Kündigung wegen gelöschter Software
Bei der Manipulation von Programmen auf Firmen-Computern ist Vorsicht geboten.
Das Entfernen eines Computerprogramms von einem Firmen-Rechner kann Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sein, so das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG Az. 2 Sa 808/05 vom 17. Januar 2007).
Ein Software-Unternehmen hatte einem Mitarbeiter ein Notebook überlassen. Als es zum Streit wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kam, versuchte das Unternehmen mehrfach fristlos zu kündigen. Es verlangte von ihm außerdem, den Rechner zurückzugeben. Als der Mitarbeiter den Rechner schließlich zurückbrachte, hatte er zuvor das E-Mail-Programm Outlook gelöscht. Informationen in den E-Mails waren daher nicht mehr ohne weiteres zu lesen.
Die fristlose Kündigungen wegen Arbeitsunfähigkeit hielt das in erster Instanz zuständige Arbeitsgericht Zwickau zwar für unwirksam. Aber es sah in der Löschung des Programms einen Grund für eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung. Dagegen legte der Arbeitnehmer Berufung ein: Das Programm sei individuell für seine Person lizenziert gewesen. Er habe das Urheberrecht nicht verletzen wollen, indem er das Programm einem Dritten ohne Lizenz überlässt und urheberrechtlich sei der Arbeitgeber aus seiner Sicht ein Dritter.
Das Sächsische LAG hielt die Berufung für unbegründet. Der Mitarbeiter sei weder genötigt noch berechtigt gewesen, das Outlook-Programm von dem Notebook zu entfernen.
§ 950 BGB Verarbeitung
(1) Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes. Als Verarbeitung gilt auch das Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Gravieren oder eine ähnliche Bearbeitung der Oberfläche.
(2) Mit dem Erwerb des Eigentums an der neuen Sache erlöschen die an dem Stoffe bestehenden Rechte.
Das Gericht sah in dem Aufspielen des Programms auf einen Computer, der Eigentum des Arbeitgebers ist, einen Verarbeitungsvorgang im Sinne des § 950 BGB. Daraus ergebe sich nach § 985 BGB ein Anspruch des Unternehmens gegenüber dem Mitarbeiter auf Herausgabe des Notebooks samt Programm. Die urheberrechtlichen Aspekte hielt das Gericht in diesem Zusammenhang für irrelevant.
Zudem hat der Arbeitnehmer laut Sächsischem LAG vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt, die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Auf dem Notebook hätten sich für den Arbeitgeber relevante E-Mails befunden, auf die nur durch erneutes Aufspielen des Programms zugegriffen werden konnte. Der Kläger sei sich darüber im Klaren gewesen. Er habe das Programm entfernt, ohne Rücksicht auf das berechtigte Interesse des Arbeitgebers zu nehmen, an die Daten zu gelangen.
§ 241 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
VAA-Praxis-Tipp: Das LAG Sachsen hatte in diesem Fall offenkundig keinen Anlass, zu hinterfragen, ob den berechtigten Arbeitgeberinteressen an freiem Zugang zu dienstlichen Informationen in E-Mails nicht auch Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen könnten. Das wäre jedenfalls dann denkbar, wenn der Arbeitnehmer mit Erlaubnis des Arbeitgebers auch private Mails verschicken durfte. Allerdings läge es in einer derartigen Konstellation näher, vor der Rückgabe des Laptops diese Privatmails anstelle des Programms zu löschen. Indessen stellt sich dann das Problem, dass trotz der Löschung die jeweiligen Mailinhalte rekonstruierbar sein könnten. Unklarheiten können insofern vermieden werden, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine ausdrückliche Regelung über die Berechtigung zum Aufspielen und Löschen von Software auf dienstlich überlassene Computer getroffen wird.