Fortschritte bei Forschung und Therapie gibt, sind noch viele Fragen zu Ursachen und Wechselwirkungen offen. Damit beschäftigt sich das VAA Magazin in einem Spezial. Kurz vor Ostern ist die Aprilausgabe des VAA Magazins als Webmagazin veröffentlicht worden – mehr als eine Woche vor Erscheinen des gedruckten Heftes. Worum geht es in der neuen Ausgabe? Das Spezial beleuchtet das Schwerpunktthema Diabetes mellitus. Durch den Wandel der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten in der modernen Gesellschaft trifft die Erkrankung auf einen sehr fruchtbaren Nährboden. Der Artikel zeigt, wie gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft und Pharmaindustrie die Zukunft der Diabetesprävention und -behandlung gestalten.    

In der Rubrik VAA wird das Ranking der VAA-Mitglieder vorgestellt, die im vergangenen Jahr die meisten Neumitglieder geworben haben. So viel vorweg: Zurück an der Spitze ist ein „alter Hase“ und ein echtes Urgestein des ehrenamtlichen Engagements im Verband. Des Weiteren gibt es einen kleinen Überblick über das Projekt „VAA next“, in dessen Rahmen die Neuausrichtung des VAA in Sachen Mitgliederservice, Kommunikation und Außenauftritt koordiniert wird.

Über das European Chemistry Partnering wird in der Rubrik Branche berichtet. Seit vielen Jahren hat sich das vom langjährigen VAA-Mitglied Dr. Holger Bengs ins Leben gerufene Business-Speed-Dating-Event als Treffpunkt für innovative Ideen und Geschäfte zwischen Start-ups, Biotech-Investoren und Unternehmen etabliert. Was die Zukunftsaussichten für den Chemie- und Pharmastandort Deutschland betrifft, haben sich der VAA und die DECHEMA zusammengetan und ihre Mitglieder befragt. Zur Auswertung dieser Umfrage gibt es ebenfalls einen Artikel.

In den ULA Nachrichten äußert sich der Deutsche Führungskräfteverband ULA – der politische Dachverband des VAA – zur Krise in der Chemie. In ihrer Funktion als ULA-Vizepräsidentin kommentiert die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab die Situation und spricht sich einmal mehr für eine „klug konzipierte, strategisch angelegte Industriepolitik“ aus. Strategisch und klug sollte möglichst auch der Umbau der Pflegeversicherung erfolgen, wie auf dem „Pflegegipfel 2024“ deutlich geworden ist. Dazu gibt es einen ausführlichen Bericht. In der von den Leserinnen und Lesern sehr beliebten Serie „Pro und contra“ debattieren Katja Hessel von der FDP und Antje Tillmann von der Union über die Frage, ob Familien durch die geplante Reform der Steuerklassen benachteiligt werden.

In der Rubrik Recht beschäftigt sich VAA-Jurist Hinnerk Wolff mit dem Dauerbrennerthema Kündigung, allerdings liegt der Akzent diesmal auf verhaltensbedingten Kündigungen. Die traditionelle Urteilsbesprechung setzt sich mit der Frage auseinander, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht beim Nutzungsverbot privater Smartphones und Handys am Arbeitsplatz hat.

Selbstverständlich wird auch diese Ausgabe durch weitere Meldungen und Artikel aus Branche, Verband, Wissenschaft, Recht und Service abgerundet.

Neben dem Webmagazin gibt es das VAA Magazin außerdem als interaktives, blätterbares E-Paper sowie im klassischen PDF-Format. Einfach anklicken und anlesen – die Redaktion wünscht viel Spaß bei der Lektüre!

Übrigens: Wer Feedback geben möchte, gern kritisch und offen, kann dies unter redaktion@vaa.de tun. Über Leserbriefe und Anregungen freut sich die VAA-Redaktion immer.

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Pressemitteilungen Publikationen
news-485 Tue, 26 Mar 2024 06:00:00 +0100 ChatGPT bei der Arbeit: Welche Mitsprache hat der Betriebsrat? https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=485&cHash=022697e47a07cb5a99efd1ee2d06e4aa Bei Regeln für den Einsatz des KI-Systems ChatGPT über private Accounts der Beschäftigten eines Unternehmens hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Das hat das Arbeitsgericht Hamburg entschieden. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten die Nutzung generativer KI-Systeme wie ChatGPT erlaubt. Die dazu veröffentlichten Regeln sahen vor, dass die Beschäftigten darauf hinweisen mussten, wenn ein Arbeitsergebnis durch den Einsatz entsprechender Systeme zustande gekommen war. Zudem sollte keine gesonderte Software auf den Firmenrechnern installiert werden, sondern die Nutzung der Tools sollte mithilfe von Webbrowsern mit privaten Accounts der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen. Eine zuvor eingeführte Sperrung der entsprechenden Webadressen hob das Unternehmen auf. Der Betriebsrat des Unternehmens verlangte vor dem Arbeitsgericht, die Nutzung von KI-Systemen zu untersagen. Er sah seine Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz verletzt, weil es sich bei der Nutzungserlaubnis und den Vorgaben zur Nutzung der Systeme um Regelungen zur Ordnung im Betreib und die Einführung einer technischen Einrichtung zur Überwachung der Mitarbeiter gehandelt habe. 

Das Arbeitsgericht Hamburg wies den Antrag des Betriebsrats zurück (Beschluss vom 16. Januar 2024, Aktenzeichen: 24 BVGa 1/24). Aus Sicht der Hamburger Arbeitsrichter stellte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Die veröffentlichten Richtlinien seien somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, und somit sei kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz gegeben.

Auch die Einführung einer technischen Einrichtung zur Überwachung der Beschäftigten sah das Gericht nicht als gegeben an. Da die Systeme nicht auf den Computern des Arbeitsgebers installiert wurden, sondern über Webbrowser aufgerufen wurden, deren Nutzung bereits durch eine Konzernbetriebsvereinbarung geregelt war, habe der Betriebsrat sein diesbezügliches Mitbestimmungsrecht schon ausgeübt. Die Nutzung privater Accounts führe zudem dazu, dass der Arbeitgeber auf die durch die KI-Systeme gespeicherten Daten nicht zugreifen konnte. 

VAA-Praxistipp

Der Fall vor dem Arbeitsgericht Hamburg zeigt, dass sich durch die Nutzung von KI-Systemen im beruflichen Kontext neue arbeitsrechtliche und mitbestimmungsrechtliche Fragestellungen entwickeln. Durch die spezielle Konstellation in diesem Fall – keine Installation auf Dienstrechnern und Nutzung privater Accounts – sah das Arbeitsgericht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben. Bei anderen Rahmenbedingungen könnten auch die Entscheidungen der Arbeitsgerichte in solchen Fragen anders ausfallen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Märzausgabe 2024 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-484 Fri, 15 Mar 2024 06:00:00 +0100 Umfrage von VAA und DECHEMA: Standort Deutschland kriegt schlechtes Zeugnis https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=484&cHash=0fe97be5ddb5975499d6c3f2843c94d0 Unter den derzeitigen industriepolitischen Rahmenbedingungen sind die Zukunftsausschichten der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland ausgesprochen negativ. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage unter den Fach- und Führungskräften der Branche. Hoffnung machen hingegen die hohe Ausbildungsqualität und die Nähe zwischen Unternehmen und Wissenschaft bei der Technologieentwicklung. Durchgeführt wurde die Umfrage zum Chemie- und Pharmastandort Deutschland im Dezember 2023 unter mehr als 1.400 Mitgliedern des VAA und der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, die als Fach- und Führungskräfte in Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Chemie- und Pharmabranche tätig sind. Vertreter beider Verbände fordern einen radikalen Kurswechsel in der Industriepolitik.

Im Rahmen der Umfrage bewerteten die Mitglieder von VAA und DECHEMA unter anderem die Bedeutung von insgesamt 17 Standortfaktoren für den Fortbestand der Arbeitsplätze. Als wichtigste Einflussfaktoren wurden dabei die Höhe der Energiepreise, das Ausbildungsniveau und die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie die Stabilität der industriepolitischen Rahmenbedingungen und die Verfügbarkeit von Rohstoffen genannt.

Die Höhe der Energiepreise ist zugleich der Standortfaktor, dem die Umfrageteilnehmenden mit einer Bewertung den negativsten Einfluss auf den Fortbestand der Arbeitsplätze zuschreiben. Ebenfalls hoch gewichtet und besonders kritisch bewertet wurden die Dauer und Komplexität von Genehmigungsverfahren bei der Errichtung neuer Produktionsanlagen und staatlicher Verwaltungsvorgängen insgesamt. Einen positiven Einfluss sehen die Teilnehmer hingegen durch die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Produktionsinfrastruktur und die Nähe zu wissenschaftlichen Institutionen.

Angesichts der Umfrageergebnisse fordert der 2. Vorsitzende des VAA Dr. Christoph Gürtler die politischen Entscheidungsträger zu einem radikalen industriepolitischen Kurswechsel auf: „Wenn der Chemie- und Pharmastandort Deutschland mit seinen hocheffizienten Wettschöpfungsketten erhalten bleiben soll, müssen die Preise für Energie verlässlich auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau gedeckelt und die viel beschworenen Maßnahmen zur Entbürokratisierung endlich umgesetzt werden.“ Dies gelte vor dem Hintergrund des durch etliche Chemie- und Pharmaunternehmen bereits angekündigten Abbaus hochqualifizierter Industriearbeitsplätze mehr denn je.

Bei der Positionierung der deutschen Chemie- und Pharmabranche im internationalen Wettbewerb sehen die Umfrageteilnehmer Stärken und Schwächen: Die Ausbildung wird von rund der Hälfte der Befragten als im Vergleich sehr gut oder eher gut bewertet, die Technologieoffenheit immerhin von einem Drittel. Bei der Technikaufgeschlossenheit in der Gesellschaft sind es hingegen nur 13 Prozent. DECHEMA-Geschäftsführer Dr. Andreas Förster: „Deutschland ist ein weltweit führender Forschungs- und Entwicklungsstandort in der Chemie, Chemietechnik und Biotechnologie und wir haben eine sehr gute Vernetzung zwischen Wissenschaft und Industrie in den technischen Wissenschaften. Dieses Potenzial müssen wir nutzen, um Lösungen für die globalen Herausforderungen zu entwickeln und damit auch den Technologiestandort Deutschland zu stärken.“

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Pressemitteilungen
news-482 Thu, 22 Feb 2024 13:54:00 +0100 Privathandyverbot während der Arbeitszeit: Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=482&cHash=b1c253c94c9ec00e0810d33ac561babc Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Ein Arbeitgeber aus der Automobilbranche hatte seinen Beschäftigten die private Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones während der Arbeitszeit verboten, um ein zügiges und konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer sicherzustellen. Der Betriebsrat des Unternehmens wandte sich vor dem Arbeitsgericht gegen das Verbot, weil dadurch auch Zeiträume erfasst seien, in denen es aus betrieblichen Gründen zu Arbeitsunterbrechungen kommen könne. Die Maßnahme gehe über das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinaus und betreffe das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, somit wäre sie aus Sicht des Betriebsrates mitbestimmungspflichtig gewesen. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht lehnten den Antrag des Betriebsrates ab. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Sinne des Arbeitsgebers (Urteil vom 17. Oktober 2023, Aktenzeichen: 1 ABR 24/22). Das Verbot, so die höchsten Arbeitsrichter, sei eine zulässige Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitnehmer, die keine Mitbestimmung erfordere. Dem stehe nicht entgegen, dass es aus betrieblichen Gründen regelmäßig zu Unterbrechungen bei bestimmten Betriebsabläufen komme. Der Arbeitgeber sei auch während dieser Zeiten aufgrund seines Direktionsrechts berechtigt, die Arbeitsleistung der Beschäftigten abzufordern und ihnen bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Darüber hinaus solle die Anordnung sicherstellen, dass die Arbeitnehmer diese Zeiträume nutzen, um selbstständig etwaige Nebenarbeiten auszuführen. Damit ist aus Sicht der BAG-Richter nicht das Ordnungs-, sondern das – mitbestimmungsfreie – Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betroffen. Dem Betriebsrat steht somit bei der Maßnahme kein Mitbestimmungsrecht zu. 

VAA-Praxistipp

Bei der Abgrenzung zwischen dem mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten im Betrieb geht es um die Unterscheidung, ob eine Maßnahme des Arbeitgebers das generelle Verhalten im Betrieb oder das Verhalten der Beschäftigten bei der Arbeit betrifft. Wenn beide Bereiche betroffen sind, kommt es auf den Wirkungsschwerpunkt der Maßnahme an. Das BAG hat entschieden, dass die private Smartphonenutzung während der Arbeitszeit vor allem das Arbeitsverhalten betrifft und ein entsprechendes Verbot somit nicht mitbestimmungspflichtig ist.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Februarausgabe 2024 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-479 Wed, 07 Feb 2024 06:00:00 +0100 Interview: Was ändert sich dieses Jahr im Arbeitsrecht? https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=479&cHash=8614f30e8f294866681b41e96d102ea4 Auch 2024 gibt es einige für Beschäftigte und Unternehmen wichtige arbeitsrechtliche Neuerungen. Darüber hat sich das VAA Magazin mit Stefan Ladeburg vom Juristischen Service unterhalten. Im Interview geht der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer des VAA unter anderem auf die Verringerung der Anspruchsdauer beim Kinderkrankengeld und die Einrichtung von Meldestellen für Whistleblower ein.

VAA Magazin: Winterzeit ist Krankheitszeit – fangen wir daher direkt mit dem Attest für Beschäftigte an. Hat sich seit dem Start des neuen Jahres etwas an der telefonischen Krankschreibung geändert?

Ladeburg: Präzise eigentlich schon seit Ende des letzten Jahres. Denn wie bereits in den Zeiten der Pandemie können sich seit dem 7. Dezember 2023 Patienten wieder telefonisch krankschreiben lassen. Voraussetzung hierfür ist erstens, dass Patient und Hausarzt bereits bekannt sind und eine Videosprechstunde nicht möglich ist. Zweitens erfolgt die Krankschreibung maximal für fünf Tage. Drittens darf es sich lediglich um eine leichte Erkrankung handeln.

Darüber hinaus sind auch in geeigneten Fällen Krankschreibungen per Videosprechstunde möglich. Hier ist eine Krankschreibung bei dem Arzt persönlich bekannten Patienten für bis zu sieben Tagen möglich, bei noch nicht persönlich bekannten Patienten bis zu drei Tagen.

Wie erfolgt die Übermittlung der Daten?

