Verlängerung der Elternzeit: BAG stärkt Arbeitnehmerrechte
Der Arbeitgeber darf die Bitte eines Arbeitnehmers um Verlängerung der Elternzeit nicht ungeprüft ablehnen, sondern muss eine Interessenabwägung anstellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihres Kindes für ein Jahr Elternzeit in Anspruch genommen. Kurz vor Ablauf des Jahres bat sie bei ihrem Arbeitgeber mit Hinweis auf ihre gesundheitlichen Probleme seit der Schwangerschaft um Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr. Der Arbeitgeber lehnte die Verlängerung ab. Nachdem die Arbeitnehmerin nach der Ablauf der einjährigen Elternzeit nicht wieder zur Arbeit erschien, erteilte ihr der Arbeitgeber eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens.
Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht, das den Arbeitgeber dazu verurteilte, der Verlängerung der Elternzeit zuzustimmen und die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Der Arbeitgeber ging in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG), das die Klage der Arbeitnehmerin insgesamt ablehnte. Es vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber sei frei, die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit zu verweigern, solange er dabei nicht rechtsmissbräulich handle. Die Abmahnung sei berechtigt gewesen, da die Klägerin der Arbeit unentschuldigt fern geblieben sei.
§ 16 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz: Inanspruchnahme der Elternzeit
(1) Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.
Diese Entscheidung hob das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Revision auf (Urteil vom 18. Oktober 2011, 9 AZR 315/10). Zwar bedürfe eine Verlängerung des Zeitraums, den der Arbeitnehmer nach § 16 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vorab gegenüber dem Arbeitgeber festlegen muss, der Zustimmung des Arbeitgebers. Dieser müsse jedoch nach billigem Ermessen entsprechend des § 315 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darüber entscheiden, ob er der Verlängerung der Elternzeit zustimmt.
Das BAG verwies die Entscheidung deshalb an das LAG zurück. Es könne erst nach Feststellung der Tatsachen entschieden werden, ob der Arbeitgeber die Verlängerung der Elternzeit zu Unrecht abgelehnt habe und die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden müsse.
VAA-Praxistipp
Mit seinem Urteil hat das BAG den Spielraum für Eltern erweitert, die den Zeitraum für ihre Elternzeit nachträglich verändern wollen. Der Arbeitgeber kann eine Bitte um Verlängerung der Elternzeit nicht mehr ungeprüft ablehnen, sondern muss eine gerichtlich überprüfbare Interessenabwägung anstellen. Will er die Verlängerung ablehnen, muss er dabei mit stichhaltigen Gründen zu dem Ergebnis kommen, dass das Interesse des Arbeitnehmers hinter den schutzwürdigen betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zurücktreten muss.