Bonus nach Kündigung: Stichtagsregelung unwirksam
Sonderzahlungen, die sowohl künftige Betriebstreue als auch bereits erbrachte Arbeitsleistungen honorieren sollen, dürfen nicht das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag geknüpft werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschie
Ein Unternehmen hatte einem Arbeitnehmer in mehreren Jahren die Zahlung einer Gratifikation zugesagt. Ein Teil der Sonderzahlung bezog sich jeweils ausdrücklich auf den Beitrag des Arbeitnehmers zum Unternehmenserfolg im Vorjahr und wurde direkt ausgezahlt. Der zweite Teil in etwa gleicher Höhe wurde an die Bedingung geknüpft, dass das Arbeitsverhältnis an einem rund drei Jahre später liegenden Stichtag noch in ungekündigter Form besteht. Als der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigte, verweigerte das Unternehmen die Zahlung der entsprechenden Teil-Gratifikationen aus den letzten drei Jahren. Dagegen klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und bekam recht. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage in der Berufung hingegen ab.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in der Revision zugunsten des Arbeitnehmers (Urteil vom 18.01.2012, Az. 10 AZR 612/10). Es bewertete die Gratifikation als Sonderzahlung mit Mischcharakter, weil auch die fragliche Teilzahlung zur Belohnung der Betriebstreue an die Leistung des Arbeitnehmers im vorangegangenen Jahr angeknüpfte. So sei die Höhe der an den Stichtag gekoppelten Zahlung jeweils genau oder annähernd so hoch gewesen wie die Bonuszahlung für das zurückliegende Jahr. Auch die deutlichen Unterschiede bei der Höhe der Teilzahlung zur Belohnung der Betriebstreue von Jahr zu Jahr wertete das Gericht als Argument für den Mischcharakter der Gesamtzahlung.
§ 307 BGB: Inhaltskontrolle
Absatz 1, Satz 1: Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Eine solche Sonderzahlung an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums der Sonderzahlung zu knüpfen, verstößt aus Sicht des BAG gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Absatz 1 Satz BGB. So entziehe die Stichtagsklausel dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn und stehe damit im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Absatz 1 BGB.
§ 611 BGB: Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag
Absatz 1: Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Außerdem wurde aus Sicht der Erfurter Richter die nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt, weil dem Arbeitnehmer die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert wurde.
VAA-Praxistipp
Im Ergebnis erklärte das BAG die Verbindung der Bonuszahlung mit der Stichtagsklausel für unwirksam. Arbeitgeber müssen die Honorierung der erbrachten Arbeit einerseits und die Anreize für künftige Betriebstreue andererseits in Zukunft also in separate Zahlungszusagen aufteilen. Sonderzahlungen mit Mischcharakter sind nicht mehr möglich. VAA-Mitglieder, in deren Arbeitsverträgen eine solche Sonderzahlung vereinbart ist, sollten sich an die Juristen des Verbandes wenden.