BAG: Kettenbefristung kann trotz Sachgrund unwirksam sein
Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann trotz Vorliegens eines Sachgrundes rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Eine Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber durch insgesamt 13 befristete Arbeitsverträge mehr als elf Jahre lang beschäftigt gewesen. Die befristete Beschäftigung hatte dabei fast durchgehend der Vertretung von Arbeitnehmern gedient, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Die Klage der Arbeitnehmerin gegen die Befristung ihres Arbeitsvertrages lehnten sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) ab, weil ein Sachgrund für die Befristung gegeben war.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bat im Rahmen der Revision den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Beantwortung der Frage, ob eine wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrages auch dann mit der Europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist, wenn bei dem Arbeitgeber ein ständiger Vertretungsbedarf besteht. Der EuGH stellte daraufhin klar: Der Umstand, dass ein Arbeitgeber wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreift, steht der Annahme eines Sachgrundes nicht entgegen und ist auch nicht grundsätzlich als Missbrauch der Bestimmung zu werten. Allerdings müssten die staatlichen Stellen alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen, die auf einen Missbrauch hindeuten könnten.
Teilzeit- und Befristungsgesetz
§ 14 Zulässigkeit der Befristung
Absatz 1: Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, […]
3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird [...].
Dazu gehören insbesondere die Zahl und die Dauer der aufeinanderfolgenden Befristungen (Urteil vom 26.01.2013, Aktenzeichen: C 586/10). Im Anschluss an dieses EuGH-Urteil hat das BAG hat seine bisherige Rechtsprechung zu den sogenannten Kettenbefristung geändert (Urteile vom 18. Juli 2012, Aktenzeichen: 7 AZR 783/10 und 7 AZR 443/09). Bis dahin galt als Maßstab für die Kontrolle einer Befristung allein das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die jeweils letzte Befristung. Nun hat das BAG diese Sachgrundkontrolle um eine zusätzliche Rechtsmissbrauchskontrolle ergänzt.
Im Fall der über elf Jahre lang befristet beschäftigten Arbeitnehmerin hoben die Erfurter Richter die Klageabweisung durch das LAG auf, weil aus ihrer Sicht die Gesamtdauer und die Anzahl der Befristungen für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Möglichkeit zur Vertretungsbefristung durch den Arbeitgeber sprechen. In einem anderen Fall, bei dem insgesamt vier Befristungen mit einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten erfolgt waren, wies das BAG die Klage einer Arbeitnehmerin hingegen ab.
VAA-Praxistipp
Mit ihren Entscheidungen haben der EuGH und das BAG die Rechte von Arbeitnehmern mit mehrfach befristeten Arbeitsverträgen gestärkt. Unklar bleibt allerdings, ab welcher Anzahl von Befristungen oder welcher Gesamtdauer eine Kettenbefristung als rechtsmissbräuchlich gilt. Mit der Klageabweisung im zweiten Fall hat das BAG lediglich klargestellt, dass vier Befristungen in sieben Jahren und neun Monaten auch nach der neuen Rechtsprechung noch zulässig sind. Jede Verlängerung darüber hinaus könnte jedoch bei einer Kontrolle durch die Arbeitsgerichte als unzulässig gewertet werden.