Was vom Gipfel übrig blieb
Atomkrise, Eurokrise, EU-Krise. Ein Jahr neigt sich dem Ende zu, das wie kein anderes dominiert war von Rettungsgipfeln aller Art. Zum Jahresabschluss ging es beim Klimagipfel im südafrikanischen Durban einmal mehr um die Rettung des Klimas. Mit schnellen Entscheidungen hat noch kein Klimagipfel geglänzt. Diesmal kämpften Vertreter aus über 190 Ländern länger denn je um den Durchbruch. Täglich schwankte dieser Verhandlungsmarathon zwischen Erfolg und Scheitern. Für eine Achterbahnfahrt der Gefühle sorgte vor allem China mit seinen vorsichtigen Andeutungen, sich zu weniger Kohlendioxid-Ausstoß zu verpflichten. Für einen Moment hat die Volksrepublik tatsächlich das Klima gerettet – im Konferenzsaal. Dann kam die heikle Bedingung: Die Industriestaaten müssten höhere Lasten für den Klimaschutz schultern, weil die Schwellenländer sich noch entwickelten. Und China sieht sich nach wie vor als ein Schwellenland.
Gemeinsam mit kleinen Inselstaaten, großen afrikanischen Staaten sowie den 50 ärmsten Ländern führte die EU eine Koalition der Willigen an. Angesichts von so viel Einigkeit haben notorische Blockierer wie die USA oder Indien deutlich an Gewicht verloren, aber nichts an Sturheit eingebüßt. Dazwischen pendelt China – zwischen grüner Perspektive und billiger Energieversorgung. Und Deutschland? Bundesumweltminister Röttgen bewies Durchhaltevermögen, bekräftigte seinen Optimismus jedoch teils undiplomatisch offen. In Abwesenheit von Angela Merkel wirkte er energisch und bewahrte den Gipfel vor dem Zerfasern.
Was hat nun das zweiwöchige Jonglieren mit Zahlen und Begriffen gebracht? Die Einigung besteht aus drei Punkten: Das Kyoto-Protokoll soll – wenn auch ohne verbindliche Pflichten – verlängert werden. Der Green Climate Fund – im Vorjahr in Cancun beschlossen – soll Umrisse einer Institution erhalten. Drittens: Die Hoffnung wird vertagt. Erst im nächsten Jahr soll über Minderungspflichten entschieden werden, die auch Staaten außerhalb des Kyoto-Protokolls umfassen. Den südafrikanischen Kompromissvorschlag, verbindliche Ziele bis zum Jahr 2015 zu erarbeiten und bis 2020 umzusetzen, mögen viele der Beteiligten als nennenswerten Fortschritt bezeichnen – für Inselstaaten wie die Malediven ist es ein schwacher Trost.
Letztlich entscheiden wirtschaftliche Faktoren über den Klimaschutz. Die ohnehin schon knappen fossilen Ressourcen werden immer teurer, die erneuerbaren Energien dagegen rentabler. Deutschland hat dies bereits erkannt und die Energiewende eingeläutet. Auch China, einst ein „Nobody“ bei den Erneuerbaren, deckt seinen Energiebedarf schon zur Hälfte aus regenerativen Energiequellen. So folgenschwer die Finanz- und Wirtschaftskrise auch sein mag, sie hat zu einer deutlichen Reduktion des CO2-Ausstoßes geführt.
Doch darin Trost zu suchen, ist alles andere als zielführend. Ein Sinneswandel bei Klimaskeptikern wie den USA wäre mehr denn je wünschenswert. Zeit für wenig ambitionierte Abkommen ist nicht gegeben – ein Fahrplan für einen weltweiten Vertrag garantiert noch keine Pünktlichkeit. Das Klimaziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, wird so kaum zu halten sein. Die Rettung der Welt wird immer pragmatischer. Das in Durban vereinbarte „Ergebnis mit juristischer Kraft“ wird 2012 in Katar weiterverhandelt – im Land mit dem weltweit höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf.
Auf Dauer kann es nicht funktionieren, den Umweltschutz nur als abhängige Variable des Wachstums zuzulassen. Nicht in den USA, nicht in Indien, nicht in China – und auch nicht in Kanada. Europa kann, ja es muss vorangehen beim Beweis, dass Klimaschutz und wirtschaftliche Effizienz einander sinnvoll ergänzen. Zugegeben: Gerade der nach Fukushima im Eiltempo vollzogene Atomausstieg stellt Industrie und Verbraucher in Deutschland vor enorme Herausforderungen. Doch er birgt neben Unwägbarkeiten – etwa beim Netzausbau – auch Chancen für die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien. Längst ist klar: Effektiver Klimaschutz klappt nur mit einer starken, gesunden Industrie.