Handelsstreit mit China: teures Wettrüsten
Auf Actio folgt Reactio. Von Isaac Newton als physikalisches Gesetz formuliert, beweist diese einfache Formel auch bei zwischenstaatlichen Handelsstreitigkeiten allzu oft ihre Gültigkeit. Ein Land sieht die heimische Wirtschaft durch Produkte von außerhalb bedroht und erhebt Strafzölle. Der so gescholtene Staat dreht den Spieß um und ergreift seinerseits protektionistische Maßnahmen. Und sei es nur, um eine Drohkulisse aufzubauen oder Verhandlungsmasse zu generieren. So geht es weiter und wer angefangen hat, spielt am Ende kaum noch eine Rolle. In dieser Hinsicht unterscheiden sich internationale Handelsstreitigkeiten nicht von Schulhof-Raufereien.
Zuletzt hat China, offenkundig als Reaktion auf die von der EU beschlossenen Strafzölle auf chinesische Solarmodule, so genannte Anti-Dumping-Zölle auf EU-Importe der Chemikalie Toluidin angekündigt. Dass es sich dabei keineswegs um eine Bagatelle handelt, zeigen nicht zuletzt die Kursverluste, die kurz nach der Ankündigung der Chinesen bei den großen Chemie-Unternehmen im DAX zu verzeichnen waren. Kein Wunder: China ist der größte Chemieverbraucher der Welt und nach wie vor Nettoimporteur bei chemischen Erzeugnissen. Nach Schätzungen des VCI wird das Reich der Mitte bis 2030 auf der Exportrangliste der deutschen Chemie vom heutigen Platz elf auf Platz drei vorrücken.
In dieser globalisierten und sich weiter globalisierenden Weltwirtschaft bewirken protektionistische Maßnahmen mittelfristig vor allem eines: Sie richten volkswirtschaftliche Schäden an. Der Niedergang der deutschen Solarbranche ist für die betroffenen Arbeitnehmer zweifellos äußert schmerzhaft. Aber Schutzzölle auf chinesische Solarmodule werden am Ende zur Folge haben, dass auch die Maschinen zur Produktion von Solarmodulen bald nicht mehr in Deutschland gebaut werden, weil sie ihrerseits mit chinesischen Strafzöllen belegt werden.
Eine sinnvolle Wirtschaftspolitik kann nicht in dem Versuch bestehen, die Globalisierung zu stoppen oder zurückzudrehen. Vielmehr ist sie gefordert, deren Auswirkungen zu steuern und abzufedern, um so das wirtschaftliche Wohlergehen möglichst vieler Menschen dauerhaft sicherzustellen. Dass die chinesische Handelspolitik mit ihren Strafzöllen, Subventionen und Exportquoten dafür kein Musterbeispiel liefert, steht außer Frage.
Aber ein wirtschaftspolitisches Wettrüsten mit einer der größten und zugleich dynamischsten Volkswirtschaften der Welt kann die EU nicht gewinnen und schon der Versuch könnte teuer werden. Dauerhafte Schutzzölle animieren große Unternehmen, ihre Produktion stärker direkt vor Ort anzusiedeln, um Zollschranken zu umgehen. Kleine Unternehmen, die sich das nicht leisten können, gehen bankrott. So oder so bleiben europäische Arbeitsplätze auf der Strecke.
Der europäische Wirtschaftsraum ist der größte gemeinsame Markt der Welt. Europa muss sich also von China keinesfalls am Nasenring durch die wirtschaftspolitische Manege führen lassen. Aber Handelspolitik mit Augenmaß und entschlossene Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung im Handelsstreit mit China sind allemal geboten.