Es gilt weiterhin, dass seit Einführung der elektronischen Krankschreibung im Jahr 2023 die Ärzte die Arbeitsunfähigkeitsdaten für gesetzlich Versicherte grundsätzlich elektronisch an die Krankenkassen übermitteln, wo sie von den Arbeitgebern direkt abgerufen werden müssen. Beschäftigte müssen jedoch unabhängig davon ihrem Arbeitgeber weiterhin unverzüglich eine bestehende Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtige Dauer anzeigen, auch wenn sie wegen der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber in der Regel keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorlegen müssen.

Und was passiert bei berufstätigen Eltern in Sachen Kinderkrankengeld, wenn das Kind krank wird?

Gesetzlich Versicherte haben 2024 einen Anspruch auf 15 Tage Kinderkrankengeld pro Kind und Elternteil – Alleinerziehende auf 30 Tage. Insgesamt ist der Anspruch auf 35 Tage pro Elternteil begrenzt – bei Alleinerziehenden entsprechend auf 70 Tage. Dies stellt natürlich eine deutliche Absenkung dar. Denn bis zum 31.September 2023 konnte jedes gesetzlich versicherte Elternteil pro Kind bis zu 30 Tage Kinderkrankentagegeld beantragen und bei mehreren Kindern insgesamt maximal 65 Tage. Für Alleinerziehende bestand ein Anspruch auf 60 Tage pro Kind, bei mehreren Kindern waren es maximal 130 Tage. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Regelung, die im Rahmen der Coronapandemie erlassen wurde.

Und wenn man die neue Regelung mit der Vorcoronazeit vergleich?

Hier ist festzustellen, dass die Regelung ab 2024 besser ist als die aus Vorpandemiezeiten bestehende Regelung. Damals hatten Eltern nämlich Anspruch auf nur zehn Tage Kinderkrankengeld – Alleinerziehende auf 20 Tage.

Verstanden. Nächster Punkt: Was gilt bei der Erhöhung des Mindestlohns und den neuen Minijob-Grenzen?

Im Jahr 2024 wird der gesetzliche Mindestlohn für alle Beschäftigten auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben. Die Verdienstgrenze für Minijobs steigt damit von bisher 520 auf nunmehr 538 Euro monatlich. Die Jahresverdienstgrenze erhöht sich damit entsprechend auf 6.436 Euro. Minijobber dürfen damit weiterhin bis zu 43,35 Stunden im Monat arbeiten. Zu beachten ist, dass die Arbeitsverträge, die einen niedrigeren Stundenlohn vorsehen, aufgrund der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns gegebenenfalls angepasst werden müssen. 

Kommen wir jetzt zu einem Thema, das für Teile unserer Mitgliedschaft durchaus eine hohe Relevanz besitzt. Gute Führung und Compliance werden nicht immer überall im nötigen Maß praktiziert. Hier kommen Whistleblower ins Spiel. Wie sieht es nun mit den geplanten Meldestellen für Whistleblower aus?

Whistleblower werden künftig vor Kündigungen und anderen negativen Konsequenzen geschützt. Das Hinweisgeberschutzgesetz vom 20. Juli 2023 schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dann bei den vorgehsehenden Meldestellen Missstände melden, die ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Zusätzlich zu den externen Meldestellen, die zum Beispiel beim Bundesamt für Justiz eingerichtet worden sind, sind Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten nunmehr verpflichtet, eine eigene Meldestelle einzurichten.

Übrigens: Die Pflicht zur Einrichtung eigener Meldestellen bestand bisher bereits für größere Unternehmen. Am 17. Dezember 2023 lief eine Übergangsfrist für kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten aus. Diese sind nunmehr auch verpflichtet, Meldestellen einzurichten. Eine Verletzung der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen kann seit dem 1. Dezember 2023 mit Bußgeldern belegt werden.

Was empfehlen Sie betroffenen VAA-Mitgliedern?

Es gilt das, was ich unseren Mitgliedern immer empfehle: Wer Missstände melden will, sollte sich vorher unbedingt auch mit den Juristinnen und Juristen des VAA abstimmen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Februarausgabe 2024 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-481 Fri, 02 Feb 2024 06:00:00 +0100 KI am Arbeitsplatz – Verstärkung oder Konkurrenz? Antworten im neuen VAA Magazin! https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=481&cHash=cec73b0a9c84d221c04e8f1ad3029cf6 Im Arbeitsalltag hat sich Künstliche Intelligenz bereits fest etabliert. Auch generative KI-Technologien kommen immer häufiger zum Einsatz. Was bedeutet dies für die Jobs von Fach- und Führungskräften in der Industrie? Damit setzt sich das VAA Magazin in einem Spezial auseinander. Pünktlich am 1. Februar ist die erste Ausgabe des VAA Magazins im Jahr 2024 als Webmagazin veröffentlicht worden – wie immer eine Woche vor Erscheinen des gedruckten Heftes. Was gibt es darin zu lesen? Im Spezial beleuchtet Axel Ditteney-Botzen, Mitglied der VAA-Werksgruppe Covestro und regelmäßiger Gastautor im VAA Magazin, die Chancen und Herausforderungen durch die Anwendung generativer KI in der chemischen Industrie. Ist KI eher als Konkurrenz oder Kollege zu begreifen? Dabei geht es auch um die Einbeziehung von KI-Technologien in Führungsaufgaben.    

In der Rubrik VAA werden die Kandidatinnen und Kandidaten auf der Vorschlagsliste des VAA-Vorstandes für die Vorstandswahl vorgestellt, die auf der Delegiertentagung 2024 stattfinden wird. Es gibt acht Kandidaturen für insgesamt sieben Vorstandssitze. Über die VAA-Landesgruppen können sich noch weitere VAA-Mitglieder für die Wahl nominieren lassen. Apropos Mitgliedschaft: Im Bericht zur Mitgliederentwicklung 2023 gibt es einen erfreulichen Rekord bei den Neueintritten in den Verband zu verzeichnen.

Mit der Verleihung des Deutschen Chemie-Preises an Lyondellbasell hat das Verbandsjahr im Dezember letzten Jahres einen würdigen Abschluss gefunden. Dazu gibt es einen Fotobericht in der Rubrik Branche. Im Interview erläutern Prof. Christian Grund und Alexandra Soboll von der RWTH Aachen außerdem, warum die Daten der Einkommensumfrage von VAA und GDCh so wertvoll für die Wissenschaft sind.

In den ULA Nachrichten greift der Deutsche Führungskräfteverband ULA – der politische Dachverband des VAA – das Spezialthema der Künstlichen Intelligenz erneut auf und veröffentlicht einen Weckruf zu KI, verfasst von Theresa Treffers, Nadja Born und Isabell Welpe vom Lehrstuhl für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München. Des Weiteren gibt es Gastbeiträge zu guter Führung vom Wirtschaftsphilosophen Anders Indset und von Prof. Eric Kearney von der Universität Potsdam. Auch die beliebte Serie „Pro und contra“ wird fortgesetzt. Diesmal geht es um die Schuldenbremse, um deren Sinnhaftigkeit die Bundestagsabgeordneten Gitta Connemann von der CDU und Michael Schrodi von der SPD diskutieren.

In der Rubrik Recht geht es um ein Urteil, das die Pflicht von Beschäftigten zur Kenntnisnahme von Arbeitgebermitteilungen in der Freizeit betrifft. Über Neuerungen im Arbeitsrecht klärt VAA-Jurist Stefan Ladeburg im Interview auf. Übrigens: Der Rechtsanwalt und Stellvertretende Hauptgeschäftsführer des VAA gehört schon seit 2001 zum Team des Juristischen Service. Und im letzten Jahr hatten die Juristinnen und Juristen erneut alle Hände voll zu tun, wie ein Artikel zur Jahresstatistik in Sachen Rechtsberatung und Rechtsschutz zeigt.

Selbstverständlich wird auch diese Ausgabe durch weitere Meldungen und Artikel aus Branche, Verband, Wissenschaft, Recht und Service abgerundet.

Neben dem Webmagazin gibt es das VAA Magazin nach wie vor im PDF-Format – sowohl als interaktives, blätterbares E-Paper als auch als klassisches PDF. Einfach anklicken und anlesen – die Redaktion wünscht viel Spaß bei der Lektüre!

Übrigens: Wer Feedback geben möchte, gern kritisch und offen, kann dies unter redaktion@vaa.de tun. Über Leserbriefe und Anregungen freut sich die VAA-Redaktion immer.

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Pressemitteilungen Publikationen
news-480 Wed, 31 Jan 2024 11:24:50 +0100 AfD ist Bedrohung für Deutschland https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=480&cHash=3db9406b5e4bd35edabf5ee1256dbc49 In den letzten Jahren haben sich sowohl der VAA als auch die Gesellschaft in Deutschland weiter verändert. Die Fach- und Führungskräfte der Chemie- und Pharmaindustrie sind noch vielfältiger geworden: VAA-Mitglieder haben immer häufiger unterschiedliche ethnische Herkünfte und Nationalitäten. „Unser Verband ist heute so vielfältig, international und multikulturell wie zu keiner Zeit“, erklärt die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab. „Dies spiegelt sich in unserer Mitgliedschaft und in unseren Beschäftigten wider.“ Auch Schwab selbst besitzt nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. „Wir lehnen jedwede Form von Ausgrenzungsversuchen sowie Hetze, Hass und Angriffe gegen unsere demokratische Grundordnung entschieden ab. Wir wehren uns gegen jeden Versuch, unsere Gesellschaft zu spalten und das Vertrauen in unser Land zu untergraben.“

Schon 2007 hat sich der VAA als einer der Erstunterzeichner der „Charta der Vielfalt“ verpflichtet, eine Organisationskultur zu pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt ist. „In der AfD sehen wir eine Bedrohung für Deutschland“, betont Birgit Schwab. „Die Dexitpläne sind eine groteske Leugnung gelebter Wirklichkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie würden im Fall ihrer Umsetzung Deutschland ruinieren, und zwar viel stärker, als es der Brexit mit Großbritannien getan hat.“ Deutschland sei viel stärker vom Export abhängig. „Wir brauchen die EU. Wir brauchen internationalen Handel und Austausch.“

Der VAA setzt sich für mehr Offenheit statt Abschottung sowie für Investitionen und eine kluge Industriepolitik ein. Schwab weiter: „Angesichts der demografischen Entwicklung benötigen wir auch mehr qualifizierte Zuwanderung.“ Viele VAA-Mitglieder seien in den letzten Tagen und Wochen auf die Straße gegangen, um den Wahnfantasien der Deportation von Menschen anderer ethnischer Herkunft und Nationalität Einhalt zu gebieten. „Wir werden auch in Zukunft entschieden Position gegen sämtliche Bestrebungen beziehen, die den Kern unseres friedlichen, demokratischen und vielfältigen Zusammenlebens bedrohen.“

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Interessenvertretung
news-477 Fri, 19 Jan 2024 06:00:00 +0100 BAG: Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen nach Feierabend https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=477&cHash=b49847826f3dc578a3b239b7baac8f9f Ist Beschäftigten auf Grundlage betrieblicher Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den folgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, sind sie laut BAG verpflichtet, eine dazu per SMS mitgeteilte Weisung auch in ihrer Freizeit zur Kenntnis zu nehmen. Ein als Rettungssanitäter beschäftigter Arbeitnehmer war für seinen Arbeitgeber im Rahmen eines Schichtmodells tätig gewesen, das unter anderem die Verpflichtung vorsah, kurzfristige Konkretisierungen hinsichtlich Einsatzort und Uhrzeit zu befolgen. Ein solch unkonkreter Springerdienst war im Dienstplan des Arbeitnehmers für den 8. April 2021 vorgesehen. Am 7. April um 13:20 Uhr teilte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Folgetag in der Tagschicht mit Arbeitsbeginn 06:00 Uhr ein und versuchte vergeblich, den Arbeitnehmer telefonisch hierüber zu informieren. Um 13:27 Uhr übersandte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine SMS mit der Information über den zugeteilten Dienst. Laut betrieblicher Regelung wäre dies noch bis 20:00 Uhr möglich gewesen. Der Arbeitnehmer zeigte am nächsten Tag um 07:30 Uhr telefonisch seine Arbeitsbereitschaft an, der Arbeitgeber hatte jedoch zwischenzeitlich einen Mitarbeiter aus der Rufbereitschaft herangezogen und setzte den Arbeitnehmer an diesem Tag nicht mehr ein. Außerdem erteilte dem Arbeitnehmer eine Ermahnung, bewertete den Tag als unentschuldigtes Fehlen und zog elf Stunden vom Arbeitszeitkonto ab. 

In einem vergleichbaren Fall einige Monate später trat der Arbeitnehmer seinen Dienst rund zwei Stunden später an als am Vortag per SMS und E-Mail zugewiesen. Der Arbeitgeber zog die entsprechenden Stunden erneut vom Arbeitszeitkonto ab und sprach eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens aus. Der Arbeitnehmer klagte dagegen vor dem Arbeitsgericht mit der Begründung, er sei nicht verpflichtet, sich während seiner Freizeit über die Dienstzuteilung zu informieren. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer jedoch Recht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der Arbeitnehmer seiner Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis, die Zuteilung des Dienstes zur Kenntnis zu nehmen, auch außerhalb seiner eigentlichen Dienstzeit nachkommen müsse. Das ergebe sich aus § 241 Absatz 2 BGB, wonach jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet ist (Urteil vom 23. August 2023, Aktenzeichen: 5 AZR 349/22). Dafür habe der Arbeitnehmer – anders als von ihm behauptet – nicht ununterbrochen für den Arbeitgeber erreichbar sein müssen. Es sei ihm überlassen gewesen, wann und wo er Kenntnis von der SMS nehmen wollte, mit der ihn der Arbeitgeber über die Konkretisierung seines Springerdienstes informiert hat. Der eigentliche Moment der Kenntnisnahme der SMS sei zeitlich derart geringfügig, dass auch dadurch nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Nutzung der freien Zeit ausgegangen werden könne, so das BAG. Folglich sei der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung entsprechend der vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit und Ort erfolgten Konkretisierung anzubieten. Da er das nicht getan hatte, durfte der Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto entsprechend kürzen und eine Abmahnung aussprechen. 

VAA-Praxistipp

Mit seinem Urteil hat das BAG klargestellt, dass es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit gibt. Vielmehr kann eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen in der Freizeit bestehen, wenn die betrieblichen Regelungen das so vorsehen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Januarausgabe 2024 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-478 Mon, 15 Jan 2024 07:00:00 +0100 BAVC und VAA verlängern Öffnungsklausel erneut https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=478&cHash=b29ff97d0148023be4c256353343b632 Mitte Dezember 2023 haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der VAA ihre bestehende Öffnungsklausel nochmals verlängert. Gründe dafür sind Russlands andauernder Krieg gegen die Ukraine und die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die Unternehmen der Chemieindustrie. Aufgrund der Coronapandemie hatten sich BAVC und VAA im März 2020 auf eine Öffnungsklausel zu § 5 des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie über einheitliche betriebliche Regelungen der Kurzarbeit verständigt und diese mehrfach verlängert – zuletzt Mitte August 2023. Ausschlaggebend dafür waren der von Russland geführte Angriffskrieg in der Ukraine und die Krise der Chemieindustrie. „Auch 2024 dauert der Krieg weiter an“, betont VAA-Geschäftsführer Stephan Gilow. „Leider bestehen die teils enormen wirtschaftlichen Risiken für sehr viele Chemieunternehmen in Deutschland unverändert fort.“ Deshalb sei die Klausel Mitte Dezember 2023 erneut verlängert worden.

