Kommen bald die „Wolkenbomber“?
12 Millionen Menschen sind am Horn von Afrika von einer verheerenden Dürre betroffen. Es ist zu heiß und zu trocken. Was soll Rettung bringen? Hilfslieferungen, jetzt. Aber was hilft morgen und übermorgen? Die Sonne wird kaum aufhören, über den Steppen und Wüsten Afrikas zu sengen.
Geo-Engineering ist ein neues Stichwort in der Klimaschutz-Debatte. „Wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn?“ – so ist eine kürzlich veröffentlichte Darstellung des Bundesumweltamtes überschrieben. „Genau!“, möchte man laut ausrufen und dabei flugs dem zweiten Teil der These zustimmen. Galt nicht bis vor kurzem gerade das Klima noch als hochkomplexes System? Soll es jetzt mit einem Mal durch Steuerungstechnik beherrscht werden, reibt man sich als Jurist verwundert die Augen.
Doch der innere Ordnungsruf folgt diesem spontanen Ausbruch der Skepsis auf dem Fuße: Nüchterner Realitätssinn muss oberstes Gebot sein. Kann man eine Folgenabschätzung verantwortlich durchführen, und kommt man in einer Kosten-Nutzen-Abwägung zu einem Überwiegen der Nutzen, dann kehrt sich der skeptische Spontanimpuls womöglich sogar um: Wäre man es dann nicht den vielen, um ihr Leben fürchtenden Menschen geradezu schuldig, Geo-Engineering zu forcieren?
Was schlagen die „Welt-Ingenieure“ vor? Im Prinzip ganz einfach. Eine Idee lautet: Je stärker die Sonneneinstrahlung reflektiert wird, desto weniger tritt die Aufheizung der Atmosphäre ein. Der andere Ansatz befasst sich mit der Bindung von Kohlendioxid. Die Einzelvorschläge zur Beeinflussung des Strahlungshaushalts sind beispielsweise die Änderung des Rückstrahlungsvermögens der Oberflächen durch Weißeln von Dächern und Ansiedlungen, Züchtung reflektiverer Feldfrucht- und Grünlandsorten, Wüstenreflektoren, Änderung des Rückstrahlungsvermögens ozeanischer Flächen. Weiterhin wird die Ausbringung von Aerosolen in der Stratosphäre ebenso erwogen wie reflektierende metallische Partikel oder Kleinstballons. Noch weiter geht die Idee, spiegelnde Scheiben im erdnahen Orbit zu platzieren, Zonen aus Staubpartikeln in Erdnähe zu schaffen oder gar ein ultradünnes Geflecht aus Aluminiumfäden zwischen Erde und Sonne zu spannen.
Das Bundesumweltamt macht in seiner Veröffentlichung keinen Hehl daraus, dass ihm die Perspektiven zur Regulierung des Strahlenhaushalts aus technischen Gründen wenig einleuchtend erscheinen. Aus politischen Gründen lehnt das Bundesumweltamt dergleichen sogar rundweg ab. Treibhausgase würden weiterhin in die Atmosphäre emittiert. Die ökologischen Folgeprobleme wie Ozeanversauerung und die Bedrohung von Tier- und Pflanzenarten blieben bestehen.
Mag man diese Ablehnung für leicht nachvollziehbar halten; bleibt doch die Möglichkeit, dass es sich aus ethischen Gründen gerade nicht durchhalten lässt, die Priorität ganz allein auf die Ursachenbekämpfung zu legen. Dann nämlich, wenn die Ursachenbekämpfung wegen der handels- und wirtschaftspolitischen Konflikte zwischen den westlichen Industriestaaten auf der einen Seite, China, Indien, Brasilien auf der anderen Seite, daneben die Staaten Afrikas und Asiens, nicht vom Fleck kommt. Nur: Die zu erwartenden Konflikte wären beim Geo-Engineering kaum kleiner. Die staatliche Hoheitsgewalt umfasst beispielsweise die Luftsäule über dem Staatsgebiet, hört aber ungefähr in 80 km über der Erdoberfläche auf. Wer darf was in den darüber liegenden Schichten, herrscht doch für zivile Nutzung das Prinzip der Weltraumfreiheit? Noch komplizierter: Sollten künftig wirklich die Flugzeuge im Abgas ganz bewusst zusätzliche Kondensationskerne über versteppten Gebieten ausbringen, wer haftete wem dafür, wenn die „Wolkenbomber“ ungewollt Monsunregen erzeugen?
Was bleibt? Die Chancen des Geo-Engineerings dürfen nicht leichtfertig oder deshalb abgetan werden, weil sie nicht ins politische Konzept passen. Andererseits muss den Projekten doch mit gesunder Grundskepsis entgegen getreten werden. Allheilmittel zu finden, verheißen die Ansätze allemal nicht.