Compliance: Pfeifen verpfeifen?

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wird sich auf das Verhältnis der zweiten Leitungsebene zu Vorstand und Aufsichtsrat auswirken

Abzuwarten bleibt, inwieweit der Prüfungsausschuss sich selbst unmittelbar Informationen aus dem Unternehmen beschaffen darf oder sogar muss. Der Vorstand seinerseits muss das Unternehmen so organisieren, dass nicht gegen betriebsbezogene Pflichten verstoßen wird. Risiken, die den Bestand des Unternehmens gefährden können, müssen frühzeitig erkannt werden.

Das verlangt § 91 Abs. 2 AktG. Nach § 130 Ordnungswidrigkeitsgesetz kann die Verletzung dieser Organisationspflichten mit erheblichen Bußgeldern geahndet werden. Eine effektive Compliance-Organisation ist deshalb sicherzustellen.

Als Reaktion auf mehrere Gammelfleischskandale, bei denen ganz offensichtlich erheblich gegen das Lebensmittelrecht verstoßen worden war, befasste sich der Bundestag im vergangenen Jahr mit der Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts und der Einführung eines „Whistleblowing-Paragrafen“. Der Entwurf für einen Paragraf § 612a BGB war umstritten. Er wollte einem Arbeitnehmer, der auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung war, dass im Betrieb oder einer betrieblichen Tätigkeit gesetzliche Pflichten verletzt werden, das Recht geben, sich zum Beispiel direkt an die Aufsichtsbehörde, die Staatsanwaltschaft oder die Presse zu wenden. Dieser Entwurf ist in den <link http: www.bundestag.de ausschuesse a10 anhoerungen a10_81 index.html external-link-new-window einen externen link in einem neuen>Beratungen des Bundestages stecken geblieben. Experten kritisierten vor allem, dass die Anzeige nicht nur davon abhängen dürfe, welche subjektiven Auffassung der Mitarbeiter von betrieblichen Missstände habe. Rachemotive und Denunziantentum müßten ausgeschaltet werden. Außerdem sei es keineswegs in allen Fällen erforderlich, die Presse einzuschalten.

Umstrittener Whistleblowing-Paragraf

Gleichzeitig machten die Experten darauf aufmerksam, dass die in Großunternehmen zusehends verbreiteten Ethik-Hotlines neu überdacht werden müssten. An der Börse in New York gelistete Unternehmen hatten - ausgelöst durch den Sarbanes-Oxley Act - zuvor vielfach interne Hotlines eingerichtet. Sie forderten die Mitarbeiter zur anonymen Anzeigen von Missständen in den Unternehmen auf. In Europa hatten kurz darauf die Datenschutzbeauftragten der 25 EU-Mitgliedstaaten die Anonymität solcher Whistleblowing-Systeme bemängelt und anderslautende Empfehlungen abgegeben. Dieser Konflikt ganz unterschiedlicher Rechtskulturen, die im us-amerikanischen Recht den Mut zur Anzeige und im europäischen Fall die Feigheit der Flucht in die Anonymität in den Vordergrund stellen, wird durch die aktienrechtliche Verschärfung der Kontrollpflichten des Aufsichtsrats voraussichtlich sehr bald in der Unternehmenspraxis akut und aktuell. Er könnte den Gesetzgeber erneut beschäftigen, wenn als Lehre aus den jüngsten Fällen der Mitarbeiterbespitzelung das angekündigte Arbeitnehmerdatenschutzgesetz in Angriff genommen wird.    

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