Energiewende: Gegenwind aus Brüssel
Es war wahrlich kein glänzender Start für die neue Bundesregierung. Seit Jahresbeginn beherrscht das Gezänk um Vorratsdatenspeicherung, Mindestlohn, Armutszuwanderung und Elternteilzeit die Schlagzeilen. Sigmar Gabriel, der als neuer Superminister für Wirtschaft und Energie vor allem die Energiewende in die richtigen Bahnen lenken soll, hob sich da mit seiner ungewohnten Zurückhaltung geradezu wohltuend von einigen seiner Kabinettskollegen ab. Er beschränkte sich auf die Ankündigung, bis Ostern ein Konzept für eine Reform der Energiewende vorlegen zu wollen.
Nun kommt allerdings vorzeitig Bewegung in die Sache. Denn die Europäische Kommission plant offenbar eine drastische Kehrtwende in der Energiepolitik: 2008 hatte die EU beschlossen, bis 2020 bei der Einsparung von Treibhausgasen, dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz jeweils ein verbindliches Ziel von 20 Prozent vorzugeben. Nun plädiert EU-Kommissionspräsident Barroso dafür, nach 2020 nur noch die Verringerung der Treibhausgasemissionen als verbindliches Ziel beizubehalten.
Damit geht die Kommission auf Konfrontationskurs zu deutschen Bundesregierung. Zwar fordert auch Deutschland eine Beibehaltung des verbindlichen Emissionsziels und sogar eine Anhebung auf 40 Prozent. Der Weg dahin ist durch die Energiewende aber klar auf den weiteren Ausbau der Erneuerbaren und die Steigerung der Energieeffizienz festgelegt. Anderen EU-Ländern stehen die alternativen Wege zum Klimaschutz – Atomstrom und die Abscheidung von Kohlendioxid aus den Abgasen von Kohlekraftwerken – dagegen politisch durchaus zur Verfügung.
Wenn die Chancen auf ein globales Klimaschutzabkommen gewahrt werden sollen, muss Europa Vorreiter beim Klimaschutz bleiben. Gleichzeitig brauchen alle europäischen Länder eine Energiepolitik, die Versorgungssicherheit sowie bezahlbare und wettbewerbsfähige Preise sicherstellt. Dass diese Ziele auch ohne Atomstrom erreicht werden können, will Deutschland mit der Energiewende unter Beweis stellen – und gibt dabei bislang kein gutes Bild ab. Die Strompreise für die Verbraucher steigen durch das EEG immer weiter und gerade erst hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis nach der Katastrophe von Fukushima rechtswidrig war. Der Betreiber RWE kann auf eine Entschädigung in dreistelliger Millionenhöhe hoffen, im schlimmsten Fall drohen dem Bund durch weitere Klagen dieser Art Schadensersatzzahlungen im zweistelligen Milliardenbereich.
Sollte sich die EU-Kommission mit ihren Plänen durchsetzen, dürfte sich das als zusätzliche Herausforderung für die deutsche Energiepolitik erweisen. Denn der Standort Deutschland muss auch innerhalb Europas konkurrenzfähig bleiben. Offenbar hat die Bundesregierung den Ernst der Lage erkannt: Sigmar Gabriel will nun schon in der kommenden Woche seine Pläne für die Korrektur Energiewende vorstellen. Es ist an der Zeit.