Schwarz und Gelb werden sich nicht grün
Deutschland, ein Wintermärchen. Klirrende Kälte, vereiste Seen. In den Wohnungen laufen die Heizungen auf Hochtouren. Auch die Industrie produziert fleißig und kurbelt das Wachstum an. Man staunt ein wenig. Nicht nur wegen der Kardinalkrise um den Euro. Vielmehr freut es, dass angesichts des auf der Überholspur vollzogenen Atomausstiegs die Netze immer noch halten. Der scheidende Präsident der Bundesnetzagentur Matthias Kurth spricht sogar von Fortschritten beim Ausbau der Leitungen. Außerdem wird hierzulande nach wie vor mehr Strom produziert als verbraucht. Trotz sibirischer Temperaturen.
Fast schon grotesk mutet es an, dass phasenweise Deutschland das kernkraftfixierte Frankreich energetisch subventioniert, was allerdings mehr auf die gallischen Heizgewohnheiten und auf das Winterwetter zurückzuführen ist. Allerdings wird auch bei uns bereits die kalte Reserve angezapft. Versorgungssicherheit sieht anders aus. Und künftig wird unsere Stromversorgung noch volatiler. Darum kommt es umso mehr auf eine handlungsfähige Energiepolitik an. Doch die ist leider nicht in Sicht.
Nehmen wir das Beispiel der von der Kanzlerin vormals als Traumkoalitionspartner – wie es im Rückblick scheint: sirenenhaft – besungenen FDP: Einstmals ausgestattet mit einem sensationellen Wahlergebnis finden die Liberalen nur zweieinhalb Jahre nach der – gefühlte Ewigkeiten zurückliegenden – Bundestagswahl einfach nicht aus ihrer existenziellen Krise heraus. Ob Gesundheit, Europa oder Energie: Auch dem neuen Vorsitzenden Rösler ward keine Fortune beschieden. Nicht als Parteichef und nicht in seinem „Kernamt“ als Bundeswirtschaftsminister. Was fehlt, sind nicht allein Konzepte, sondern vor allem Glaubwürdigkeit und Beharrlichkeit. Erst kürzlich bezeichnete der Minister die schwarz-gelbe Energiepolitik als einen „Dreiklang der Vernunft“. Nur: Was in der Musik wohl klingen mag, erschallt in der Politik schnell dissonant.
Angesichts unzähliger Volten im Ringen um das Energiekonzept vor und nach Fukushima lässt sich Röslers Aussage, Schwarz-Gelb habe die „naive Energiepolitik“ der Vorgängerregierungen beendet, schwer nachvollziehen. Gerade jetzt geht es darum, den Netzausbau schnellstmöglich voranzutreiben und wachsenden Widerständen in der Bevölkerung durch eine klare Kommunikation vorzubeugen. Doch die für die Umsetzung der Energiewende maßgeblich verantwortlichen Minister Rösler und Röttgen streiten beherzt, etwa über eine sogenannte Abschaltverordnung und die damit verbundene Prämie für die auf Versorgungssicherheit angewiesene Industrie. Diese wäre vernünftig. So könnten Industriebetriebe für Notfallabschaltungen mit bis zu 60.000 Euro pro Megawatt kompensiert werden. Doch ob die Prämie kommt, ist unklar.
Ähnliches gilt für die EU-Energieeffizienzrichtlinie. Die koalitionsinternen Gefechte übertönen fast schon die Opposition. Kaum scheint ein Kompromiss im Regierungslager in Sichtweite zu sein, wird dieser an einer anderen Stelle torpediert. Im Vorfeld der Verabschiedung der Energieeffizienzrichtlinie prangerte ausgerechnet der dem Unionslager entstammende EU-Energiekommissar Oettinger lautstark das Fehlen einer kohärenten deutschen Energiepolitik an. Aber Zwist herrscht nicht nur zwischen Schwarz und Gelb, die sich partout nicht grün werden können. Nein, auch innerhalb der drei Parteien – die CSU vergisst man bei diesem Thema leicht, aber auch sie vermag, den ein oder anderen rhetorischen Säbelhieb zu setzen – beharken sich die einzelnen Parteiflügel.
Dass es auch anders gehen kann, beweist die Rohstoffpolitik. Hier haben etwa ein Dutzend deutsche Unternehmen, darunter auch die BASF, Evonik Industries und die Wacker Chemie, ihre Kräfte gebündelt und mit dem Aufbau einer Allianz zur Rohstoffsicherung begonnen. Durch die Beteiligungen an Rohstoffprojekten soll die Rohstoffversorgung langfristig verbessert werden, so der BDI, unter dessen Ägide die Allianz angesiedelt ist. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken und Schwankungen an den Rohstoffmärkten vorzubeugen, ist dies ein Schritt in die richtige Richtung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass bald eine Elefantenhochzeit ungeahnten Ausmaßes anstehen könnte, und zwar zwischen dem weltgrößten Rohstoffhändler Glencore und dem Bergbaugiganten Xstrata. Vorausgesetzt, die Wettbewerbshüter billigen den Zusammenschluss, würde der neue Rohstoffriese den Zugang zu einem beträchtlichen Teil des globalen Rohstoffmarktes kontrollieren – von der Förderung über den Transport bis zum Verkauf. Aus Sicht der Rohstoffverbraucher – der Industrie – eine problematische Entwicklung.
In diesem Zusammenhang ist die kürzlich erfolgte Unterzeichnung der Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und Kasachstan als realpolitische Vorkehrung wichtig. Im Austausch für einen Wissens- und Technologietransfer profitieren deutsche Unternehmen künftig von der Erschließung und Verwertung kasachischer Rohstoffe. Übrigens haben in dieser Frage Kanzlerin und Wirtschaftsminister eine beispielhafte Einigkeit an den Tag gelegt. Schwarz und Gelb könnten also durchaus „liefern“, wenn sie denn wollten.