Was sollen wir tun?
Diese Frage zeigt die ganze Last der freien Entscheidung, wenn man nach guten ethischen, moralischen, oder politischen Gründen sucht. Nach den Gründen, die unser Handeln rechtfertigen und vor dem Vorwurf der Beliebigkeit schützen – etwa bei Staatshilfen an Holzmann oder Quelle. Doch die Politik scheint nur noch die kleine Schwester jener großen Frage nach den unbezweifelbaren Geboten des Handelns zu kennen. Im kleinen Karo haben die Koalitionäre darüber gerätselt: Was können wir tun? Freiheit der Entscheidung, eher Fehlanzeige. Etwas kleinmütig, bisweilen unentschieden, auf jeden Fall stets auf Richtungssuche: Das sind die bleibenden Eindrücke aus den Wochen des Anfangs. Ein Zauber wohnte dem Beginn der neuen bürgerlichen Koalition jedenfalls nicht inne.
Den Bürgern stockte eher der Atem, als Tricksereien die Gedankenspiele beherrschten. Man wollte die Schuldenbremse, angeblich um der Transparenz willen, in das Gebot der Verschuldung zum Zwecke künftiger Entschuldungen umdeuten. Die reumütige Absage an das Haushalten im Schatten des Haushalts war nicht nur gut, sie war gewiss geboten. Die politische Vernunft ließe keine andere Wahl.
“Wir können eben recht wenig tun“, diese Haltung - fälschlicherweise pragmatisch genannt - schien so manchen in der Regierungskoalition leider streckenweise zu befallen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist über uns gekommen. Das Schuldenmachen ist Naturgesetz und dass das Gesundheitswesen von innen heraus so marode ist, dass es nicht mehr wirklich gesund zu machen ist, das gehört auch seit Jahren zum festen Erkenntnisschatz aller Beitragszahler.
Doch nur bitteren Spott dieser Art über den Koalitionsvertrag auszuschütten, wäre reichlich ungerecht. Denn es stehen durchaus zukunftsweisende und mutige Projekte im Vertrag. Gerade bei Ihren Finanzmarktprojekten, insbesondere dem Verbriefungsgesetz und der Stärkung der Bankenaufsicht, sollte man der Koalition eine glückliche Hand wünschen.
Noch viel mehr stößt es auf unseren ungeteilten Zuspruch, wenn so zukunftsweisende Technologien wie Nano- und Gentechnik gefördert werden. Das macht zumal deshalb Mut, weil wir inzwischen wissen, dass Schweden, Deutschland und die USA die drei Spitzenplätze in der effizienten Nutzung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben einnehmen, während etwa Japan, Frankreich und Großbritannien im Mittelfeld rangieren. Wir haben also die Chancen auf eine rasche Überwindung der Krise in unseren Händen, oder besser: Köpfen; wenngleich man realistischer Weise weiteren Stellenabbau auch in der Chemie befürchten muss.
Mitbestimmung schafft Systemvertrauen
Es mag ihren Kritikern zwar als abenteuerlicher Brückenschlag vorkommen, aber ich bin zutiefst davon überzeugt: Diese Erfolge in der Forschungs- und Entwicklungseffizienz unserer Industrie wären ohne die ausgebaute betriebliche Mitbestimmung in Deutschland undenkbar. Mitbestimmung schafft auf allen Ebenen das, was Soziologen Systemvertrauen nennen. Nur da, wo Betroffene frühzeitig zu Beteiligten gemacht werden, forscht es sich auch gut.
Deshalb schließe ich mit dem dringenden Appell: Bei den Sprecherausschusswahlen und den Betriebsratswahlen vom 01. März bis 31. Mai 2010 geht es um sehr viel. Jede Stimme zählt! Lassen Sie uns als VAA in der jetzigen Krise Verantwortung übernehmen. Wir müssen gemeinsam in den Betrieben nach Antworten auf die so wichtige Frage suchen: Was sollen wir tun?