Dr. Wilfried Rattke - Das Gewicht der Worte
Sie fängt den Blick beim Betreten des Büros sofort ein und lässt ihn nicht mehr frei – eine mechanische Waage im Milligramm-Bereich, ein Wunderwerk der Technik. Symbolhaft mahnt sie, gerade die Worte gut zu wägen. Und Dr. Wilfried Rattke weiß aus eigener Erfahrung um das Gewicht der Worte.
In Radebeul geboren und aufgewachsen, war es für ihn klar, dass er zum VEB Arzneimittelwerk Dresden gehen würde. Nach einer Ausbildung als Laborant studierte er in Halle an der Saale im damals neuen Studiengang Biochemie. Es war genau das, was er wollte. Die anschließende Promotion eröffnete ihm erstmals „Westkontakte“. An der Uni konnte und wollte er letztlich nicht bleiben. Das hätte Konsequenzen zur Folge gehabt, die es zu vermeiden galt. So ging es wieder zum AWD, in die Forschung und Entwicklung, zunächst als Labor- später als Forschungsgruppenleiter.
Bürgerbewegung im Betrieb
Mit der Wende kam dann auch die Möglichkeit für politisches Engagement: „Betriebsräte gab es nicht – deshalb haben wir eine Bürgerbewegung im Betrieb gemacht“, erklärt er seinen Weg in den Belegschaftsrat. Hier bot sich die Gelegenheit, als basisdemokratisch gewählter Vertreter an allen Leitungssitzungen teilzunehmen. Da es neben den Werksleitungen auch jeweils parallel Parteileitungen gab, musste man in den Wendetagen dieses aus der DDR stammende System grundlegend verändern.
Gleich 1990, bei den ersten Wahlen nach dem Betriebsverfassungsgesetz, wurde Dr. Rattke in den Betriebsrat gewählt. Die Herausforderung bestand zu Beginn insbesondere darin, ein angemessenes Vorgehen zu finden, um mit den Mitarbeitern, deren enge Verbindungen zur Staatssicherheit bekannt waren, berechenbar und eindeutig umzugehen.
Das AWD meisterte die Umstellung auf die westliche Wirtschaftsweise mit unorthodoxen Marketingmethoden, die die Kunden auch als Menschen im Focus hatten.
Dr. Wilfried Rattke wurde dann Abteilungsleiter der Biochemischen Forschung und schließlich Leiter der Geschäftsentwicklung mit Zuständigkeit für das Portfolio. Dies alles bei immer wieder wechselnden Eigentümer. Vor einem Jahr stand nach Umstrukturierungen im Unternehmen die Beförderung zum Leitenden Angestellten an. Damit gingen die 17 Jahre Tätigkeit im Betriebsrat zu Ende.
Natürlich war Dr. Rattke zu DDR-Zeiten Mitglied des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) gewesen – allein schon wegen des einigermaßen gesicherten Urlaubsplatzes für die Familie mit den inzwischen drei Kindern. Über die automatische Übernahme in die IG BCE nach der Wende war er gar nicht begeistert und trat 1991 in den VAA ein. Gerne denkt er noch heute an die Hilfe der VAA Werksgruppe aus der „Patenfirma“ Knoll AG zurück. Die Informationen und Schulungen das VAA haben ihm bei seiner Betriebsratsarbeit immer viel geholfen.
Als größten Erfolg sieht Dr. Rattke die Etablierung von Bonuszahlungen für den AT-Bereich bei AWD an – und das trotz fehlenden Manteltarifvertrags im Osten! Als Maxime und Anregung aus seiner Betriebsratsarbeit sieht er: „Man ist geneigt, sich erst mal aufzuregen. Doch Lösungen zu finden und Verantwortung zu übernehmen, das finde ich gut!“