In der mit Wirkung zum 1. Januar 2024 geltenden Öffnungsklausel für das erste Halbjahr 2024 heißt es: „Macht die konjunkturelle Entwicklung infolge von Auftragsrückgängen und Ertragseinbrüchen größere Produktionseinschränkungen erforderlich, kann zur Erreichung einer unternehmens- oder betriebseinheitlichen Regelung der Kurzarbeit von den Vorschriften des § 5 abgewichen werden.“ Die kollektive Regelung ist bis zum 30. Juni 2024 befristet.

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Interessenvertretung Tarifpolitik
news-476 Thu, 28 Dec 2023 07:00:00 +0100 Teilzeitbeschäftigte dürfen bei Überstundenzuschlägen nicht benachteiligt werden https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=476&cHash=c6e8f877d9e55d71285f9016774ebe37 Knüpfen Regelungen die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Teilzeitbeschäftigte und vergleichbare Vollzeitbeschäftigte einheitlich daran, dass dieselbe Anzahl von Arbeitsstunden überschritten wird, stellt dies laut EuGH eine unzulässige Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten dar. Ein als Pilot in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer hatte dagegen geklagt, dass sein Arbeitgeber gemäß einschlägigem Tarifvertrag den Beschäftigten bei Überschreitung einer bestimmten Zahl von im Monat geleisteten Flugdienststunden eine „Mehrflugdienststundenvergütung“ gewährte und die dafür maßgebliche Stundengrenze einheitlich für Arbeitnehmer in Vollzeit und Teilzeit galt. Nach seiner Auffassung waren die tariflichen Bestimmungen unwirksam, weil sie Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund schlechter behandelten als Beschäftigte in Vollzeit. Die Stundengrenzen für die Zusatzzahlung hätten für Teilzeitbeschäftigte proportional abgesenkt werden müssen. Der Arbeitnehmer verlangte deshalb die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für Flugdienststunden, die er im Verhältnis zu seiner individuellen Arbeitszeit mehr geleistet hatte. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Das BAG legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob eine nationale Regelung, nach der ein Teilzeitbeschäftigter die gleiche Zahl Arbeitsstunden wie ein Vollzeitbeschäftigter leisten muss, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten, eine nach dem Unionsrecht verbotene Diskriminierung darstellt. 

Der EuGH entschied, dass die einheitliche Stundengrenze tatsächlich eine unzulässige Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten darstellt (Urteil vom 19. Oktober 2023, Aktenzeichen C-660/20). Die Regelung benachteilige Teilzeitkräfte, weil diese in Relation zu ihrer vertraglichen Sollarbeitszeit mehr Flugdienststunden leisten müssten, um die Mehrflugdienststundenvergütung als Lohnerhöhung pro Stunde zu bekommen. 

Ein ausreichender sachlicher Grund war aus Sicht des EuGH für diese Ungleichbehandlung nicht gegeben. Dafür kämen Faktoren wie etwa gesundheitliche Belastungen in Betracht, die jedoch anhand klarer und objektiver Kriterien durch den Arbeitgeber hätten dargelegt und bewiesen werden müssen. Der teilzeitbeschäftigte Pilot hat laut EuGH somit bereits dann Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag, wenn seine tatsächliche Arbeitszeit seine individuelle Soll-Arbeitszeit in entsprechendem Umfang überschreitet. 

VAA-Praxistipp

Das Urteil des EuGHs verdeutlicht einmal mehr, dass Arbeitgeber bei der Behandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen sehr genau darauf achten müssen, keine Gruppe ohne sachlichen Grund durch Regelungen zu benachteiligen. So kann etwa der Gesundheitsschutz ein sachlicher Grund sein, um Vollzeitbeschäftigte anders zu behandeln als Teilzeitbeschäftigte, weil hier andere Erwägungen im Hinblick auf eine übermäßige Arbeitsbelastung eine Rolle spielen können. Der EuGH hat in seinem Urteil jedoch die Verpflichtung des Arbeitgebers betont, die Eignung und Erforderlichkeit entsprechender Regelungen für das Ziel des Gesundheitsschutzes darzulegen, was im vorliegenden Fall offenkundig nicht gelungen ist.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Dezemberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-470 Wed, 13 Dec 2023 07:00:00 +0100 Arbeitszeiterfassung bleibt Dauerbrenner: Interview mit VAA-Jurist https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=470&cHash=ed080a5c99b061ca1459528edda40c53 Aufgrund verschiedener höchstrichterlicher Urteile ist die Pflicht der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten in den letzten Jahren immer wieder Thema in den Medien gewesen. In den Betrieben ist aber trotzdem bisher an der jahrelangen Praxis festgehalten worden. Stößt das „Paukenschlag-Urteil“ des Bundesarbeitsgerichts (BAG) etwa auf taube Ohren? Wo muss gehandelt werden? Auf diese und andere Fragen hat dem VAA Magazin Thomas Spilke vom Juristischen Service des VAA geantwortet. Dabei geht der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht auch auf die Rolle des Betriebsrats bei diesem Thema ein.

VAA Magazin: Warum soll die Arbeitszeit überhaupt erfasst werden?

Spilke: Gute Frage! Der Gesetzgeber hatte im Arbeitszeitgesetz nur vorgeschrieben, dass die Arbeitszeit vom Arbeitgeber nur erfasst werden muss, wenn die tägliche Arbeitszeit acht Stunden überschreitet. Und selbst dann haben sich die Behörden damit zufriedengegeben, wenn der Arbeitgeber „mehr als acht, aber weniger als zehn Stunden“ notiert hat, und eben nicht, ob genau acht Stunden 30 Minuten oder neun Stunden 15 Minuten gearbeitet wurden. Zweck des Gesetzes war aber schon immer „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung“.

Warum soll die bisherige Praxis nicht ausreichend sein?

Weil das Arbeitszeitgesetz zum Beispiel auch regelt, dass im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten höchstens acht Stunden pro Werktag, also 48 Stunden gearbeitet werden dürfen. Oder dass zwischen zwei Arbeitsschichten auch elf Stunden Ruhezeit liegen müssen. Wie soll der Arbeitgeber wissen, dass diese Pflichten eingehalten werden, wenn er nicht die genauen Arbeitszeiten erfasst? Das hat das Bundesarbeitsgericht indirekt schon am 6. Mai 2003 erkannt und dem Informationsbegehren des Betriebsrats zu einzelnen Arbeitszeiten von Beschäftigten in Vertrauensarbeitszeit stattgegeben. Das BAG urteilte, dass sich der Arbeitgeber über die Arbeitszeiten in Kenntnis setzen muss. Er kann sich also gerade nicht darauf berufen, dass er die einzelnen Arbeitszeiten bewusst nicht erfassen will.

Das ist 20 Jahre her! Warum hat das niemand zur Kenntnis genommen?

Vermutlich haben die Betriebsräte den Informationsanspruch, den ihnen das BAG hier zugesprochen hat, nicht so häufig genutzt, sodass dieses Urteil nicht weiter beachtet wurde. Erst der Europäische Gerichtshof hat dann 2019 den Dornröschenschlaf vermeintlich beendet. Der EuGH urteilte: „Die nationalen Gesetzgeber sind verpflichtet, die Arbeitgeber zur Einrichtung von Systemen zur Messung der täglichen Arbeitszeit zu verpflichten.“  

Das ist ja ziemlich eindeutig. Was hat der Gesetzgeber seitdem gemacht?

Im Endeffekt nichts. Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer nur mit einer genauen Erfassung der Arbeitszeiten gewährleistet werden kann. Wenn der Arbeitgeber nicht weiß, von wann bis wann die Beschäftigten gearbeitet haben, etwa wann sie Pause gemacht haben, kann er auch nicht wissen, ob Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten zwischen den einzelnen Schichten eingehalten wurden. Und im Übrigen auch nicht die Behörden, die die Einhaltung des Gesetzes überwachen sollen.

Warum brauchte es dann noch das viel zitierte „Paukenschlag-Urteil“ des BAG? 

Der Ansatz war ein völlig anderer. Es ging um die Frage, ob Betriebsräte die Arbeitszeiterfassung gegenüber dem Arbeitgeber erzwingen können. Das war bislang nicht möglich, weil das BAG stets geurteilt hatte, dass ein Betriebsrat bei Systemen, die Leistung oder Verhalten der Arbeitnehmer überwachen, keine erzwingbare Mitbestimmung in Bezug auf die erstmalige Errichtung der Überwachung haben sollte, weil es im Gesetz vonseiten des Betriebsrats nur um die Abwehr der Überwachung durch den Arbeitgeber ginge. Jetzt kam aber der Gesundheitsschutz ins Spiel. Die Arbeitszeiterfassung diente laut EuGH ja gerade den Interessen der Beschäftigten. Das BAG hat dem aber einen Riegel vorgeschoben, weil die Arbeitszeiterfassung schon gesetzlich vorgeschrieben war.

Moment mal. Das klang doch oben ganz anders: Im Arbeitszeitgesetz stand doch gerade nichts dergleichen.

Deswegen ja auch der „Paukenschlag“. In der Tat hatte niemand auf dem Schirm, dass sich die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz ableiten ließe, wie es das BAG dann gemacht hat. Und wenn es schon gesetzliche Pflicht ist, dann kann der Betriebsrat auch nur noch beim „Wie“ der Erfassung, aber nicht mehr beim „Ob“ mitbestimmen.

Was hat das BAG am 13. September 2022 genau geurteilt?

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Allerdings kann der Gesetzgeber Ausnahmen davon regeln. Und auch das BAG hat nicht vorgeschrieben, wie erfasst werden muss. Nach wie vor könnte also Vertrauensarbeitszeit für bestimmte Arbeitnehmergruppen geregelt werden oder zum Beispiel die Selbstaufzeichnung durch die Arbeitnehmer.

Wollte der Gesetzgeber jetzt nicht reagieren?

Angekündigt hatte er es. Es gab sogar schon einen Referentenentwurf. Jetzt sieht es aber so aus, dass zunächst einmal doch nichts kommt, denn eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung steht offenbar nicht mehr auf der Liste der gesetzgeberischen Vorhaben bis zum Ende der Legislaturperiode.

Die VAA-Mitglieder, die in Vertrauensarbeitszeit tätig sind, dürfte die Entwicklung doch freuen: Die Flexibilität bleibt erhalten – es muss nicht umfangreich aufgeschrieben werden, wann gearbeitet wurde.

Ja, das ist eine Sicht der Dinge. Es gibt Erhebungen, dass Arbeitnehmer in Vertrauensarbeitszeit drei Stunden pro Woche mehr arbeiten als ihre Kollegen mit Arbeitszeiterfassung. Der VAA hat 2019 eine Umfrage zur Arbeitszeiterfassung durchgeführt. Da war für die Hälfte das Wunschmodell Vertrauensarbeitszeit. Und die Arbeitnehmer in der Erfassung fanden dieses Modell auch ganz gut, weil die Arbeitsbelastung so dokumentiert wurde.

Es kommt auf die persönliche Situation an: Wird Vertrauensarbeitszeit im Unternehmen mit Betonung auf Vertrauen der Vorgesetzten gelebt, ist das prima. Bei Misstrauen wünscht man sich gern die Erfassung, um die eigene Leistung auch diesbezüglich dokumentieren zu können.

Gibt es nicht auch Gefahren bei der Arbeitszeiterfassung? Immerhin kann man selbst ja auch viel intensiver kontrolliert werden.

Das ist vollkommen richtig. Gerade in letzter Zeit sind mir viele Urteile aufgefallen, in denen Beschäftigte wegen Arbeitszeitbetruges gekündigt wurden. Da reicht schon der objektiv begründete Verdacht, dass etwas nicht stimmt. So war ein Arbeitnehmer vom Vorgesetzten mehrfach morgens nicht im Büro auffindbar, obwohl er sich – digital – eingebucht hatte und auch die Berechtigung zum Homeoffice an diesen Tagen nicht hatte. Die Kündigung ging durch.

Reichen da etwa wirklich schon kleinste Verstöße?

Ja, die Gerichte urteilen, dass auch ein kleiner Verstoß ein strafrechtlich relevanter Betrug ist, da der Arbeitnehmer Geld für eine Leistung bekommt, die er nicht erbracht hat. Selbst der Datenschutz hilft nicht. Das BAG hat kürzlich Videoaufnahmen zur Beweisführung genehmigt, die datenschutzrechtlich längst hätten gelöscht sein müssen. Letztlich ist in allen diesen Fällen das Vertrauen erschüttert, dass ein Arbeitsverhältnis in Zukunft störungsfrei ablaufen wird.

