Höhere Hürden für arbeitnehmerfreien Betriebsübergang
Ein Betriebserwerber kann einen Betrieb nicht arbeitnehmerfrei übernehmen, wenn er den Arbeitnehmern vor dem Betriebsübergang neue Arbeitsverhältnisse verbindlich in Aussicht stellt. Dies ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bereits dann
Bei der Übernahme eines insolventen Automobilzulieferers hatte sich ein Investor mit dem Insolvenzverwalter auf ein sogenanntes BQG-Modell verständigt. Die Übernahme des insolventen Unternehmens wurde an die Bedingung geknüpft, dass alle Arbeitnehmer noch vor dem Betriebsübergang mittels dreiseitiger Verträge in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) wechseln. Auf einer Betriebsversammlung wurden per Losverfahren aus den 450 betroffenen Arbeitnehmern 350 ermittelt, mit denen der Betrieb fortgeführt wurde. Entsprechende Angebote für ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber hatten alle Arbeitnehmer zuvor bereits unterzeichnet.
Als der Betriebserwerber einem der übernommenen Arbeitnehmer später die Kündigung aussprach, klagte dieser dagegen. Nach seiner Auffassung konnte er aufgrund einer über zwölfjährigen Dauer seines Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist von fünf Monaten beanspruchen, die nicht eingehalten worden war. Der Arbeitgeber war hingegen der Meinung, die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers habe erst mit der Übernahme des Arbeitnehmers aus der BQG begonnen und es sei daher eine deutlich kürzere Kündigungsfrist anzuwenden. Die Klage des Arbeitnehmers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.
Nun hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Arbeitnehmer Recht gegeben (Az. 8 AZR 312/10). Aus Sicht der Erfurter Richter diente der dreiseitige Vertrag lediglich dazu, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen.
So sollte der Schutz der Arbeitnehmer nach § 613a BGB vor nachteiligen Änderungen der Arbeitsbedingungen beim Betriebsübergang umgangen werden.
§ 613a BGB: Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
Absatz 1, Satz 1: Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
Der Arbeitnehmer habe nicht dauerhaft aus dem Betrieb ausscheiden sollen, sondern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm verbindlich in Aussicht gestellt worden. Dass die Entscheidung darüber, mit welchen Arbeitnehmern der Betrieb fortgeführt wurde, durch ein Losverfahren fiel, ändert daran laut BAG nichts.
VAA-Praxistipp
Bislang hat das BAG nur die <link http: juris.bundesarbeitsgericht.de cgi-bin rechtsprechung external-link-new-window external link in new>Pressemitteilung zu seiner Entscheidung veröffentlicht. Die genauen Urteilsgründe bleiben abzuwarten. Offenbar rückt das BAG jedoch von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, nach der keine Umgehung des § 613a BGB angenommen wurde, wenn ein Arbeitnehmer beim Wechsel in die BQG nicht sicher wusste, ob er ein Angebot zur Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses beim Investor bekommen würde.