Arbeit: Vom Faktor zur Ressource
Deutschland ist ein Land der Forscher und Entwickler. Damit dies so bleibt, müssen wir auf zwei Gebieten schnellstens aktiv werden: Zum einen sollte Deutschland sich für Zuwanderer herausputzen. Es muss begehrenswert sein, in Deutschland arbeiten zu können. Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat von einer „Willkommenskultur“ gesprochen. Sie müssen wir noch entwickeln. Dann können wir Hochqualifizierte ins Land locken. Zum anderen muss mit noch höherer Dringlichkeit das Bildungssystem deutlich verbessert werden. Was an Potential im hier lebenden Nachwuchs schlummert, muss gehoben werden. Sonst versinkt dieser Schatz unwiderbringlich im Trödel und Strudel mittelmäßig zugebrachter Schul- und Studienjahre. Bei der Bildungspolitik geht es um Berufsqualifikation. Aber nicht nur: Auch die Fähigkeit, bis zu den Grundlagen des Fachs vorzudringen, muss gesichert werden.
Deutschland steuert indessen auf einen massiven Fachkräftemangel zu. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft Köln fehlen in vier Jahren rund 220.000 Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler. Der Fachkräftemangel ist kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem. Sogar im Krisenjahr 2009 bezifferte das Institut den Wertschöpfungsverlust durch fehlende Fachkräfte auf 15 Milliarden Euro.
In einer weiteren Studie kommt das amerikanische Forschungsinstitut ‚Population Reference Bureau‘ zu dem Ergebnis, dass Großbritannien bis 2050 mit 77 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land sein wird, gefolgt von Frankreich. Deutschland fällt demnach mit etwas über 71 Millionen Einwohnern auf Rang drei zurück. Damit könnte einhergehen, dass sich das Kräfteverhältnis in der Europäischen Union verschiebt. Mehr junge, taten-durstige Einwohner schaffen mehr Bruttosozialprodukt ... zwar nicht unbedingt: Aber jedenfalls dann, wenn die Produktivität annähernd vergleichbar ist. Klar ist, derzeit gehört der Standort Deutschland zu den wertschöpfungsintensivsten und produktivsten. Aber: Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit können nur mit einer ausreichenden Zahl an gut ausgebildeten und motivierten Fachkräften erhalten werden. Jedes Mal, wenn eine Stelle nicht besetzt werden kann, verursacht dies unmittelbar Wohlstandsverluste. Mittelfristig kann das sogar zu Arbeitsplatzverlusten führen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Zumindest jeder hochwertige Arbeitsplatz, der von zugewanderten Fach- und Führungskräften besetzt werden kann, hat positive Folgewirkungen für den Arbeitsmarkt. Intelligente Zuwanderungspolitik ist kein Nullsummenspiel, das muss uns endlich klar werden!
In Deutschland stehen Bevölkerung und Politik einer nach ökonomischen Kriterien gesteuerten Zuwanderung jedoch nach wie vor distanziert gegenüber. Deutschland hat die Ausnahmeregelung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den Beitrittsstaaten der EU vom 1. Mai 2004 bereits voll ausgeschöpft. Erst Ende April 2011 erhalten Arbeitnehmer aus Ost- und Mitteleuropa endgültig freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Derzeit wird im Vorfeld dieses Öffnungstermins von einigen Seiten die Angst geschürt, dass Einwanderer den deutschen Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor Arbeitsplätze wegnehmen. So vermischt sich der Mangel an qualifizierten ausländischen Spezialisten mit der Angst vor steigender Arbeitslosigkeit in ganz anderen Segmenten des Arbeitsmarkts. Dessen Abschottung gegen ausländische Beschäftigte führt jedoch nicht zu mehr Beschäftigung einheimischer Arbeitnehmer. Im Gegenteil: Zuwanderungspolitik, die sich am Bedarf des Arbeitsmarkts orientiert, schafft mehr wirtschaftliche Dynamik und somit mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und Wohlstand für alle.
Damit Deutschland auch in Zukunft ein Land der Forscher und Entwickler bleibt, müssen wir aber auch unserem eigenen Nachwuchs bessere Ausbildungschancen bieten. Das deutsche Bildungssystem muss nachhaltig verbessert werden. Darüber hinaus müssen ältere Arbeitnehmer besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir können es uns nicht erlauben, auf ihre Kenntnisse und Erfahrungen zu verzichten.
Angesichts der zusehends limitierteren „Ressource Arbeitskraft“ werden die Personalabteilungen an strategischer Bedeutung in der Unternehmensführung gewinnen. Wurde die Personalstrategie bisher meist von der Unternehmensstrategie abgeleitet, könnte ich mir gut vorstellen, dass sich dies in naher Zukunft – notgedrungen - umkehren könnte.
Die Ressource Personal wird knapp. Höchste Zeit also, dass wir gemeinsam, weltoffen, nachhaltige Lösungen erarbeiten.
Ihr Thomas Fischer