Die Gerichte berücksichtigen dabei auch, dass es für die Arbeitgeber unheimlich schwer ist, die Arbeitszeit zu kontrollieren. Der Vorgesetzte hat im oben genannten Fall wochenlang dokumentiert, dass er teilweise im Zehnminutentakt den Arbeitsplatz des Betroffenen aufgesucht hat und dass er ihn trotzdem nicht gefunden hat, obwohl der Arbeitnehmer eingebucht war … Die Arbeitszeiterfassung ist für die Arbeitnehmer so gesehen auch recht gefährlich.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Dezemberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

 

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Urteile und Recht
news-475 Fri, 08 Dec 2023 13:00:00 +0100 Lyondellbasell gewinnt erstmals den Deutschen Chemie-Preis https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=475&cHash=7c414e0113c406a1139cbebd0e13bc69 2023 ist die Lyondellbasell Industries Basell Polyolefine GmbH zum ersten Mal mit dem Deutschen Chemie-Preis des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie (VAA) ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand auf dem Werksgelände in Wesseling statt. Aus Sicht der Jury des VAA sei es in diesem Jahr eine einfache Entscheidung gewesen, erklärt die 1. Vorsitzende des VAA Dr. Birgit Schwab. „Die diesjährige VAA-Befindlichkeitsumfrage bestätigte den erfolgreichen Aufstieg der Lyondellbasell seit 2013. Belegte das Unternehmen vor zehn Jahren noch den letzten Platz, so verzeichnete es seither einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Insbesondere seit 2021 wurde die Aufwärtsbewegung immer dynamischer.“ Schwab verwies auf die nachweisbar gute Stimmung gerade unter den jungen Beschäftigten des Unternehmens. Es zeige vorbildhaft, wie gute Personalarbeit funktioniere: „Das wird von den Fach- und Führungskräften honoriert.“

Als besonders bemerkenswert bezeichnete Birgit Schwab das hervorragende Abschneiden des Unternehmens im Zusatzranking „Sustainable Leadership“: „Lyondellbasell befasst sich strategisch diesem Thema, es legt den Fokus auf den schonenden Einsatz von materiellen Ressourcen und engagiert sich zeitlich und finanziell auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit.“

Die Verleihung des Deutschen Chemie-Preises fand auf dem Werksgelände des Unternehmens statt. Vonseiten des letzten Preisträgers Schott gratulierte der Vorsitzende des Vorstandes Dr. Frank Heinricht: „Lyondellbasell ist seiner Verantwortung und den vielfältigen Herausforderungen im vergangenen Jahr in beeindruckender Weise gerecht geworden. Gerade in diesen unruhigen Zeiten kann man die Erfolge bei der Personalarbeit und das Engagement in der Nachhaltigkeit nicht hoch genug einschätzen.“

In seiner Dankesrede betonte der Standortleiter Wesseling/Knapsack bei Lyondellbasell Tassilo Bader: „Wir warten nicht auf die Zukunft – wir setzen alles daran, sie zu gestalten. Die enormen Investitionen in innovative Technologien, Kreislaufwirtschaft und CO2-Reduktion sowie in die Aufstockung unseres Personals, zeigen, dass die Transformation von Lyondellbasell in vollem Gange ist. Wir sind alle hochmotiviert, den erforderlichen Wandel mit dem hohen Tempo, das wir auch und gerade in den derzeit schwierigen Zeiten zeigen, sehr aktiv mitzugestalten. Auf die Vielzahl der positiven Entwicklungen bei Lyondellbasell und an unserem Standort sind wir sehr stolz.“

Den Chemie-Preis verleiht der VAA bereits seit 2008. Grundlage für die Entscheidung ist die VAA-Befindlichkeitsumfrage, die jährlich unter 7.000 Fach- und Führungskräften in den größten 23 Chemie- und Pharmaunternehmen in Deutschland durchgeführt wird. Das Werk im Kölner Süden ist ein bedeutender Teil der Lyondellbasell-Firmengruppe, die im Januar 2008 durch die Fusion der niederländischen Basell-Gruppe mit dem amerikanischen Unternehmen Lyondell entstand und heute der drittgrößte Chemiekonzern der Welt ist. Mit seinen 19.200 Beschäftigten produziert Lyondellbasell weltweit wichtige Materialien, Produkte und Lösungen für moderne Herausforderungen. Sie werden verwendet für Sonnenkollektoren, Windturbinen, Kinderspielzeug oder Kosmetika. Andere Anwendungsbeispiele sind Verpackungen für den Transport und Schutz von Lebensmitteln, die Wasserversorgung in Kommunen, die durch widerstandsfähige Rohre gesichert ist, und zahlreiche medizinische Produkte, die Hygiene und Gesundheit gewährleisten. Am Standort Wesseling und Hürth-Knapsack sind rund 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, darunter rund 150 Auszubildende.

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Pressemitteilungen
news-474 Sat, 02 Dec 2023 07:00:00 +0100 Zukunft wird zirkulär: VAA Magazin beleuchtet chemisches Recycling von Dämmstoffen https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=474&cHash=1dccbfb39d1d60c2a3ecb3d7acc4f057 Für das Gelingen der Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften kommt es auch auf das chemische Recycling von Kunststoffen an. Hier ist jedoch Aufklärung nötig, um gesellschaftliche Akzeptanz für die Technologie zu erreichen. Damit beschäftigt sich das VAA Magazin in einem Spezial. Pünktlich am 1. Dezember 2023 ist die letzte Ausgabe des VAA Magazins in diesem Jahr als Webmagazin veröffentlicht worden – rund eine Woche vor Erscheinen der gedruckten Ausgabe. Was gibt es diesmal zu lesen? Das Spezial beschäftigt sich mit einem großen, branchenübergreifenden Projekt zum chemischen Recycling von Dämmstoffen aus Polyurethan (PU). Mithilfe chemischer Recyclingtechnologien werden alte PU-Hartschäume aus Kühlschränken und Baumaterialien bis auf die einzelnen Moleküle und Zwischenprodukte heruntergebrochen, um fossile Rohstoffe zu ersetzen und eine zirkuläre Wirtschaft aufzubauen.

In der Rubrik VAA gibt es einen umfangreichen Fotobericht zur Jahreskonferenz, die Anfang November in Mannheim stattgefunden hat. Im Rahmen der Konferenz wurde erneut der Exzellenzpreis der VAA Stiftung verliehen. Außerdem wird über die Herbsttagung der Aufsichtsräte berichtet.

Ein echtes Highlight war dieses Jahr die Veranstaltung des Netzwerks VAA connect bei Schott in Mainz. Dort wurden Ende November sowohl von den Referentinnen als auch von den rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Menge neuer Impulse gesetzt, um Frauen auch in bewegten Zeiten besser in Führung zu bringen.

In den ULA Nachrichten beschäftigt sich der Deutsche Führungskräfteverband ULA – der politische Dachverband des VAA – mit Künstlicher Intelligenz (KI). Dazu hat die ULA-Arbeitsgruppe Führung kürzlich KI-Guidelines für Führungskräfte herausgearbeitet.

In der Rubrik Recht setzt sich VAA-Jurist Thomas Spilke mit der Erfassung der Arbeitszeit auseinander. In den letzten Jahren ist das Thema immer wieder in den Medien gewesen, doch die Unternehmen haben bisher wenig an ihrer jahrelangen Praxis verändert. Besteht nach dem jüngsten „Paukenschlag-Urteil“ des Bundesarbeitsgerichts nun Handlungsbedarf? Auf diese und andere Fragen antwortet der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus dem Berliner VAA-Büro, der dabei auch auf die Rolle des Betriebsrats bei der Arbeitszeiterfassung eingeht. Stichwort Mitbestimmung: Darf der Betriebsrat eigentlich bei der Rückkehr von Beschäftigten aus dem Homeoffice mitbestimmen? Darum geht es in der Urteilsbesprechung.

Mit seiner Satirischen Kolumne Lehmanns Destillat hat Erik Lehmann seit vielen Jahren einen festen Platz im VAA Magazin. In der neuen Ausgabe zeigt sich der Dresdner Kabarettist stellenweise ungewohnt ernst und fragt sich, wo in der Gesellschaft die sogenannte Mitte zu finden ist.

Selbstverständlich wird auch diese Ausgabe durch weitere Meldungen und Artikel aus Branche, Verband, Wissenschaft, Recht und Service abgerundet.

Neben dem Webmagazin gibt es das VAA Magazin nach wie vor im PDF-Format – sowohl als interaktives, blätterbares E-Paper als auch als klassisches PDF. Einfach anklicken und anlesen – die Redaktion wünscht viel Spaß bei der Lektüre!

Übrigens: Wer Feedback geben möchte, gern kritisch und offen, kann dies unter redaktion@vaa.de tun. Über Leserbriefe und Anregungen freut sich die VAA-Redaktion immer.

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Der Verband Pressemitteilungen Publikationen
news-473 Wed, 29 Nov 2023 10:12:35 +0100 Kündigung nach Palettenverbrennung bei Osterfeuer unwirksam https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=473&cHash=5223a9ac82dec46bcfc5ce1b7fa974da Die fristlose Kündigung eines Produktionsleiters, der drei Euro-Paletten aus dem Betrieb seines Arbeitgebers für ein Osterfeuer auf einem Sportplatz verbringen und verbrennen ließ, ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden. Für eine fristlose Kündigung sei der Wert der Paletten zu gering, so die Kölner Arbeitsrichter. Zudem zeige die Tat zu wenig kriminelle Energie und sei nicht heimlich genug begangen worden.

Im konkreten Fall hatte ein als Betriebsleiter tätiger Arbeitnehmer den Abtransport von drei Holzpaletten aus dem Betrieb seines Arbeitgebers veranlasst, um diese später auf dem Sportplatz eines örtlichen Fußballvereins für das dort veranstaltete Osterfeuer als Brennholz verwenden zu lassen. Daraufhin wurde der Arbeitnehmer im Rahmen eines Personalgesprächs zum Vorwurf des Diebstahls angehört. Dabei äußerte der Betriebsleiter, es habe sich bei den drei Paletten um wertlosen Schrott gehandelt, der zum Verbrennen bestimmt gewesen sei.

Das Unternehmen hörte in der Folge aufgrund des Vorgangs den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an, die hilfsweise als ordentliche auszusprechen sei. Der Betriebsrat teilte diesbezüglich Bedenken mit und widersprach der Kündigung. Er war der Ansicht, es sei im Betrieb seit jeher üblich, dass Einwegpaletten und beschädigte Paletten als Brennholz mit nach Hause genommen werden dürften. Dies sei auch vom ehemaligen Geschäftsführer so gehandhabt und bestätigt worden. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis dennoch fristlos und hilfsweise fristgerecht. Dagegen wandte sich der Arbeitnehmer erfolgreich mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht. 

Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln gab dem Arbeitnehmer Recht (Urteil vom 6. Juli 2023, Aktenzeichen: 6 Sa 94/23). Zwar stelle es eine Verletzung der Interessen des Arbeitgebers dar, in seinem Gewahrsam stehende Gegenstände ohne ausdrückliches Einverständnis vom Betriebsgelände zu schaffen und im Osterfeuer auf dem Sportplatz vernichten zu lassen, und eine solche Pflichtverletzung könne „an sich“ auch ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Die Abwägung der Interessen falle aber in diesem Fall zugunsten des Arbeitnehmers aus.

Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass es sich um die erste Pflichtverletzung dieser Art durch den Arbeitnehmer gehandelt habe und sich der Schaden auf unter 50 Euro belaufe. Es gehe nicht um die Mitnahme von Produkten, Geld, Wertgegenständen oder werthaltigen Produktionsmitteln des Arbeitgebers, sondern um die Mitnahme von Transporthilfsmitteln, die üblicherweise in einem Pfandsystem zirkulieren, bis sie so beschädigt sind, dass sie entsorgt werden müssen. Zudem habe der Betriebsleiter die Paletten nicht heimlich, sondern am helllichten Tag vor Zeugen durch seine Frau mit dem Auto abtransportieren lassen. Im Ergebnis reduziert sich der Sachverhalt aus Sicht des LAGs darauf, dass ein Arbeitgeber einen verdienten langjährigen Beschäftigten ohne vorherige Abmahnung fristlos aus dem Arbeitsverhältnis entfernt wissen will, weil er Verpackungen bei einem Osterfeuer verbrannt hat. Diesem Fehlverhalten hätte aus Sicht der Richter mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Für eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung sei der Wert der Paletten zu gering, zudem zeige die Tat zu wenig kriminelle Energie und sei nicht heimlich genug begangen worden. Somit sei die Kündigung unwirksam. 

VAA-Praxistipp

Das LAG Köln hat in seinem Urteil klar betont, dass die unerlaubte Mitnahme von Gegenständen aus dem Betrieb des Arbeitgebers und insbesondere deren anschließende Vernichtung durchaus einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann. Ob eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung aufgrund einer solchen Pflichtverletzung verhältnismäßig und somit wirksam ist, muss allerdings anhand einer Interessenabwägung festgestellt werden.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Novemberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-472 Wed, 15 Nov 2023 11:13:11 +0100 VAA setzt Zeichen an Politik: Es reicht nicht! https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=472&cHash=e714f8708610e04e6b51f149983d051f Am 10. und 11. November 2023 hat die Jahreskonferenz des VAA in Mannheim stattgefunden. Nur einen Tag zuvor hatte sich die Bundesregierung auf ein Strompreispaket geeinigt. Dazu haben die Mitglieder der VAA-Communitys in den Chemie- und Pharmaunternehmen ein klares Zeichen gesetzt. „Es reicht nicht!“, bringt VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow die wichtigste Botschaft der VAA-Jahreskonferenz auf den Punkt. „Die Pläne der Ampel zur Senkung der Stromsteuer sind kein echter Brückenstrompreis für energieintensive Industrien. Denn der Status quo bleibt unverändert.“ Doch ohne einen Transformationsstrompreis könne in Deutschland keine Transformation stattfinden, erklärt Gilow. „Und ohne die Transformation wird die Beschäftigung massiv leiden, weil sehr viele Arbeitsplätze mittel- und langfristig in Gefahr sind.“

Hohe Strompreise am Standort Deutschland stellen insbesondere die Chemieunternehmen vor große Herausforderungen. Auf der Jahreskonferenz seien sich die Fach- und Führungskräfte aus der Branche einig gewesen, betont Stephan Gilow. „Die Preise sorgen für enorme Nachteile im internationalen Standortwettbewerb und verhindern gleichzeitig dringend benötigte Investitionen in treibhausgasneutrale Technologien.“ Deswegen werde sich der VAA gemeinsam mit seinen Sozial- und Branchenpartnern wie dem Verband der Chemischen Industrie, der Industriegewerkschaft IG BCE und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) auch weiter mit aller Kraft für die Sicherung der Zukunft des Chemiestandorts Deutschland einsetzen.

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Der Verband Interessenvertretung
news-471 Fri, 10 Nov 2023 21:00:00 +0100 VAA Stiftung verbindet Wissenschaft und Industrie: Exzellenzpreisträger 2023 ausgezeichnet https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=471&cHash=da294fcdbe10a25af54f1601f1ce9c8d Über die VAA Stiftung fördert der VAA wissenschaftliche Forschung in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen. Auf der VAA-Jahreskonferenz Anfang November 2023 in Mannheim sind Dr. Jannik Burre, Dr. Niklas Hauptstein und Dr. David Zanders zu den neuen VAA-Exzellenzpreisträgern gekürt worden. Mit dem Exzellenzpreis zeichnet die VAA Stiftung jedes Jahr junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für hervorragende Forschungsarbeiten im Bereich Chemie, Pharmazie und Verfahrenstechnik aus. „Wir brauchen neue Perspektiven für die Transformation zur Nachhaltigkeit“, so der Vorsitzende des Kuratoriums der VAA Stiftung Dr. Thomas Fischer. „Als Industrie gelingt uns das, wenn wir gemeinsam mit jungen Wissenschaftlern innovative und realistische Lösungsvorschläge entwickeln.“ Der Exzellenzpreis der VAA Stiftung erlaube einen Blick in die Zukunft, betont der VAA-Ehrenvorsitzende. „Unsere Preisträger zeigen auf, wie unsere gemeinsamen Anstrengungen dazu beitragen, die Welt positiv zu gestalten.

