Zustimmungspflicht bei tarifvertraglichen Öffnungsklauseln
Tarifvertragsparteien können unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich gezwungen werden, der Öffnung eines Flächentarifvertrages zuzustimmen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.
Die Tarifvertragsparteien der Beton- und Fertigteilindustrie hatten in einem regionalen Rahmentarifvertrag eine Öffnungsklausel vereinbart. Danach sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter mit Zustimmung der Tarifparteien die ansonsten festgelegten tariflichen Leistungen durch Betriebsvereinbarungen ändern können. Im Rahmentarifvertrag wurde ebenfalls festgelegt, dass diese Zustimmung erteilt werden „soll“, sofern die weiteren tariflichen Bestimmungen zur Öffnungsklausel eingehalten werden. Dazu gehörten unter anderem eine Begründung der Notwendigkeit anhand nachvollziehbarer Kriterien sowie ein beschäftigungssichernder Zweck der Abweichung von der Tarifleistung.
Als die zuständige Industriegewerkschaft einer solchen abweichenden Betriebsvereinbarung ihre Zustimmung verweigerte, klagte der Arbeitgeberverband diese vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und dem Hessischen Landesarbeitsgericht ein. Die Gewerkschaft hatte sich darauf berufen, dass aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit für die abweichende Regelung bestand. Bei der Zustimmung stünde ihr ein großer Ermessensspielraum zur Verfügung, der von den Arbeitsgerichten nicht überprüft werden könne.
Das BAG hat nun dem Arbeitgeberverband Recht gegeben und die Gewerkschaft dazu verurteilt, der Betriebsvereinbarung zuzustimmen. Sofern die Kriterien für die Betriebsvereinbarung eingehalten worden seien, führe die „Soll“-Bestimmung des Rahmentarifvertrages zu einer Zustimmungspflicht. Etwas anders gilt laut BAG nur, wenn die Tarifvertragspartei, die die Zustimmung verweigert, dafür gewichtige Gründe anführen kann.
VAA-Praxistipp
Die Entscheidung führt zu einer deutlichen Stärkung der betrieblichen Ebene gegenüber der Verbandsebene. Der regelmäßig vereinbarte Zustimmungsvorbehalt bei einer Tariföffnung reduziert sich damit auf die Möglichkeit, Tariföffnungen die Zustimmung zu versagen, wenn offenkundig der Beschäftigungssicherungszweck zu eilfertig angenommen worden war. Der nichtintendierte Nebeneffekt dieser Entscheidung könnte es allerdings sein, dass die Entscheidung bei den DGB-Gewerkschaften zu einer Abkehr von Tariföffnungsklauseln führt.