Neutrale Stellenausschreibung: Der kleine Unterschied
Der Begriff „Geschäftsführer“ ist keine geschlechtsneutrale, sondern eine männliche Berufsbezeichnung, die das Gebot zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verletzen kann. Das entschied das Oberlandesgerich
Ein mittelständisches Unternehmen hatte unter der Überschrift „Geschäftsführer gesucht“ eine Geschäftsführungsposition ausschreiben lassen. Auf die Ausschreibung bewarben sich 85 Personen, darunter vier Frauen. Als die Stelle mit einem Mann besetzt wurde, forderte eine der erfolglosen Bewerberinnen von dem Unternehmen eine Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung.
Das Landgericht Karlsruhe (LG) lehnte die Klage ab. Allein die Überschrift „Geschäftsführer“ begründe ohne weitere Anhaltspunkte keinen Verstoß gegen die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung. Zudem sei die Vermutung einer Benachteiligung dadurch widerlegt, dass zumindest eine Frau zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei.
Die Bewerberin legte gegen das Urteil vor dem Oberlandgericht Karlsruhe (OLG) Berufung ein und bekam eine Entschädigung in Höhe von etwa 13.000 Euro zugesprochen (Urteil vom 13.09.2011, Az. 17 U 99/10). Die Richter des OLG stellten fest, dass die Stellenausschreibung nicht den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genügt hatte. Der Begriff „Geschäftsführer“ sei eindeutig männlich und weder durch den Zusatz „/in“ noch durch die Ergänzung „m/w“ erweitert worden. Es handele es sich auch nicht um einen geschlechtsneutralen Oberbegriff. Die somit nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung stelle ein Indiz dar, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lasse.
§ 1 AGG: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 22 AGG: Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Entsprechend der Beweislastumkehr nach § 22 AGG hätte das Unternehmen deshalb nachweisen müssen, dass das Geschlecht bei der Auswahlentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt hat. Dass eine andere Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war und das Unternehmen die mangelnde fachliche Eignung der Klägerin als Grund für die Ablehnung benannt hatte, reichte aus Sicht des OLG nicht aus, um die Vermutung einer Benachteiligung zu widerlegen. Vielmehr bestehe die Möglichkeit, dass das Geschlecht der Bewerberin bei der Auswahlentscheidung – neben anderen Gründen – als Teil eines „Motivbündels“ trotzdem eine Rolle gespielt habe.
§ 15 II AGG: Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Die Anwälte des Unternehmens hatten zudem angeführt, dass Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Bewerbung vorlagen, die nur auf die Erlangung einer Entschädigung ausgerichtet war. Die Richter des OLG stellten zwar klar, dass ein Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG ausgeschlossen ist, wenn sich die Bewerberin oder der Bewerber subjektiv nicht ernsthaft um die Stelle beworben hat oder objektiv für die Stelle nicht in Betracht kam. Hierfür habe das Unternehmen aber keine ausreichenden Indizien darlegen können.
VAA-Praxistipp
Das OLG hat in seinem Urteil betont, dass an Stellenausschreibungen aus rechtlicher Sicht andere Anforderungen gestellt werden können als an die Alltagssprache. Begriffe, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig noch als geschlechtsneutrale Oberbegriffe gebraucht werden, können als Teil einer Stellenausschreibung eine geschlechtsbezogene Benachteiligung im Sinne des AGG darstellen.