Am 10. November 2023 hat es drei Preisträger gegeben: Dr. Jannik Burre ist für seine Promotion bei Prof. Alexander Mitsos an der RWTH Aachen zum Thema „Optimal Design of Power-to-X-Processes“ ausgezeichnet worden. Dr. Niklas Hauptstein hat an der Universität Würzburg bei Prof. Lorenz Leinel zum Thema „Site directed molecular design and performances of Interferon-α2a and Interleukin-4 bioconjugates with PEG alternative polymers“ promoviert. Für seine Promotion bei Prof. Anjana Devi und Prof. Seán T. Barry an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema „Cobalt and Ruthenium Complexes for Vapor Phase Deposition Processes of Metallic Thin Films: Precursor Design, Surface Reaction Chemistry and Thin Film Applications“ hat Dr. David Zanders ebenfalls den mit jeweils 5.000 Euro dotierten Exzellenzpreis 2023 erhalten.

Die Jury besteht aus den Mitgliedern des Stiftungskuratoriums: Prof. Sabine Beuermann, Professorin für Technische Chemie an der TU Clausthal, Prof. Stefan Buchholz, Leiter der strategischen Forschungs- und Entwicklungseinheit Creavis Technologies & Innovation bei Evonik und Honorarprofessor an der Uni Stuttgart, Prof. Ralf Dohrn, leitender Angestellter bei der Bayer Technology Services GmbH und Honorarprofessor an der TU Hamburg, Dr. Thomas Fischer, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums und Ehrenvorsitzender des VAA, Prof. Andreas Jupke, Leiter des Lehrstuhls für Fluidverfahrenstechnik an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen, Prof. Wolfram Koch, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutscher Chemiker, sowie Prof. Thomas Martin, leitender Angestellter bei der Dottikon ES AG und Honorarprofessor an der Uni Konstanz.

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Pressemitteilungen Studium
news-469 Thu, 26 Oct 2023 13:10:24 +0200 Homeoffice: Mitbestimmungspflicht bei Regelung zur Rückkehr ins Büro https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=469&cHash=6305c6ddeb7a414d95c09b5dba1ba5f0 Wenn Arbeitnehmer laut Betriebsvereinbarung in Abstimmung mit ihren Vorgesetzten individuelle Absprachen über mobiles Arbeiten treffen können, ohne das „Wie“ zu regeln, ist eine allgemeine Weisung des Arbeitgebers, wonach eine Anwesenheit an vier Tagen pro Monat geboten ist, mitbestimmungspflichtig. Dies hat das Landesarbeitsgericht München entschieden. Konkret hatte ein Arbeitgeber mit dem Betriebsrat des Unternehmens im Jahr 2016 in eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die unter anderem die Möglichkeit individueller Vereinbarungen über mobiles Arbeiten in Abstimmung mit dem Vorgesetzten vorsah. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte laut Betriebsvereinbarung jedoch am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden. Während der Coronapandemie räumte das Unternehmen den Beschäftigten dann zunächst die Möglichkeit ein, nach Abstimmung mit der Führungskraft auch mobil zu arbeiten. Im weiteren Verlauf der Pandemie wurde den Mitarbeitern vom Arbeitgeber empfohlen, von zu Hause zu arbeiten. Ab März 2022 galt dann eine Regelung, wonach bis zu 50 Prozent der Mitarbeiter eines Bereichs „auf Grundlage des Freiwilligkeitsprinzips“ die Möglichkeit angeboten wurde, zeitgleich im Büro zu arbeiten. Im Wortlaut hieß es in der Regelung: „Jede/r Kolleg:in entscheidet dabei weiterhin frei, ob er/sie im Büro arbeitet.“

Nach dem Ende der Coronapandemie und dem Auslaufen zwischenzeitlich aufgrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine getroffener Energiesparmaßnamen teilte der Arbeitgeber den Mitarbeitern am 28. März 2023 per Videokonferenz mit, dass die bisherige Regelung zum 31. März 2023 auslaufen werde und veröffentlicht eine Intranet-Mitteilung, mit der vier Präsenztage pro Monat auf Basis eines Katalogs mit Präsenzgründen sowie weitere Präsenz bei bestimmten betrieblichen Gründen angeordnet wurden. Der Betriebsrat sah dadurch seine Mitbestimmungsrechte verletzt und stellte im Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht erfolglos den Antrag, das Unternehmen zur Rücknahme seiner Anordnung zu verpflichten. 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) München gab dagegen dem Antrag des Betriebsrats hingegen statt (Urteil vom 10. August 2023, Aktenzeichen: 8 TaBVGa 6/23). Das LAG verdeutlichte, dass nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern nur das „Wie“ der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt und zum „Ob“ auch die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit zähle.

Die durch den Arbeitgeber kommunizierte Regelung beschränke sich aber nicht auf eine Einschränkung des Zeitkontingents für das mobile Arbeiten oder die Konkretisierung der geltenden Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016. Vielmehr ziele das Unternehmen damit auf eine Umgestaltung der Rechtslage hinsichtlich des „Wie“ der mobilen Arbeit im Betrieb ab. Die Anordnung des Unternehmens sei somit mitbestimmungspflichtig und müsse zurückgenommen werden, bis mit dem Betriebsrat eine Einigung erzielt worden sei.

VAA-Praxistipp

Das Urteil des LAG München verdeutlicht, dass Arbeitgeber in Unternehmen mit betrieblicher Mitbestimmung die in vielen Fällen eingeführten Homeoffice-Regelungen nicht einseitig abändern können. Soweit nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der Homeoffice-Regelung betroffen ist, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Oktoberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-465 Wed, 18 Oct 2023 07:00:00 +0200 Verfallener Urlaub trotz unterbliebener Belehrung? https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=465&cHash=5734c26606a36d9bcdf3ee8a86c65760 Sind Beschäftigte langfristig erkrankt, muss ihr Arbeitgeber die durchgängige Arbeitsunfähigkeit beweisen. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Für betroffene Arbeitnehmer können aber unter bestimmten Umständen auch Darlegungslasten bestehen. Wenn sich ein Arbeitgeber darauf beruft, dass Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers trotz Versäumung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungspflicht bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs erloschen sind, weil der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war, trägt er dafür grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast.

Im konkreten Fall war ein Arbeitnehmer seit 1998 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seit Oktober 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig und erhielt mehrfach eine befristete Erwerbsminderungsrente bewilligt. Im Juni 2019 teilte die Deutsche Rentenversicherung dem Arbeitnehmer mit, dass die ihm gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Ende September 2026 als Dauerrente weitergewährt werde. Der Arbeitnehmer übersandte seinem Arbeitgeber den Rentenbescheid und wies auf die dadurch eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin. Zudem verlangte er die Abgeltung der ihm noch zustehenden Urlaubstage seit dem Jahr 2006. Da der Arbeitgeber nur zur Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 2018 und 2019 bereit war, klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht. Er vertrat die Auffassung, dass infolge der unterbliebenen Belehrung über das Bestehen und den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitgeber ein Verfall des Urlaubs nicht eingetreten sei. Vielmehr seien die Ansprüche seit 2006 jeweils in das Folgejahr übertragen worden und hätten sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Zahlungsansprüche verwandelt. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bis 2017 seien verfallen, weil die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubs gegenüber dem langzeiterkrankten Arbeitnehmer nicht bestanden hätten.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts (Urteil vom 12. Mai 2023, Aktenzeichen: 12 Sa 1250/22). Das LAG betonte unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet sei, den Arbeitnehmer über das Bestehen und den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen zu informieren – andernfalls blieben die Urlaubsansprüche bestehen. Dies gelte allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig beziehungsweise voll erwerbsgemindert war. In diesem Fall verfalle der Urlaubsanspruch weiterhin nach Ablauf der 15-Monatsfrist – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Denn hier seien nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal.

Auch eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2006 – also vor einer dauerhaften Erwerbsminderung – konnte der Arbeitnehmer laut LAG nicht verlangen. Grundsätzlich trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt oder erwerbsgemindert war und deshalb der Urlaubsanspruch trotz Versäumung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungspflicht erloschen ist. Jedoch besteht laut LAG für den Arbeitnehmer eine Darlegungslast, wenn der Arbeitgeber außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht und nur der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. Im vorliegenden Fall war strittig, ob der Arbeitnehmer zwischen der Erkrankung seit Jahresbeginn 2006 bis zum 29. Juli 2006 und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende September 2006 arbeitsunfähig erkrankt war oder nicht. Im Hinblick auf den lang währenden Krankengeldbezug und die anschließende Rentenbewilligung sowie die zeitliche Distanz zum Geschehen hätte der Arbeitnehmer aus Sicht des LAG darlegen müssen, aufgrund welcher besonderen Umstände in dem Intervall von zwei Monaten ab Ende Juli 2006 Arbeitsfähigkeit eingetreten sein soll und weshalb die Rentenversicherung dennoch für die Zeit ab Oktober 2006 eine volle Erwerbsminderung angenommen hat.

VAA-Praxistipp

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Dezember 2022 entschieden, dass der gesetzliche Anspruch von Beschäftigten auf bezahlten Jahresurlaub zwar der gesetzlichen Verjährung unterliegt, aber erst wenn eine Belehrung zu den Verfallfristen durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Das gilt laut BAG allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig beziehungsweise voll erwerbsgemindert war. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil nun entschieden, dass der Arbeitgeber dafür grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast trägt, für den Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen allerdings auch Darlegungslasten können bestehen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin Oktober 2023 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-468 Mon, 16 Oct 2023 16:00:00 +0200 Krise in der Chemie: Tarifvertrag bei Lanxess vereinbart https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=468&cHash=0b7449ed62650d9e13c311a65bd0bde0 Aufgrund der schwierigen Situation der energieintensiven Chemieunternehmen haben der VAA und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) einen Tarifvertrag für Lanxess abgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine einmalige Vereinbarung, die dem Erhalt der Arbeitsplätze dient. Dem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag zufolge, den die Tarifpartner für das Urlaubsjahr 2023 geschlossen haben, müssen die Urlaubstage bis zum 31. Dezember 2023 genommen werden und können nur in den gesetzlich geregelten Fällen wie Krankheit oder bei Vorliegen betrieblicher Gründe auf das Jahr 2024 übertragen werden. „Es geht hierbei um die Vermeidung von Rückstellungen“, erläutert VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow. „Diese könnten die Unternehmensbilanz weiterhin negativ beeinflussen.“

Der Tarifvertrag bei Lanxess gilt für außertarifliche und leitende Angestellte im Unternehmen. Gilow präzisiert: „Er umfasst alle Beschäftigten, die unter den Geltungsbereich des Akademiker-Manteltarifvertrags fallen.“ Ausdrücklich weist der VAA-Hauptgeschäftsführer auf den einmaligen Charakter der Vereinbarung hin: „Dies ist eine absolute Ausnahme für uns als Interessenvertretung der AT-Angestellten und leitenden Angestellten.“ Der VAA sei sich gerade jetzt, in dieser äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation und in Zeiten der anhaltenden Krise der chemischen Industrie seiner Verantwortung bewusst. „Wir tragen damit zum Erhalt von Chemie-Arbeitsplätzen in Deutschland bei.“ Nach dem Auslaufen des auf ein Jahr befristeten Tarifvertrags können außertarifliche und leitende Angestellte bei Lanxess ihren Urlaub gemäß § 9 Ziffer 4 Akademiker-Manteltarifvertrag wieder ohne besondere Gründe bis zum 31. März des Folgejahres nehmen.

„Dessen ungeachtet ist die Politik immer noch in der Bringschuld, die nötigen Rahmenbedingungen für einen Verbleib der energieintensiven Industrie in Deutschland zu schaffen“, betont Stephan Gilow. „Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Wir brauchen dringend einen Brückenstrompreis.“ Gemeinsam mit seinen Sozial- und Branchenpartnern betrachte der VAA die Erhebung eines solchen Brückenstrompreises als unabdingbare Voraussetzung, um die Transformationsphase der energieintensiven Chemieunternehmen zu gewährleisten und gleichzeitig in großem Maße Beschäftigung zu sichern.

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Interessenvertretung Tarifpolitik
news-463 Wed, 11 Oct 2023 10:56:00 +0200 Krise drückt Beschäftigung: Szenarien für die Trennung https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=463&cHash=4320d59a0b1ec6e56a827bc3e219d3be Auch in der Rechtsberatung spüren die Juristinnen und Juristen des VAA die Krise in der chemischen Industrie. So steigt die Zahl der mit Kündigungen und Aufhebungsverträgen verbundenen Fälle kontinuierlich weiter. Wie gestaltet sich ein typischer Fall eigentlich? Dazu ein Interview im VAA Magazin. VAA-Juristin Catharina Einbacher betont, dass jeder Fall natürlich anders sei. Es könne aus Fallbeispielen keine Regel abgeleitet werden, weil es immer auf die individuellen Umstände ankomme. Doch der Ablauf von Trennungsprozessen folge durchaus gewissen Mustern und könne daher nachgezeichnet werden.

VAA Magazin: Worauf bei einem Aufhebungsvertrag grundlegend zu achten ist, hat VAA-Juristin Ilga Möllenbrink in der Februarausgabe des VAA Magazins dieses Jahr bereits ausführlich erörtert. Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Punkt?

Einbacher: Besonders wichtig ist in jedem einzelnen Fall die Begleitung durch eine Juristin oder einen Juristen des VAA, und zwar von Anfang an. Denn häufig kündigt sich das Ende des Arbeitsverhältnisses schon an, ohne dass es den betroffenen Beschäftigten klar ist. Der Austausch mit dem Juristischen Service kann helfen, sich auf ein Ausstiegsszenario frühzeitig vorzubereiten.

Des Weiteren wird in unserer Beratungspraxis oftmals deutlich, dass die psychologische Komponente in Verhandlungen um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu unterschätzen ist. Hierbei eine kompetente rechtliche Unterstützung durch den VAA an der Seite zu wissen, ist für die Betroffenen eine erhebliche Erleichterung und hat einen unschätzbaren Wert. Unter anderem deshalb, weil die VAA-Juristen die Standards in den jeweiligen Unternehmen in vielen Fällen kennen und mit diesem Wissen für die VAA-Mitglieder das Maximum erreichen.

Können Sie ein paar konkrete Fallbeispiele nennen?

Natürlich. Nehmen wir das Fallbeispiel des Wechsels der Geschäftsführung und der nahenden Regelaltersrente. Ein Arbeitnehmer – Jahrgang 1957 – ist seit 1997 als Betriebsleiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Ende 2019 kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsführung des Unternehmens. Im September 2021 – zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze – wird der Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch eingeladen, bei dem es für ihn völlig überraschend um seinen nahenden Renteneintritt gehen wird.

