Pensionskassenrente: BAG gibt VAA-Mitglied recht
Arbeitgeber müssen Leistungsherabsetzungen der Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) ausgleichen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19.06.2012 entschieden und damit die persönliche Einstandspflicht des Arbeitgebers für eine von ihm zuge
VAA Newsletter: Welche Rolle spielt die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) in der betrieblichen Altersversorgung?
Axler: Über die PKDW, die frühere Pensionskasse der Chemischen Industrie, führt eine große Zahl unterschiedlicher Unternehmen die betriebliche Altersversorgung ihrer Mitarbeiter durch.
VAA Newsletter: Was versteht man unter einer „Leistungsherabsetzung“ der Pensionskasse?
Axler: Im Jahr 2002 geriet die PKDW in eine wirtschaftliche Schieflage – es fehlen 153 Millionen Euro an Deckungsmitteln, um die laufenden Renten zu bezahlen. Der Mitgliederverwaltung blieb nichts anderes übrig, als zu beschließen, vom 01.07.2003 an alle Renten jährlich um 1,4 Prozent zu kürzen, damit die vorhandenen Deckungsmittel wieder der Leistungsverpflichtung entsprachen. Ansonsten wäre die Pensionskasse überschuldet gewesen.
VAA Newsletter: Heißt das, die Pensionskassenrenten dieser Rentner werden aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung nun lebenslang weiter sinken?
Axler: Ja, genau das bedeutet es. Die Zahlbeträge der Renten werden von Jahr zu Jahr geringer. Zusätzlich werden die ohnehin schon verringerten Renten natürlich durch die steigenden Lebenshaltungskosten ausgezehrt. Das BAG hat nun entschieden, dass der Arbeitgeber in Höhe der ursprünglich zugesagten Pensionskassenrente nach § 1 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) haftet und die entstehenden Lücken schließen muss. Diese Vorschrift bestimmt, dass ein Arbeitgeber auch dann für die von ihm zugesagte Betriebsrente haftet, wenn er einen mittelbaren Durchführungsweg wählt, also zum Beispiel eine Pensionskasse, eine Direktversicherung, eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds.
VAA Newsletter: Im Gesetz ist also geregelt, dass der Arbeitgeber die Differenzen ausgleichen muss. Warum musste darüber erst das BAG entscheiden?
Axler: Die Rechtsfrage erscheint einfach, ist aber durchaus kompliziert. Der Arbeitgeber sagt die Altersversorgung nach Maßgabe der Satzung der Pensionskasse zu. Die Pensionskasse wiederum hat in ihrer Satzung die Möglichkeit vorgesehen, unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen herabzusetzen. Die Arbeitgeberseite meinte nun, wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Satzung einer Pensionskasse zusagt, gelte dieses in der Satzung enthaltene Leistungsherabsetzungsrecht auch für ihn.
Es sei sozusagen in der Zusage enthalten, so dass die Zusage jedenfalls erfüllt werde – auch im Falle der Leistungsherabsetzung. Mit anderen Worten: Es gebe keine Diskrepanz zwischen Zusage und Leistung, so dass auch keine Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Absatz 1 Satz 3 BetrAVG in Betracht komme.
VAA Newsletter: Was hat das BAG zu dieser Argumentation gesagt?
Axler: Das BAG hat – wie zuvor auch schon das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg und das Hessische Landesarbeitsgericht – ausgeführt, dass das Leistungsherabsetzungsrecht der Pensionskasse, welches in der Satzung verankert ist, nicht Gegenstand der Zusage des Arbeitgebers ist, auch wenn die Zusage eine dynamische Inbezugnahme der Satzung der Pensionskasse enthält. Die Inbezugnahme erstreckt sich nicht auf die Satzungsbestimmung, die der Pensionskasse das Recht gibt, Leistungen herabzusetzen.
VAA Newsletter: Wie beurteilen Sie die Entscheidung des BAG?
Axler: Die Rechtsauffassung des BAG ist folgerichtig. Das Betriebsrentengesetz schützt die Anwartschaften des Arbeitnehmers. Es besteht in diesem Bereich keine absolute Vertragsfreiheit. Der Arbeitgeber haftet nach § 1 Absatz 1 Satz 3 BetrAVG im Falle von mittelbaren Durchführungswegen wie Pensionskassenzusagen genauso, als hätte er eine unmittelbare Zusage in Form einer Firmenrente erteilt. Auch bei einer unmittelbaren Zusage der betrieblichen Altersversorgung kann der Arbeitgeber die Leistungen an die Rentner nicht wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kürzen. Einen Widerrufsvorbehalt in Form eines solchen Leistungsherabsetzungsrechts könnte er nicht wirksam in seiner Versorgungszusage vereinbaren. Da § 1 Absatz 1 Satz 3 BetrAVG die mittelbaren Durchführungswege der unmittelbaren Zusage gleichstellen will, kann dem Arbeitgeber ein solches Leistungsherabsetzungsrecht erst recht nicht zustehen, wenn ein von ihm ausgewählter mittelbarer Träger wie die Pensionskasse in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.
Das vollständige Interview mit Dr. Ingeborg Axler erscheint in der August-Ausgabe des VAA Magazins.