Grenzen des Ausgleichs
Betriebsrat und Arbeitgeber können mit einer Höchstgrenze Abfindungen in Sozialplänen kappen. Sie müssen nicht in jedem Fall mit dem Vorwurf der Altersdiskriminierung rechnen.
Ein Arbeitnehmer war im Rahmen einer Betriebsänderung betriebsbedingt gekündigt worden. Er sollte eine Sozialplanabfindung erhalten. Die Formel für die Basisabfindung sah für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit einen Betrag in Höhe eines Bruttomonatsgehalts vor. Danach hätte der Arbeitnehmer aufgrund seines Bruttomonatsentgelts in Höhe von etwa 5.500 Euro und seiner über 40-jährigen Betriebszugehörigkeit eine Abfindung in Höhe von mehr als 240.000 Euro erhalten. Die Basisabfindung wurde allerdings auf einen Höchstbetrag von 85.000 Euro begrenzt, der als Kappungsgrenze ebenfalls im Sozialplan vereinbart worden war.
Dagegen klagte der Arbeitnehmer und verlangte die Zahlung der ungekürzten Abfindung. Er vertrat die Auffassung, dass die Abfindung entsprechend ihrer Bemessungsgrundlage eine Entlohnung für gezeigte Betriebstreue sei und nicht gekürzt werden könne. Zudem verstoße die Höchstbegrenzungsregel gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz: Sie begrenze ohne hinreichende Rechtfertigung vor allem die Abfindung älterer Beschäftigter, die dem Betrieb in der Regel länger angehörten. Nach der Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht Köln und die zurückgewiesene Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln zog der Arbeitnehmer vor das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Das BAG entschied mit Urteil vom 21. Juli 2009 (Aktenzeichen 1 AZR 566/08), dass die Betriebsparteien wirksam eine Höchstgrenze für Sozialplanabfindungen vereinbaren können. Es wies somit die Klage des Arbeitnehmers ab. Das Gericht stellte zur Begründung klar, dass Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion haben. Die darin vorgesehenen Zahlungen stellten keine zusätzliche Entlohnung für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen oder Betriebstreue dar, sondern sollten die künftigen Nachteile der Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung abmildern.
Durch eine Höchstbegrenzung der Abfindungen sicherzustellen, dass dieses Ziel der Sozialplanabfindung für alle Arbeitnehmer verteilungsgerecht erreicht werden kann, lag nach Auffassung des BAG im Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien.
Die Höchstgrenze stelle deshalb keinen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Auch eine verbotene Benachteiligung aus Altersgründen lag aus Sicht der Erfurter Arbeitsrichter nicht vor. Zwar waren in diesem Fall weder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch der mit dessen Einführung neu geregelte § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden, weil der Sozialplan vor dem Inkrafttreten dieser Regelungen vereinbart wurde.
§ 75 Betriebsverfassungsgesetz: Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
Das Gericht betonte jedoch, dass es bei einer Höchstbetragsklausel, die nicht nach dem Alter differenziert, grundsätzlich an einer unmittelbaren oder mittelbaren Altersdiskriminierung fehle, weil ältere Arbeitnehmer durch die Regelung genauso behandelt würden wie jüngere.
VAA Praxis-Tipp:
Das BAG hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass es in der Kappung von Sozialplanabfindungen nicht ohne Weiteres eine Altersdiskriminierung erkennt, auch wenn diese häufiger ältere Arbeitnehmer betrifft. Damit dürfte es in Zukunft eher schwerer sein, erfolgreich gegen eine Kappung von Abfindungen juristisch vorzugehen. Allerdings sollten Betriebsräte - sofern sie Kappungsgrenzen überhaupt zustimmen - von vorneherein auf hinreichend differenzierende Regelungen achten, die mit der Verantwortung für ein vertretbares Gesamtvolumen des Sozialplanes vereinbar sind.