Allerdings geht es nicht um ein Ausstiegsszenario. Im Gegenteil: Er soll dem Unternehmen über sein Renteneintrittsalter hinaus weiter als Berater zur Verfügung stehen. Um die Arbeitsbelastung zu reduzieren, soll ein Teil der Aufgaben im Homeoffice ermöglicht werden. Finanzielle Einbußen soll es nicht geben. Der Arbeitnehmer bittet darum, das Angebot schriftlich festzuhalten und ist umso mehr überrascht, als von dem Angebot zwei Wochen später keine Rede mehr ist, als er erneut zum Gespräch mit der Geschäftsführung persönlich geladen wird. Hier geht es nun nur noch um seine Bereitschaft, das Unternehmen bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze – mit anderen Worten: möglichst bald – zu verlassen. Eine Verschriftlichung der teils unseriösen arbeitgeberseitigen Angebote ist nicht vorgesehen.

Das ist ja schon eine ziemlich dreiste Strategie vonseiten des Unternehmens.

Ja, zumal vom Unternehmen auch bereits im März 2021 ein Chemiker eingestellt wurde, der die bisherigen Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers vollständig übernehmen soll und bereits als Betriebsleiter im Organigramm bezeichnet ist. Das erste Angebot des Unternehmens besteht in einer sechsmonatigen Freistellung. Ein wichtiges Detail: Der Arbeitnehmer hatte in seinem Arbeitsvertrag keine Befristung auf die Regelaltersgrenze. Diese versuchte der Personalleiter vom Arbeitnehmer noch schnell nachträglich unterzeichnen zu lassen, was dieser nach Rücksprache mit dem VAA selbstverständlich nicht tat.

Dem Arbeitnehmer ging es nicht darum, den Arbeitgeber finanziell bluten zu lassen, aber ein faires Angebot nach so vielen Jahren im Dienste des Unternehmens erwartete er selbstverständlich schon. Heraus kam daher ein Aufhebungsvertrag mit nahtlosem Übergang in die Regelaltersrente, eine Freistellung bis zum Beendigungsdatum sowie einer Abfindung in Höhe von 52.000 Euro.

Alles klar, man hat sich also verglichen. Überhaupt scheint deutlich zu werden, wie häufig solche Prozesse mit einem Vergleich abgeschlossen werden. Was gibt es noch für interessante Fallbeispiele aus Ihrer Beratungspraxis?

In der Tat ist es in sehr vielen Fällen so, dass sich durch einen Vergleich langwierige und potenziell belastende Prozesse für die Beschäftigten vermieden werden. Die Resultate können sich in den meisten Fällen auch absolut sehen lassen. So wie auch bei einem anderen Beispiel aus der Praxis: Hier haben wir einen Fall von längerer Krankheit. Es geht um einen Leiter Arbeitssicherheit, der in einem Kündigungsschutzverfahren auch einen Vergleich erzielt hat. Der Arbeitnehmer – Jahrgang 1977 – ist circa viereinhalb Jahren bei der Arbeitgeberin als Leiter Arbeitssicherheit beschäftigt und zur leitenden Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt. Das monatliche Bruttogehalt beträgt zuletzt 11.000 Euro plus Bonus in Höhe von etwa 40.000 Euro brutto. Im Mai 2021 erkrankt der Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit. Mit Schreiben im Oktober und November 2021 fordert die Arbeitnehmerin ihn auf, in einen Austausch über seine gesundheitliche Situation zu treten. Obwohl der Arbeitnehmer dieser Aufforderung im Rahmen seiner Möglichkeiten sogar nachkommt, kündigt der Arbeitgeber kurz vor Weihnachten 2021 das Arbeitsverhältnis.

Der VAA erhob für den Arbeitnehmer fristgerecht Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht. Im Kündigungsschutzverfahren einigten sich die Parteien dann im April 2022 auf einen Vergleich, der die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31.Dezember 2022 beinhaltete. Die Abfindungszahlung liegt hier in der langen Freistellungszeit und dem Hinausschieben des Beendigungsdatums verborgen. Darüber hinaus erhielt der Arbeitnehmer für 2020/21 sowie 2021/22 die ihm zustehenden Bonuszahlungen. Was darüber hinaus grundsätzlich alles noch in einen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehört, lässt sich noch einmal im Detail im Interview meiner Kollegin Ilga Möllenbrink in der Ausgabe des VAA Magazins vom Februar 2023 nachlesen.

Das stimmt. Wie sieht es eigentlich mit Freistellungen aus?

Ein gutes Beispiel. Da denke ich an eine überraschende Freistellung samt Angebot eines Aufhebungsvertrags und Lossagung vom Wettbewerbsverbot zurück. Ein Arbeitnehmer – Jahrgang 1967 – ist seit 2001 beim Arbeitgeber tätig, zuletzt in der Funktion Head of Product Development. Sein Jahresbruttogehalt liegt bei circa 255.000 Euro und setzt sich zusammen aus 190.000 Euro Fixgehalt und 65.000 Euro Bonus. Mit dem Arbeitnehmer ist ein Wettbewerbsverbot vereinbart.

Im Oktober 2022 wird ihm völlig überraschend mitgeteilt, dass man sich von ihm trennen möchte und er wird sofort freigestellt. An dem Wettbewerbsverbot will der Arbeitgeber festhalten. Das Unternehmen befindet sich in starkem Wandel, durch das neue Management wird eine Neuausrichtung angestrebt. Im November 2022 kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, da die Vorstellungen über eine Aufhebungsvertragslösung zu weit auseinander liegen.

Hat sich der Arbeitnehmer gewehrt?

Selbstverständlich. Der Arbeitnehmer, vertreten durch eine VAA-Juristin, legte rechtzeitig Klage ein, obwohl man sich bereits in Aufhebungsvertragsverhandlungen befindet. Niemals sollte dies versäumt werden, auch wenn die Verhandlungen zu dem Zeitpunkt aussichtsreich erscheinen. Denn nach Ablauf der Klagefrist gilt die Kündigung als wirksam und die Verhandlungsbasis für einen Aufhebungsvertrag ist dahin.

Im vorliegenden Fall einigten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach zähen Verhandlungen kurz vor Jahresende unter anderem auf das Ende des Arbeitsverhältnisses zum Dezember des darauffolgenden Jahres sowie eine Abfindungszahlung in Höhe von 480.000 Euro plus Zielprämienzahlungen sowie eine Outplacementberatung und eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit. Da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, stand dem Arbeitnehmer ein Lossagungsrecht vom Wettbewerbsverbot zu, das er rechtzeitig ausübte. Damit stand ihm der Arbeitsmarkt sofort und in alle Richtungen offen.     

Das klingt gut. Aber es wird auch hier deutlich, wie wichtig es ist, die eigenen Rechte genau zu kennen und auch verschiedene Fristen zu beachten.

Ganz genau. Deswegen schließe ich auch mit meinem Ratschlag aus der ersten Antwort: Sobald Beschäftigte auch nur einen leisen Verdacht oder ein komisches Bauchgefühl haben, was ihre Zukunft bei ihrem Unternehmen angeht, sollten sie sich vom Juristischen Service des VAA beraten lassen. Die Rechtsberatung kostet nichts und sorgt dafür, dass man rechtzeitig gewappnet ist, wenn es dann wirklich zu kriseln beginnt. Im besten Fall sind die Zweifel unbegründet – und die VAA-Mitglieder sehen ihre eigene Position nochmals gestärkt. Auch dies ist psychologisch nicht zu unterschätzen.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Oktoberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

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Urteile und Recht
news-467 Wed, 04 Oct 2023 07:00:00 +0200 BAG: Äußerung in privater Chatgruppe kann Kündigung rechtfertigen https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=467&cHash=7a4b6f35f08d65bb42c0e7c665cdd58e Wenn sich Beschäftigte in einer privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Teammitglieder äußern, kann das eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zufolge können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur in Ausnahmefällen auf die Vertraulichkeit eines Chats berufen. Im konkreten Fall gehörte ein Arbeitnehmer seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Kollegen an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren „langjährig befreundet“, zwei waren miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Arbeitnehmer – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem der Arbeitgeber davon Kenntnis erhielt, kündigte er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers außerordentlich fristlos, wogegen dieser Kündigungsschutzklage erhob. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden im Sinne des Arbeitnehmers. Zwar seien die Äußerungen des Arbeitnehmers geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Sie seien jedoch Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Chatteilnehmern und daher vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes geschützt. 

Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich anders entschieden als die Vorinstanzen (Urteil vom 24. August 2023, Aktenzeichen 2 AZR 17/23). Eine Vertraulichkeitserwartung sei nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das ist laut BAG abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige Gegenstand der Nachrichten, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das BAG verwies den Fall zurück an das LAG. Dort kann der Arbeitnehmer nun darlegen, so die obersten Arbeitsrichter, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer im Zeitverlauf geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung aus seiner Sicht haben konnte.

VAA-Praxistipp

Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass Äußerungen mit Bezug zum eigenen Arbeitsverhältnis auch im privaten Umfeld problematisch sein können. Andererseits können auch quasiöffentliche Aussagen eine grundrechtlich geschützte private Meinungsäußerung darstellen, wie ein anderes Urteil des LAGs Berlin-Brandenburg zeigt: Es erklärte die außerordentliche Kündigung eines Berufsschullehrers durch das Land Berlin für unwirksam, der in einem von ihm veröffentlichten YouTube-Video das staatliche Werben um Impfbereitschaft in der Coronapandemie mit dem System der Konzentrationslager im Nationalsozialismus verglichen hatte. Die Selbstdeutung des Lehrers, er habe mit dem Video lediglich scharfe Kritik an der Coronapolitik äußern wollen, könne nicht zwingend ausgeschlossen werden. Deshalb sei eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung nicht eindeutig festzustellen, so das LAG (Urteil vom 15. Juni 2023, Aktenzeichen 10 Sa 1143/22).

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter in der Septemberausgabe 2023 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-466 Thu, 28 Sep 2023 07:00:00 +0200 Wie Pilze Pflanzen überlisten: VAA Magazin bringt Spezial zum Pflanzenschutz https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=466&cHash=0e08cde04d96bdc7f755083d4b0bc2a5 Im Herbst haben vor allem Speisepilze Hochkonjunktur. Doch neben Steinpilz und Co. gibt es unzählige Schadpilze sowie Symbionten, die Schützenhilfe für Schädlinge leisten. Für den Schutz von Wald- und Nutzpflanzen ist dies oft eine Herausforderung. Darüber berichtet das VAA Magazin in einem Spezial. Am 29. September 2023 ist das neue VAA Magazin als Webmagazin veröffentlicht worden – wie immer eine Woche vor Erscheinen der gedruckten Ausgabe. Was gibt es darin zu lesen? Im Spezial dreht sich alles um das Zusammenspiel von Pilzen, Pflanzen und Schädlingen im Wald und in der Landwirtschaft. Unter anderem geht es um die Hilfe, die beispielsweise Borkenkäfer von symbiotischen Pilzen beim Befall von Fichtenwäldern erhalten, aber auch um das Wettrüsten zwischen Pflanzen und Pilzerregern sowie den Einsatz von Fungiziden.

In der Rubrik VAA gibt es einen Bericht zur Sprecherausschusskonferenz, die im September in Mainz stattgefunden hat. In einem weiteren Artikel werden zwei VAA-Mitglieder vorgestellt, die sich ehrenamtlich an Schulen engagieren. Zur Erinnerung: Auf der Delegiertentagung Anfang Juni dieses Jahres wurde ein Beschluss gefasst, MINT-Fächer in der Schule zu stärken. Das VAA Magazin zeigt auf, wie dies funktionieren kann. Den Abschluss bildet ein Aufruf an die FDP, in der Debatte um den Brückenstrompreis für energieintensive Industrien Vernunft zu zeigen und den stichhaltigen Argumenten der Sozial- und Branchenpartner in der Chemie konstruktiv zu begegnen.

In den ULA Nachrichten beschäftigt sich der Deutsche Führungskräfteverband ULA – der politische Dachverband des VAA – mit gemischter Führung. Dazu hat die ULA gemeinsam mit der Deutschen Telekom Mitte September in Bonn ihre Mixed-Leadership-Konferenz durchgeführt. Auch mit der geplanten Senkung der Einkommensgrenze für den Anspruch auf Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro beim zu versteuernden Einkommen für Paare beschäftigt sich die ULA in einem kritischen Beitrag. In der Serie „Pro und contra“ steigen die Bundestagsabgeordneten Dr. Lukas Köhler von der FDP und Dr. Ingrid Nestle von der Partei Bündnis 90/Die Grünen in die Diskussion um den Industriestrompreis ein und erläutern ihre Vorstellungen von einer geeigneten „Brücke“.

Nicht zuletzt wegen der hohen Strompreise als eine von vielen desaströsen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind viele Chemieunternehmen ins Trudeln geraten. Immer mehr Beschäftigte sind mit diversen Trennungsvorschlägen von ihren Arbeitgebern konfrontiert. Wie man bei Aufhebungsverträgen und Kündigungen vorgeht, erklärt VAA-Juristin Catharina Einbacher in der Rubrik Recht. In der traditionellen Urteilsbesprechung geht es um die Frage, wer die Beweislast bei einem Urlaubsverfall trägt, wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt ist: Sind es die Beschäftigten selbst oder die Arbeitgeber?

Mit seiner Satirischen Kolumne Lehmanns Destillat ist Erik Lehmann ein Stammgast im VAA Magazin. In der neuen Ausgabe zeigt sich der Dresdner Kabarettist erfreut über sein nützliches Allgemeinwissen, das sich prima bei einem Kaffeeplausch für zwischendurch oder unterwegs anbietet.

Selbstverständlich wird auch diese Ausgabe durch weitere Meldungen und Artikel aus Branche, Verband, Wissenschaft, Recht und Service abgerundet.

Neben dem Webmagazin gibt es das VAA Magazin nach wie vor im PDF-Format – sowohl als interaktives, blätterbares E-Paper als auch als klassisches PDF. Einfach anklicken und anlesen – die Redaktion wünscht viel Spaß bei der Lektüre!

Übrigens: Wer Feedback geben möchte, gern kritisch und offen, kann dies unter redaktion@vaa.de tun. Über Leserbriefe und Anregungen freut sich die VAA-Redaktion immer.

