ERROR: Content Element with uid "1115" and type "templavoila_pi1" has no rendering definition!
Teure Telefonate und die Leidenschaft für Mitbestimmung
Die Promotionskollegen haben Klemens Minn, dem Winzersohn von der Saar, zum Abschluss seiner Chemiedissertation an der RMTH Aachen statt des Doktorhutes ein Weinfass aufgesetzt. Klemens heißt übersetzt der Sanftmütige, der Gütige. Auf diesen Charakterzug setzten die Laborkollegen wohl, als sie mit ihm, übermütig, zu seinen Ehren und auf seine Kosten, ihren Schabernack trieben und nicht vergebens auf ein gefülltes Glas hofften.
Klemens Minn kann gut zuhören und vertrauensvolle Zusammenarbeit gilt ihm als Basis nachhaltiger Partnerschaft. Toleranz und gesunder Abstand zu sich selbst machen ihn aus. Genauso sehr beweist er aber ein aufs andere Mal Hartnäckigkeit, Zähigkeit, nie nachlassende Neugier und Energie. Forschertugenden sind das, gewiss, aber nicht nur: Auch als Betriebsrat profitiert man davon. Wenn alles sein kann, aber nichts so sein muss, wie es ist, dann gilt das nicht nur für das Forschungsspezialgebiet von Klemens Minn: Seit bald 25 Jahren forscht er beständig im Bereich der Heterocyclen-Chemie. Er kommentiert diese für einen Forscher geradezu stoisch-beharrliche Beschäftigung mit Herbiziden lakonisch: Die Arbeitgeber kommen und gehen, mein Labor bleibt bestehen. Von Höchst über die AgrEvo, Aventis bis hin zu Bayer CropScience heute, er hat sie alle kennengelernt. Oder sollte man besser sagen: Sie haben ihn kennengelernt?
Mit kritisch analytischem Blick
Denn er liebt es, nicht nur als Forscher sondern auch als Betriebsrat den kritischen und analytischen Blick auf die Sachverhalte zu werfen. Und dann kann es schon einmal vorkommen, dass sich so mancher angeblicher Sachzwang als vorgeschobenes Scheinargumente entlarven lässt.
Klemens Minns Betriebsratskarriere begann gleich mit einem Paukenschlag. Nach kurzer Zeit als Nachrücker wurde er 1998 in den Betriebsrat der AgrEvo gewählt und im August stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Die Fusion mit Rhône Poulenc zur späteren Aventis stand Ende November 1998 vor der Tür, genauso die große Mitarbeiter-Weihnachtsfeier im Palmengarten. Gerade einmal fünf Tage waren seit der Bekanntgabe der Fusionspläne vergangen, als sich der frisch gewählte, stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende vor die versammelte Mannschaft samt Teilen des Vorstands stellte und fragte: „Kolleginnen und Kolleginnen, gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen französischem und deutschem Strom?“. Damit spielte er auf die, aus seiner Sicht, überflüssigen Nickeligkeiten zwischen den beiden TGV und ICE-Konsortien an und rief in seiner Rede zum Optimismus auf. Allerdings war keinerlei Überschwang oder Eilfertigkeit im Spiel, denn die anwesenden Vorstandsmitglieder erinnerte er nachdrücklich: Was immer im Zeichen des Shareholder Value geschehe, die Mitarbeiter selbst hätten gewaltig in das Unternehmen investiert;
Minn damals programmatisch weitsichtig und wörtlich: „Gemeint ist hier nicht nur Arbeit, die Rückstellungen für betriebliche Altersversorgung sind auch eine finanzielle Investition. Daher ist die Forderung nach Mitbestimmung mehr als nur berechtigt“. Er rechnet es dann auch zu seinen größten Erfolgen, dass es dem Betriebsrat damals gelungen ist, die Umstellung der betrieblichen Altersversorgung in der Höchster Pensionskasse ohne materielle Einbußen hinzubekommen. Am meisten enttäuscht ist er über die erste von ihm unterzeichnete Betriebsvereinbarung zu Heimarbeitsplätzen bei AgrEvo. Einen Mietanteil des Arbeitgebers für das häusliche Arbeitszimmer hatten er und seine Betriebsratskollegen gefordert: Letzten Endes erfolglos.
Reeller Idealist
Warum macht er das alles seit Jahren, intensiv, ernsthaft? Wer ihn kennt, weiß, dass es fast keine Tages- oder Nachtstunde gibt, zu der er nicht schon einmal E-Mails in Sachen Mitbestimmung oder Verband verschickt hätte. Hobbies betreibt man anders. Klemens Minn legt den Kopf nachdenklich zur Seite und lässt sich im blassen Dämmerlicht eines Herbstnachmittags in lautes Nachdenken verwickeln. Zum Vorschein kommt so etwas, wie ein „Dazu-berufen-sein“. Es ist Idealismus im Spiel, aber einer von sehr reeller Art. Wenn ihn das Ideal freier Forschung im Kreise selbstbewusster und freier Mitarbeiter antreibt, dann ruht das Engagement in frühen Erfahrungen einer intakten Großfamilien- und Dorfgemeinschaft, bei der die flinken Zweitklässler mit den Erstklässern schon einmal das kleine Einmaleins üben durften.
Die Frage nach den Post-Achtundsechzigern und dem Traum von der herrschaftsfreien Welt beantwortet Klemens Minn mit der Anekdote vom Dreh eines Filmteams, das im Herbst 1977 plötzlich im Dorf aufgetaucht ist. Noch heute hört man den fasziniert bewundernden Tadel des Jugendlichen heraus, als erfuhr, dass die Freundin des Produktionsleiters für 650,00 D-Mark telefoniert hat, innerhalb einer guten Stunde mit der Heimat ... in Brasilien.