Kündigung wegen privater Internetnutzung
Entscheidungen, in denen sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Kündigung eines leitenden Angestellten beschäftigen muss, sind eine Seltenheit. Mit Urteil vom 19.04.2012 (Aktenzeichen 2 AZR 186/11) hatte das BAG Gelegenheit, die Kündigung eines Proku
Ein Abteilungsleiter einer Bausparkasse wurde vom Arbeitgeber durch Rundschreiben und im Rahmen einer Abteilungsleiterbesprechung darauf hingewiesen, dass jegliche private Nutzung von Internet, Intranet und E-Mail untersagt sei. Zugleich verwies der Arbeitgeber darauf, dass auch bei einem einmaligen Verstoß mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie einer Abmahnung oder einer Kündigung zu rechnen sei. Bei einer Überprüfung des Internetzugangs des Arbeitnehmers wurde festgestellt, dass in erheblichem Umfang auf Internetseiten mit pornografischem Inhalten zugegriffen worden war. Aus diesem Grunde kündigte der Arbeitgeber außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Im Kündigungsschutzverfahren räumte der Arbeitnehmer die private Internetnutzung ein. Aufgrund seiner Stellung als Leitender verwies er darauf, dass er keine festen Arbeitszeiten hätte und die Zeit der privaten Internetnutzung wieder „eingearbeitet“ habe. Der Arbeitgeber verwies auf die eindeutige Regelung, die jegliche private Internetnutzung untersagt, und sah aufgrund des Verstoßes des Arbeitnehmers keine Möglichkeit einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit. Er war der Auffassung, dass der Arbeitnehmer auch leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt sei. Daher stellte er auch einen sogenannten Auflösungsantrag. So sollte das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, ohne dass es auf die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung angekommen wäre.
Kündigung wirksam?
Zunächst beschäftigten sich die obersten deutschen Arbeitsrichter mit der fristlosen Kündigung. Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Das Besondere am Fall war die Tatsache, dass es sich beim Arbeitnehmer um einen leitenden Angestellten handelte. Mangels konkret festgelegter Arbeitszeit sei nicht feststellbar, dass die Privatnutzung zu einer Vernachlässigung der Arbeitspflichten geführt habe, so die Erfurter Richter. Der Leitende habe plausibel dargelegt, dass er seine Pausen frei gestalten könne und etwaige ausgefallene Arbeitszeiten in Abendstunden oder am Wochenende ausgeglichen hätte. Aufgrund seiner Stellung als Leitender konnte der Arbeitgeber somit keine Vernachlässigung von Arbeitspflichten nachweisen. Im Hinblick auf den Pflichtverstoß gegen das grundsätzliche Verbot der privaten Internetnutzung kam das BAG zum Ergebnis, dass eine Abmahnung im Verhältnis zu einer Kündigung ein milderes Mittel darstelle. Aufgrund der Steuerbarkeit des Arbeitnehmerverhaltens sei damit zu rechnen, dass zukünftig die private Nutzung des Internets unterlassen werde.
Auch die vorzunehmende Interessenabwägung führe laut BAG dazu, dass die Abmahnung als milderes Mittel einer Kündigung vorzuziehen sei. Nahezu fünfzehn Jahre hat der Leitende ohne jegliche Beanstandungen gearbeitet. Aufgrund seiner hervorgehobenen Position konnte er zu Recht davon ausgehen, dass bei ihm eine private Nutzung des Internet in gewissem Umfang hingenommen werde und dies allenfalls zu einer Abmahnung führen könne. Der Arbeitgeber selbst hat in seinem Rundschreiben offengelassen, ob als arbeitsrechtliche Konsequenz eine Abmahnung oder Kündigung erfolge. Mangels der erforderlichen Abmahnung ist auch eine fristgemäße Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist gescheitert.
Auflösungsantrag wirksam?
Ein Auflösungsantrag seitens des Arbeitgebers ohne Begründung ist gemäß §§ 14 Abs. 2, 9 Abs. 1 KSchG möglich, wenn es sich um einen zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigten Leitenden handelt. Hierbei muss es sich jedoch um eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern handeln oder um eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer, auf die sich diese Befugnis bezieht. Ein Auflösungsantrag führt zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach einer in § 9 KSchG festgelegten Formel gegen Zahlung einer Abfindung, ohne dass es eines Kündigungsgrundes bedarf. Vorliegend hatte der Arbeitnehmer die Befugnis zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von 45 Mitarbeitern, was angesichts der Gesamtmitarbeiterzahl der Bausparkasse von 110 Mitarbeitern erheblich war. Die Einstellung und Entlassung durfte der Arbeitnehmer ohne jegliche Weisung oder Genehmigung von Vorstandsmitgliedern vornehmen. Im Ergebnis nahm die Personalverantwortung auch einen wichtigen Teilbereich seiner Führungsaufgaben ein.
Fazit: Abmahnung hat Vorrang
Auflösungsanträge sind selten erfolgreich, weil bei Leitenden in der Regel keine selbstständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vorliegt. Interessant sind somit die Ausführungen des BAG zur freien Zeiteinteilung von leitenden Angestellten und die Feststellung, dass auch für Führungskräfte keine anderen Maßstäbe bei Verstößen gegen Nutzungsregelungen des Internets gelten. Der Vorrang der Abmahnung gilt auch für diese Arbeitnehmergruppe.