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Pressemitteilungen Publikationen
news-464 Thu, 07 Sep 2023 10:00:00 +0200 Digitales Zugangsrecht: BAVC und VAA schließen Sozialpartnervereinbarung https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=464&cHash=064dcd0c738017862f267267bd5c686e Um die Sozialpartnerschaft weiterhin zukunftsfähig zu halten und eine zeitgemäße digitale Kommunikation zwischen Gewerkschaften und Beschäftigten zu ermöglichen, haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der VAA eine Sozialpartnervereinbarung zum digitalen Zugangsrecht geschlossen. Ob MS Teams oder Webex: Neue digitale Kommunikationswege haben sich zum Standard in den Unternehmen entwickelt. Damit nehmen auch ortsflexible Arbeitsmodelle gerade für akademisch gebildete Beschäftigte zu. Dagegen befindet sich das Zugangsrecht der Gewerkschaften noch im analogen Zeitalter. „Wir kennen alle die Aushänge an den schwarzen Brettern in den Betrieben“, erklärt VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow. „Das Problem dabei ist: Immer weniger Beschäftigte sind vor Ort und schauen hin.“ Wer zunehmend digital arbeite, den erreichen längst nicht mehr alle Informationen. „Aber eine Sozialpartnerschaft kann nur dann gut funktionieren, wenn die gewerkschaftliche Kommunikation mit den Beschäftigten gewährleistet ist.“ Deswegen müssten etwa Tarifabschlüsse und betriebliche Vereinbarungen möglichst schnell und transparent zugänglich gemacht und erklärt werden. „Nur dann ist auch nachhaltig für Akzeptanz in der Belegschaft gesorgt, was im Übrigen auch Konflikte in den Unternehmen zu vermeiden hilft.“

In ihrer Sozialpartnervereinbarung vom 7. September 2023 sind sich die Sozialpartner einig über die grundsätzliche Umsetzbarkeit des digitalen Zugangsrechts bei Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte. Demnach können Betriebe dem VAA neben dem analogen auch ein digitales Zugangsrecht einräumen. Dabei sollen die jeweils betrieblich bestehenden Kommunikationswege genutzt werden. Die konkrete Ausgestaltung des digitalen Zugangs soll auf betrieblicher Ebene durch Unternehmen und betriebliche Funktionsträger des VAA abgestimmt werden. Die Sozialpartner unterstützen die Betriebsparteien bei Bedarf beratend. Ferner sollen digitale Zugangswege und Kommunikationskanäle im Betrieb in geeigneter Weise neben dem bekannten physischen Zugang für den VAA geöffnet werden.

„Sowohl der BAVC als auch wir, die gewerkschaftliche Vertretung der Fach- und Führungskräfte in den Chemie- und Pharmaunternehmen, sind uns sicher: Mit dieser Sozialpartnervereinbarung sind wir auf einem guten Weg, unsere Sozialpartnerschaft fit für die moderne Arbeitswelt mit zunehmend hybriden Arbeitsmodellen zu machen“, betont VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow.

 

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Interessenvertretung Tarifpolitik
news-462 Thu, 31 Aug 2023 06:00:00 +0200 Industriestrompreis: VAA fordert FDP zum Umdenken auf https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=462&cHash=59f8111ae8a62fa7dfa5d01acbcc2a84 Zurzeit befinden sich die energieintensiven Industrien in Deutschland in einer existenziellen Krise. Der VAA hat sich in die Diskussion um den Industriestrompreis eingeschaltet und fordert die FDP mit Nachdruck dazu auf, ihre Blockadehaltung in der Ampelkoalition zu überdenken. Aus Sicht der Fach- und Führungskräfte in der Chemie- und Pharmaindustrie ist ein Brückenstrompreis für die energieintensiven Branchen zwingend notwendig, um die Zukunft des Industriestandorts mittel- und langfristig zu sichern. „Es ist ganz einfach: In Deutschland ist Strom so teuer wie nie zuvor“, erklärt VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow. „Und diese hohen Strompreise stellen gerade Chemieunternehmen vor enorme Herausforderungen: Zum einen verschärfen die Preise den internationalen Standortwettbewerb und zum anderen verhindern sie Investitionen in treibhausgasneutrale Technologien.“ Dies führe zu einer Abwanderung stromintensiver Unternehmen aus Deutschland und damit zum Verlust einer großen Anzahl hoch qualifizierter Industriearbeitsplätze.

In ihrem Brief an die FDP-Führung betonen die 1. VAA-Vorsitzende Dr. Birgit Schwab, der 2. VAA-Vorsitzende Dr. Christoph Gürtler und VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow, dass die Liberalen ein wichtiger Partner seien. „In der jetzigen existenziellen Krise hat die Ablehnung von kurzfristig wirksamen Hilfen bei unseren Mitgliedern jedoch scharfe, in dieser Form ungekannte, Kritik hervorgerufen. Die Stimmung ist mehr als schlecht.“ Deshalb fordert Deutschlands größter Führungskräfteverband gemeinsam mit den Verbänden und Gewerkschaften der energieintensiven Industrien von der FDP eine Entscheidung für einen wirksamen Brückenstrompreis: „Wir bitten Sie, Ihre ablehnende Haltung aus Verantwortung gegenüber den Unternehmen und den Beschäftigten aufzugeben.“ Im Schreiben heißt es weiter: „Selbstverständlich halten wir es für angemessen, dass Unternehmen, die von einem Brückenstrompreis profitieren, eine Standort- und eine Tariftreuegarantie abgeben müssen.“

Man begrüße zugleich die Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums, der Partei Bündnis 90/Die Grünen, der SPD-Bundestagsfraktion sowie der Bundesländer Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt für den Brückenstrompreis. „Diese Lösung erhält den Industriestandort, sichert Beschäftigung und ist notwendiger denn je“, so Stephan Gilow.

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Pressemitteilungen
news-461 Fri, 18 Aug 2023 08:00:00 +0200 Öffnungsklausel: BAVC und VAA verlängern bis Ende 2023 https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=461&cHash=246b8cf1241743a27d506bba8fe44728 Mitte August 2023 haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der VAA ihre bislang bestehende Öffnungsklausel erneut verlängert. Grund dafür ist nach wie vor die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine hervorgerufene Wirtschaftskrise, die sich in der Chemie besonders deutlich niederschlägt. Zu Beginn der Coronapandemie im März 2020 hatten sich BAVC und VAA auf eine Öffnungsklausel zu § 5 des Manteltarifvertrags für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie über einheitliche betriebliche Regelungen der Kurzarbeit verständigt. Zuletzt hatten BAVC und VAA in ihren Tarifverhandlungen am 23. November 2022 in Wiesbaden eine erneute Verlängerung beschlossen. Grund dafür war der von Russland geführte Angriffskrieg in der Ukraine. Da sowohl der Krieg ungebremst weitergeht als auch die erheblichen wirtschaftlichen Risiken für die Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie fortbestehen, ist die Öffnungsklausel im August 2023 nochmals verlängert worden.

In der mit Wirkung zum 1. Juli 2023 geltenden Öffnungsklausel für das zweite Halbjahr 2023 heißt es: „Macht die konjunkturelle Entwicklung infolge von Auftragsrückgängen und Ertragseinbrüchen größere Produktionseinschränkungen erforderlich, kann zur Erreichung einer unternehmens- oder betriebseinheitlichen Regelung der Kurzarbeit von den Vorschriften des § 5 abgewichen werden.“ Die kollektive Regelung ist bis zum 31. Dezember 2023 befristet.

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Interessenvertretung Tarifpolitik
news-459 Wed, 16 Aug 2023 07:00:00 +0200 Unternehmen in der Krise: Was passiert bei Insolvenz? https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=459&cHash=4e026538b5c8ca2cb86a6af216646f2f In der Chemie- und Pharmabranche sind die Auswirkungen der Krise immer deutlicher zu spüren. Insbesondere kleinere und weniger resiliente Unternehmen drohen, in die Insolvenz zu rutschen. Was darunter zu verstehen ist und was mit den Beschäftigten passiert, erklärt VAA-Jurist Christof Böhmer. VAA Magazin: Wann liegt eine Insolvenz vor?

Böhmer: Insolvenz liegt vor, wenn eine Person oder ein Unternehmen überschuldet ist oder wenn Zahlungsunfähigkeit besteht – sogenannte Insolvenzgründe. Überschuldung bedeutet dabei, vereinfacht gesagt, dass die Vermögenswerte die Verbindlichkeiten nicht decken. Zahlungsunfähigkeit liegt hingegen vor, wenn die bestehenden Zahlungsverbindlichkeiten nicht innerhalb eines Zeitraums beglichen werden können, der bei einem solventen Unternehmen regelmäßig ausreichen würde, sich die Mittel hierzu auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Regelmäßig ist dies ein Zeitraum von drei Wochen.

Was geschieht im Insolvenzfall?

Im Falle einer GmbH oder einer AG besteht für den Geschäftsführer beziehungsweise den Vorstand die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags. Diese Pflicht ist zum einen strafbewehrt, zum anderen führt die verspätete oder gar unterlassene Antragstellung zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers oder Vorstands für Insolvenzausfallschäden. Ein Insolvenzantrag kann grundsätzlich auch durch jeden Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gestellt werden. Hier ist aber Vorsicht geboten: Der Antragsteller ist gegebenenfalls Kostenschuldner bezüglich der Kosten des Insolvenzvorverfahrens.

Wie geht es dann weiter?

Mit der Antragstellung beginnt das sogenannte Insolvenzvorverfahren. Hier wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, dessen Aufgabe zunächst darin besteht, die Insolvenzmasse zu sichern. Hierzu wird er zumeist mit einem sogenannten Zustimmungsvorbehalt ausgestattet. Verfügungen der Schuldnerin über ihr Vermögen sind in dieser Phase nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter möglich. Zudem können ihm weitere Rechte durch das Insolvenzgericht übertragen werden, wenn dies dem Gericht zur Erhaltung der Masse erforderlich erscheint.

Die zweite Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters besteht darin, dem Gericht ein Gutachten über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes sowie das Bestehen einer hinreichenden Masse zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu erstatten. Beide Voraussetzungen müssen vorliegen, damit das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet werden kann.

Was geschieht in diesem Vorverfahren mit den Arbeitsplätzen?

Rechtlich hat die Einleitung des Insolvenzvorverfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse. Insbesondere stellt dieses allein keinen Kündigungsgrund dar. Der Arbeitgeber beziehungsweise deren Geschäftsführer oder Vorstand ist weiterhin zur Abgabe von Erklärungen wie beispielsweise Kündigungen befugt. Allerdings bedarf er hierzu nunmehr der Zustimmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.

Auch die Ansprüche auf Arbeitsentgelt bleiben vollumfänglich bestehen. Wird dieses aber nicht bezahlt, ist zu beachten, dass ein Klageverfahren gegen die Insolvenzschuldnerin in dem Moment gesetzlich unterbrochen wird, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Gleichwohl kann es erforderlich sein, den Arbeitslohn gerichtlich geltend zu machen, wenn ansonsten der Verfall des Anspruchs droht oder wenn davon ausgegangen wird, dass ein Insolvenzverfahren letztlich nicht eröffnet wird.

Das Arbeitsverhältnis besteht fort und die Arbeitnehmer erhalten gleichwohl keinen Lohn?

Da sich durch das vorläufige Insolvenzverfahren an den gegenseitigen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nichts ändert, trifft dies nur bedingt zu. Erhält der Arbeitnehmer keinen Lohn, kann er unter Umständen seine Arbeitsleistung zurückbehalten. Hierzu ist er berechtigt, sodass er gleichwohl den Anspruch auf das Arbeitsentgelt behält.

Mündet das Insolvenzvorverfahren in das eröffnete Insolvenzverfahren oder wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer zur Deckung des Verfahrens hinreichenden Masse abgelehnt, so führt dies zu einem Anspruch auf Insolvenzgeld gegen die Agentur für Arbeit. Das Insolvenzgeld wird für die letzten drei Monate, in denen wegen der Insolvenz des Arbeitgebers kein Lohn gezahlt wurde, in Höhe des pauschal berechneten Nettolohns gezahlt.

Wenn das Insolvenzgeld erst nachträglich bezahlt wird, wie können die Arbeitnehmer motiviert werden, zunächst weiter zu arbeiten und dem Unternehmen so wieder aus der Krise zu helfen?

In Fällen, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter eine Möglichkeit sieht, das Unternehmen auch im eröffneten Insolvenzverfahren weiter zu betreiben oder übertragend zu sanieren, hat er natürlich ein Interesse daran, dass die Beschäftigten durchgehend Arbeitslohn erhalten, damit sie weiterhin ihre Arbeitsleistung erhalten und diese nicht wegen nicht erfüllter Entgeltforderung zurückbehalten.

Hier wird häufig von der Möglichkeit einer Insolvenzgeldvorfinanzierung Gebrauch gemacht: Eine Bank erteilt einen Kredit in Höhe der Entgeltansprüche und erhält hierfür die später erst entstehenden Insolvenzgeldansprüche der Arbeitnehmer im Voraus abgetreten. Die Arbeitsagentur sichert der Bank hierzu bereits zu, dass dieses Insolvenzgeld mit der Verfahrenseröffnung fließen wird.

Was ändert sich im eröffneten Insolvenzverfahren?

Die Arbeitgeberbefugnisse gehen nun auf den Insolvenzverwalter über. Eine Kündigung kann beispielsweise nur noch durch den Insolvenzverwalter ausgesprochen werden. Im Falle einer Kündigungsschutzklage ist der Insolvenzverwalter der richtige Klagegegner.

Ergibt denn eine Klage gegen eine in der Insolvenz des Unternehmens ausgesprochene Kündigung Sinn?

In den meisten Fällen ja! Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hebelt das Arbeitsrecht nicht aus, sondern führt lediglich zu moderaten Rechtsänderungen: Als Inhaber der Arbeitgeberbefugnisse muss der Insolvenzverwalter, ebenso wie ein sonstiger Arbeitgeber, den Betriebsrat und Sprecherausschuss bei Betriebsänderungen beteiligen, dessen Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen einholen und ihn vor einer auszusprechenden Kündigung anhören.

Aber inhaltlich wird doch die Kündigung durch den Insolvenzverwalter meist nicht angreifbar sein.

Der Insolvenzverwalter hat zwar nur eine auf höchstens drei Monate zum Monatsende reduzierte Kündigungsfrist zu beachten, benötigt aber grundsätzlich ebenfalls einen hinreichenden Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Kündigungsschutzgesetz. Dieser wird zwar häufig in einer vom Insolvenzverwalter beabsichtigten Betriebseinstellung liegen. Zu beachten ist jedoch, dass hierfür eine endgültige Stilllegungsentscheidung getroffen sein muss. Ein Betriebsübergang oder eine übertragende Sanierung einerseits und eine Betriebsstilllegung andererseits schließen sich aus. Solange also der Insolvenzverwalter mit potenziellen Investoren oder Betriebsübernehmern verhandelt, besteht der Kündigungsgrund nicht.

Solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht, ist das Einkommen der Beschäftigten also gesichert.

