Urlaub bei Krankheit: Übertragung nur noch 18 Monate lang?
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Übertragung von Urlaubsansprüchen bei längerer Erkrankung steht möglicherweise vor einer Änderung.
Im Jahr 2009 hatte der EuGH entschieden, dass die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Übertragung von Urlaubsansprüchen bei längerer Krankheit gegen die EG-Richtline zur Arbeitszeitgestaltung verstößt. Danach verfiel der Urlaub, obwohl der Arbeitnehmer diesen aufgrund einer Erkrankung im gesamten Kalenderjahr sowie im Übertragungszeitraum nicht nehmen konnte. Seit der EuGH-Entscheidung bleibt der Urlaubsanspruch auch dann erhalten, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit über den Übertragungszeitraum hinaus geht. Bei einer mehrjährigen Erkrankung addieren sich die Urlaubsansprüche entsprechend.
Nun befasst sich der EuGH erneut mit der Frage des Urlaubsanspruchs bei längerer Krankheit. Ein Arbeitnehmer war von 2002 bis zu seinem Ausscheiden im August 2008 durchgehend krankgeschrieben gewesen. 2009 klagte er 90 Tage Urlaubsabgeltung für 2006 bis 2008 ein. Der Arbeitgeber berief sich dagegen auf eine tarifvertragliche Bestimmung, wonach Urlaub bei Krankheit spätestens 12 Monate nach Ablauf des üblichen Übertragungszeitraums erlischt. Das Arbeitsgericht Dortmund gab jedoch der Klage des Arbeitnehmers teilweise statt. Auf die Berufung des Arbeitgebers hin setzte das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob das Europarecht verlangt, Urlaubsansprüche bei langer Krankheit unbegrenzt aufrecht zu erhalten oder ob eine Übertragung begrenzt werden könnte.
Unbegrenzte Ansammlung nicht geboten
Die mit dem Verfahren befasste EuGH-Generalanwältin hat im Juli 2011 ihren Schlussantrag vorgelegt (Rs. C-214/10). Darin vertritt sie die Auffassung, dass eine Beschränkung des Übertragungszeitraums zulässig sein kann. Arbeitnehmer hätten zwar auch bei langer Krankheit grundsätzlich einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Eine zeitlich unbegrenzte Ansammlung von Urlaubs- beziehungsweise Vergütungsansprüchen sei aber unionsrechtlich nicht geboten. Der mit der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie angestrebte Erholungszweck werde nicht erreicht, wenn der Urlaub erst Jahre später genommen wird. Eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre führe nicht zu einer Steigerung der Erholungswirkung.
Demnach sei zwar ein vollständiger Verfall der Urlaubsabgeltungsansprüche abzulehnen. Auch eine Übertragungsmöglichkeit von nur sechs Monaten wäre zu kurz. Eine Frist von 18 Monaten, nach deren Ablauf Urlaubsansprüche erlöschen, würde aus Sicht der Generalanwältin jedoch dem Schutzzweck der Arbeitszeitrichtlinie gerecht. Der Arbeitnehmer hätte damit bis zu zweieinhalb Jahre Zeit, seinen Mindesturlaub für ein bestimmtes Urlaubsjahr zu nehmen.
VAA-Praxistipp
Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in diesem Fall entscheiden wird. Der Schlussantrag ist für die Luxemburger Richter nicht bindend. Allerdings folgt der Gerichtshof diesem Vorschlag regelmäßig. Die Mitgliedstaaten könnten dann den Übertragungszeitraum für Urlaubsansprüche begrenzen, vorausgesetzt der Erholungszweck wird gewahrt.
Der Zeitraum von 18 Monaten stellt allerdings lediglich einen Richtwert dar, an dem sich die Mitgliedstaaten bei der innerstaatlichen Umsetzung orientieren könnten. Wie eine solche Kursänderung des EuGH in Deutschland umgesetzt würde, ist offen. Derzeit enthält das deutsche Urlaubsrecht keine entsprechende Begrenzung. Nach den bestehenden Verjährungsregeln des BGB wird der Urlaubsanspruch und damit der Abgeltungsanspruch während der Krankheit des betroffenen Mitarbeiters nicht fällig und verjährt somit auch nicht.