Personalpolitik: Jahrzehnt ab 57 neu zu erfinden!
"Das Jahrzehnt von 57 bis 67 muss in der Personalpolitik neu erfunden werden!", rief der 1. Vorsitzende des VAA den Delegierten auf der diesjährigen Tagung des höchsten Verbandsorgans zu. Die Tagung stand im Zeichen des Generalthemas Demografie. Der VAA N
Der demografische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Daran kann kein Zweifel bestehen. Bis 2030 wird die Bevölkerung in Deutschland voraussichtlich schrumpfen. Das Verhältnis der Altersgruppen zueinander wird sich stark verändern. Aus der Pyramide wird die Urne geworden sein. Der absehbare und teilweise schon spürbare Fach- und Führungskräftemangel wird uns deshalb als Dauerthema während der kommenden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, beschäftigen. Wie oft hat man als Lob des Standorts Deutschland gehört: Hier sind die klügsten und kreativsten Köpfe. Das mag auch weiterhin so sein. Nur: Es werden weniger. Was dann? Gibt es womöglich eine kritische Schwelle? Wird die Zahl der nachwachsenden Forscher und Entwickler zu gering, leidet dann notwendigerweise die Qualität und Geschwindigkeit der Entwicklungstätigkeit am Standort Deutschland?
Wenn eine Gesellschaft älter wird, wenn eine Gesellschaft schrumpft, dann kostet es alle Beteiligten bereits einiges an zusätzlicher Kraft, die bestehende wirtschaftliche Dynamik auch nur auf dem erreichten Niveau zu halten. Zusätzliche Dynamik zu entfachen ist jedenfalls eine große Herausforderung. Dennoch sollte gerade auch die Möglichkeit der Produktivitätssteigerung immer mit hoher Priorität vorangetrieben werden. Nüchtern betrachtet stehen darüber hinaus insbesondere drei Möglichkeiten zur Verfügung, neue Ressourcen zu erschließen: Neben der Steigerung der Erwerbstätigkeit der Frauen und einem früheren Berufseinstieg kommt die Steigerung der Erwerbsquote Älterer in Betracht. […] Wir hatten eine Phase Ende der 80er, Mitte der 90er Jahre, da schien es gerecht zu sein, wenn die Älteren den Jüngeren frühzeitig Platz machen. Die Gesellschaft reagierte mit künstlicher Verknappung des Arbeitszeitvolumens auf das große Angebot an Arbeitskraft bei zusehends limitierten Wachstumsmöglichkeiten. Die Chemie vorweg: War es doch unsere Branche, die das Altersteilzeitgesetz quasi erfunden hat. Heute hat sich das umgekehrt. Wer frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheidet, fällt anderen zur Last. Bei den Führungskräften der Chemie sieht man seit einigen Jahren einen deutlich gegenläufigen Trend.
In den vergangenen Jahren ist das durchschnittliche Eintrittsalter der Chemie-Führungskräfte in den Ruhestand kontinuierlich auf zuletzt 62,5 Jahre gestiegen. Das zeigte die jüngst veröffentlichte Pensionärsumfrage des VAA. Dieser allmähliche Anstieg ist aber eben noch lange nicht gleichzusetzen mit einem Konzept, um zusätzliche Dynamik zu entfalten. Wer nicht mehr so früh in Rente darf, mag noch mit der nötigen Gelassenheit ein oder zwei Jahre im Beruf anhängen. Aber er wird die abverlangte Fortsetzung seiner Tätigkeit kaum als neue Herausforderung begreifen. Genau darin wird in Zukunft nicht nur die Kunst, sondern die personalpolitische Notwendigkeit bestehen: Das Jahrzehnt von 57 bis Lebensalter 67 für die Personalplanung ganz neu zu erfinden!
Wer bewirbt sich heute schon in diesem Alter nochmals für einen Aufstieg? Wer wird in eine Personalentwicklungsmaßnahme einbezogen? Wem wird nicht – zwar dezent, aber doch spürbar – bedeutet, dass er kaum mehr mit nennenswerten Gehaltssprüngen rechnen darf? […] Wer wird den heute 45- bis 55-Jährigen sagen: „Wartet mal ab, ganz so schnell geht es nicht mehr voran in eurer Laufbahn?" Wird man den 35- bis 45-Jährigen offen die Illusion nehmen, sie könnten sich auf die Senioritäts-Entlohnungsprinzipien verlassen? Wie wird man die Vorsorgelasten für die Altersversorgung verteilen? Ja, die Fragen können wir inzwischen formulieren. Aber was sind die Antworten? […] Fest steht: Der VAA wird auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Arbeitsbedingungen der Chemie-Führungskräfte alters- und alternsgerecht zu gestalten und die Herausforderungen durch den demografischen Wandel zu meistern.