Das stimmt so leider nicht. Hierzu muss das System der Forderungen im Insolvenzverfahren kurz beleuchtet werden: Es gilt grundsätzlich eine Rangfolge für die Forderungserfüllung im Insolvenzverfahren. Zunächst sind die sogenannten Massekosten zu befriedigen. Hier handelt es sich um die Kosten des Insolvenzverfahrens selbst, also Gerichtskosten, Insolvenzverwalterhonorar et cetera. Sind diese nicht gedeckt, wird das Verfahren nicht eröffnet oder wieder eingestellt. Sodann sind die Masseschulden aus der Insolvenzmasse zu begleichen. Hier handelt es sich unter anderem um Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Hierzu gehören auch die Arbeitslöhne für die Zeit nach Verfahrenseröffnung. Schließlich wird die verbleibende Masse auf die Gläubiger der nicht bevorrechtigten Insolvenzforderungen quotal verteilt.

Was bedeutet dies konkret für die Ansprüche auf Arbeitslohn?

Dies bedeutet: Es kann passieren, dass die Arbeitslohnforderungen, obgleich es sich um Masseforderungen handelt, nicht vollständig befriedigt werden können. Soweit der Insolvenzverwalter feststellt, dass die Masse möglicherweise nicht ausreicht, die Masseforderungen zu befriedigen, kann er gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzeigen. Masseforderungen sind dann ebenfalls nur noch in einer gesetzlich festgelegten Reihenfolge zu befriedigen.

Hier stehen dann die Masseforderungen an letzter Stelle, für die der Insolvenzverwalter die Gegenleistung nicht in Anspruch nimmt. Beispielsweise trifft dies auch auf Lohnforderungen zu, wenn der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt hat. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund der sogenannten Gleichwohl-Gewährung – gleichwohl das Arbeitsverhältnis noch besteht.

Sind Betriebsrat und Sprecherausschuss im Falle einer Betriebsänderung in gleicher Weise zu beteiligen?

Ja, auch im Insolvenzfall bleibt es dabei, dass im Falle einer Betriebsänderung, beispielsweise einer Betriebseinstellung, ein Interessenausgleich und ein Sozialplan zu schließen sind. Hier sieht die Insolvenzordnung allerdings ein Verfahren vor, aufgrund dessen es dem Insolvenzverwalter ermöglicht wird, die Betriebsänderung vor einer Einigung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan durchzuführen, wenn die Verhandlungen nicht in kurzer Frist zu einem Abschluss gebracht werden können.

Zudem ist der Umfang der Sozialplanleistungen beschränkt auf zweieinhalb Monatsverdienste als Abfindungsbetrag für die von Entlassungen betroffenen Beschäftigten. Diese Abfindungsansprüche sind außerdem zwar Masseforderungen, dürfen aber in ihrer Gesamtheit ein Drittel der für die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Masse nicht übersteigen. Naturgemäß kann daher auch eine Auszahlung erst zum Ende des Insolvenzverfahrens – nach regelmäßig mehreren Jahren – erfolgen, da dieser Betrag erst dann zu ermitteln ist.

Was hat es mit dem sogenannten Schutzschirmverfahren und der „vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung“ auf sich?

Es handelt sich beim „Schutzschirmverfahren“ und der „vorläufigen Eigenverwaltung“ um Spielarten des vorläufigen Insolvenzverfahrens, also vor der Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens. Hier wird ein „vorläufiger Sachwalter“ bestellt, der Kontroll- und Anfechtungsrechte hat. Der Schuldner beziehungsweise dessen Geschäftsführer oder Vorstand bleibt weiter grundsätzlich befugt, über das Vermögen des Schuldners zu verfügen, und ist verantwortlich dafür, die Masse zu erhalten. Im Falle der vorläufigen Eigenverwaltung bestellt das Insolvenzgericht den vorläufigen Sachwalter. Es können für das spätere Insolvenzverfahren keine Masseverbindlichkeiten begründet werden.

Demgegenüber kann der Schuldner den vorläufigen Sachwalter im Falle des Schutzschirmverfahrens selbst wählen. In diesem Verfahren können auch Masseschulden begründet werden. Das Schutzschirmverfahren kommt aber nicht in Betracht bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Beide Verfahren münden in ein reguläres Insolvenzverfahren, wenn nicht die Insolvenzgründe im Rahmen des Vorverfahrens durch Vereinbarung mit den Gläubigern beseitigt werden können. Das eigentliche Insolvenzverfahren kann auch im Wege der Eigenverwaltung – dann mit einem nicht mehr nur vorläufigen Sachwalter – mit dem Ziel eines Insolvenzplanabschlusses fortgeführt werden.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Magazin in der Augustausgabe 2023 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-458 Wed, 09 Aug 2023 07:00:00 +0200 Personalvermittlungsprovision: keine Erstattung durch Arbeitnehmer https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=458&cHash=488f4822fbad35458a4d04625970c698 Eine arbeitsvertragliche Regelung, die Beschäftigte dazu verpflichtet, eine vom Unternehmen für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, ist laut BAG unwirksam. Ein Arbeitnehmer hatte mit einem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag geschlossen, der durch Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande gekommen war, und begann auf dieser Grundlage seine Tätigkeit am 1. Mai 2021. Das Unternehmen zahlte eine Vermittlungsprovision von rund 4.500 Euro an den Dienstleister und nach Ablauf der im Arbeitsvertrag vereinbarten sechsmonatigen Probezeit sollten nochmals mehr als 2.200 Euro fällig werden.

Laut Arbeitsvertrag war der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Juli 2022 von ihm selbst beendet wird. Nachdem der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 2021 gekündigt hatte, behielt der Arbeitgeber unter Verweis auf die entsprechende Klausel des Arbeitsvertrags einen Teilbetrag von rund 800 Euro aus dem letzten Monatsgehalt ein.

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht auf die Zahlung dieses Betrags, weil die Regelung in seinem Arbeitsvertrag ihn aus seiner Sicht unangemessen benachteiligte und somit unwirksam war. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitnehmer recht. Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Sinne des Arbeitnehmers entschieden (Urteil vom 20. Juni 2023, Aktenzeichen: 1 AZR 265/22).

Die BAG-Richter stellten fest, dass die Regelung den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt hätte und somit unwirksam war. Er wäre dadurch in seinem grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt worden, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt gewesen wäre. Der Arbeitgeber hat laut BAG grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet. Es bestehe deshalb kein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers, solche Kosten auf den Arbeitnehmer zu übertragen.

VAA-Praxistipp: Vor allem bei der Besetzung von Stellen für hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nehmen Unternehmen regelmäßig die Dienstleitung sogenannter Recruitingagenturen oder Headhunter in Anspruch. Das Urteil das BAG verdeutlicht ausdrücklich, dass die Kosten für diese Art der Personalbeschaffung allein der Arbeitgeber zu tragen hat. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer selbst das Arbeitsverhältnis schnell wieder beendet.

Dieser Artikel ist erstmals im VAA Newsletter Juli 2023 und anschließend im VAA Magazin August 2023 veröffentlicht worden.

Auf der Mitgliederplattform MeinVAA unter mein.vaa.de stehen für eingeloggte VAA-Mitglieder zahlreiche Infobroschüren zu arbeitsrechtlichen Themen zum Download bereit.

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Urteile und Recht
news-439 Thu, 03 Aug 2023 12:36:00 +0200 GDCh und VAA: Hochschulveranstaltungen in ganz Deutschland https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=439&cHash=bc6edbef0715f1111e715bd6ed662a37 Dank des gemeinsamen Engagements mit Studierenden sowie den Teams verschiedener JCFs haben wir auch in der ersten Jahreshälfte 2023 wieder zahlreiche Hochschulveranstaltungen in ganz Deutschland durchführen können. Um den Übergang vom Studium ins Berufsleben ging es auf zwei Hochschulveranstaltungen mit Beteiligung des VAA. Am 6. Juni 2023 hat VAA-Jurist Christian Lange dazu beim JungChemikerForum (JCF) in Mainz in Präsenz referiert. Am 22. Juni hat VAA-Juristin Catharina Einbacher einen Onlinevortrag beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) gehalten. Die Teilnehmerzahl lag in beiden Fällen bei 45.

Einen Besucherrekord gab es einen Monat vorher am 16. Mai zu verzeichnen, als rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Zoom-Veranstaltung zum Karrierestart in Medtech und Pharma dabei waren. Organisiert wurde das Event vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBio).

VAA bei den Chemistry Data Days

Auch in der Chemie wird datengetriebene Forschung immer wichtiger. Um sich über Innovationen auf diesem Gebiet auszutauschen, finden jedes Jahr an der Universität Mainz die Chemistry Data Days statt. Mitte Juni 2023 hat der VAA gemeinsam mit JCF-Vertretern im Rahmen dieses Events einen Workshop zum Berufseinstieg in der Chemiebranche mit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Mit dabei waren unter anderem der Abteilungsleiter Bildung, Karriere und Wissenschaft bei der GDCh Dr. Hans-Georg Weinig, der Exzellenzpreisträger der VAA Stiftung Dr. Patrick Wilde von der Schott AG, Tamara Hughes von der britischen Royal Society of Chemistry, VAA-Jurist Christian Lange und Alexandra Tietze vom JCF-Bundesvorstand.

VAA-Juristin im JCF-Podcast

Nicht nur beim Berufseinstieg sind sich Akademikerinnen und Akademiker oft unsicher, was von ihnen verlangt werden darf. Was sind die Rechte und Pflichten von Beschäftigten gegenüber ihren Unternehmen? Dazu hat VAA-Juristin Pauline Rust im JCF-Podcast „Alles Chlor!“ nützliche Tipps gegeben. In der am 1. Mai 2023 veröffentlichten Folge „FORSCHtellungsgespräche“ aus der Reihe „MINTerview“ gibt es zahlreiche Informationen über das Arbeitsrecht im Allgemeinen, aber auch in Bezug auf Chemie und Laborarbeit. Dabei gehen die Moderatorinnen Charlotte Gerischer und Melina Dilanas gemeinsam mit Rust unter anderem auf Themen wie Elternschaft und Bewerbung sowie Kündigung und Behinderung ein.

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Studium
news-460 Wed, 02 Aug 2023 07:00:00 +0200 Wie stressig ist das Studium? VAA Magazin wertet Umfrage aus https://www.vaa.de/login?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=460&cHash=48fb7f28558423ddfd08bb55ac0f56e8 Über 3.000 studentische Mitglieder sind im VAA organisiert. Wie haben sich ihre Studienbedingungen in den letzten Jahren verändert? Wie kritisch ist die Situation in Sachen Wohnraum und Finanzen wirklich? Antworten darauf gibt das VAA Magazin in einem ausführlichen Spezialfeature. Am 1. August 2023 ist das neue VAA Magazin als Webmagazin veröffentlicht worden – wie immer eine Woche vor Erscheinen des gedruckten Heftes. Was sind die wichtigsten Themen? Im Spezial wird die VAA-Umfrage zum Studium ausgewertet: Ende 2022 hat der VAA seine studentischen Mitglieder zum dritten Mal nach 2009 und 2014 zu Themen wie Studienbedingungen, Promotion, Finanzen, Wohnsituation, Auslandsaufenthalt und Motivation befragt. Die Umfrageergebnisse bestätigen: Die meisten haben sich aus fachlichem Interesse für ihren Studiengang entschieden – und wollen es immer noch mit dem Doktortitel beenden. Doch gegenüber den vorherigen Umfragerunden ist beim Wunsch, ein Promotionsstudium zu beginnen, ein klar abnehmender Trend zu verzeichnen. Dagegen ist die Zahl derjenigen deutlich gestiegen, die sich durch ein Studium bessere Chancen für Karriere und Gehalt versprechen.

In der Rubrik VAA gibt es einen ausführlichen Bericht zur Delegiertentagung, die Anfang Juni 2023 in Montabaur stattgefunden hat. Als oberstes Verbandsorgan trifft die Tagung wichtige Entscheidungen für die künftige Verbandsarbeit. Außerdem werden die Ergebnisse der VAA-Befindlichkeitsumfrage vorgestellt: In den Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie hat sich aus Sicht der Fach- und Führungskräfte die Stimmung im Vergleich zu den Vorjahren eingetrübt. Auch ist Bewegung im Ranking der Unternehmen mit der besten Personalarbeit zu verzeichnen. Den Abschluss der Rubrik bildet ein Bildbericht über die Konferenz für Betriebsräte in Mainz. Thema war neben dem traditionellen Austausch über Best-Practice-Beispiele in der Betriebsratsarbeit auch die gelebte Mitbestimmung in Zeiten der Krise.

In den ULA Nachrichten beschäftigt sich der Deutsche Führungskräfteverband ULA – der politische Dachverband des VAA – mit nachhaltiger Führung, auch unter dem englischen Begriff „Sustainable Leadership“ bekannt. Zudem spricht sich der Präsident des Bundes der Steuerzahler Reiner Holznagel in seinem Gastbeitrag für mehr Freiheit, Leistung und Verantwortung aus. Des Weiteren fordert die ULA einen Brückenstrompreis für energieintensive Industrien im Sinne der grünen Transformation. In der beliebten Serie „Pro und contra“ diskutieren die Bundestagsabgeordneten Dr. Sandra Detzer von der Partei Bündnis 90/Die Grünen und Hansjörg Durz von der CSU über die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Erhält das Bundeskartellamt dadurch zu viel Macht bei der Marktgestaltung?

In Krisenzeiten droht insbesondere kleineren und weniger resilienten Unternehmen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. VAA-Jurist Christof Böhmer erklärt in der Rubrik Recht, was genau unter Insolvenz zu verstehen ist und was dies konkret für Beschäftigte bedeutet. In der Urteilsbesprechung geht es um die Frage, inwieweit Provisionen, die Arbeitgeber für die Personalvermittlung gezahlt haben, von Arbeitnehmern zurückgezahlt werden müssen.

Mit seiner Satirischen Kolumne Lehmanns Destillat hat Erik Lehmann längst einen Stammplatz im VAA Magazin. Diesmal zieht der Dresdner Kabarettist eine kleine Zwischenbilanz zur Sommerpause.

Selbstverständlich wird auch diese Ausgabe durch weitere Meldungen und Artikel aus Branche, Verband, Wissenschaft, Recht und Service abgerundet.

Neben dem Webmagazin gibt es das VAA Magazin nach wie vor im PDF-Format – sowohl als interaktives, blätterbares E-Paper als auch als klassisches PDF. Einfach anklicken und anlesen – die Redaktion wünscht viel Spaß bei der Lektüre!

Übrigens: Wer Feedback geben möchte, gern kritisch und offen, kann dies unter redaktion@vaa.de tun. Über Leserbriefe und Anregungen freut sich die VAA-Redaktion immer.

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