Luxus Wasser
Reden wir übers Wasser. Warum? Das Internationale Jahr der Chemie 2011 ist angebrochen. Und Wasser wurde als Thema eines „globalen Experiments“ ausgerufen. Die International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), die UNESCO und DOW sind die Partner, die das Internationale Jahr der Chemie fördern. Der VAA beteiligt sich am Forum Chemie in Deutschland, dem Kreis, der die Aktivitäten zum Jahr der Chemie in Deutschland trägt und koordiniert.
Wasser als Thema, ist das nicht schlicht? Gerade darum: Es ist schlicht überlebensnotwendig. Und verdammt knapp! 97 Prozent allen Wassers auf der Erde ist salzig. Von den verbleibenden drei Prozent des Süßwasservorkommens wiederum ist nur ein Drittel leicht zugänglich, weil rund 70 Prozent in den Eiskappen der Pole gefroren ist.
In Deutschland ist Wasser stets trinkfrisch und reichlich aus dem Hahn über der Spüle oder der Wanne zu haben – die absolute Ausnahme im Weltmaßstab. Für 47 Prozent der Menschheit im Jahr 2030 wird das Wasser nach Vorhersagen der OECD knapp oder versiegen. Fast die Hälfte aller Menschen sollen also in Zukunft Durst leiden, in der Dürre Mißernten einfahren und von Seuchenkeimen in verschmutzem Wasser dahingerafft werden; denn in den Entwicklungsländern kommt nur die Hälfte der Bevölkerung in den Genuss zureichender sanitärer Infrastruktur. 18 Prozent der Weltbevölkerung –1,2 Milliarden Menschen – können noch nicht einmal die Spülung nach verrichteter Notdurft ziehen. Diarrhoe kostet im Jahr rund 1,8 Millionen Menschen das Leben, 90 Prozent davon sind Kinder unter 5 Jahren. Wassermangel birgt also jede Menge soziales Konfliktpotential.
Dabei sind Wasseraufbereitung und der Einsatz effizienterer Bewässerungsanlagen in der Landwirtschaft technisch für die Chemische Industrie alles andere als unlösbare Probleme. Die Menschlichkeit gebietet Hilfe, die Wirtschaftlichkeit lädt zum Einsatz ein, zeigen doch ernstzunehmende Studien, dass die Verbesserung der Wasserversorgung die Wirtschaftsleistung armer Länder erheblich steigert. Allein, politische Widerstände stehen häufig einer Verbesserung der Wasserversorgung als einem eminenten Problem der Verteilungs- und Ressourcengerechtigkeit entgegen. Wie lange kann sich die Menschheit den Luxus dieser politischen Verteilungskämpfe eigentlich noch leisten?
Wasserknappheit: Nicht bei uns. Nicht zur Zeit. Nein, zur Zeit schon gar nicht. Die Mosel, das deutsche Eck in Koblenz, der Rhein, die Flüsse im Osten, überall waren die Spundwände hochgefahren, mancherorts leider Keller überflutet. Dämme werden weich.
Das ist bedrohlich; fleht doch schon der übermütige Zauberlehrling: „Ach, und hundert Flüsse stürzen auf mich ein..., welch entsetzliches Gewässer!“ Wasser kann – Land unter kürzlich auch in Australien, Schlammlawinen in Brasilien – zum Feind des Menschen werden. Doch allermeist ist es umgekehrt. Er tut gut daran, Quellen, Seen, Flüsse zu schützen. Zuverlässig!
Das Zusammenspiel von Schneeschmelze und monsunartigen Regenfällen hat vor rund 10 Jahren zum Dammbruch in einer Golderzaufbereitungsanlage in Baia Mare in Rumänien geführt. Etwa 120 Tonnen Cyanide und 20 Tonnen schwermetallhaltiger Sedimente wurden zu Tal geschwemmt – in die Donau. Im Herbst 2010 dann die Rotschlammkatastrophe mit dem geborstenen Haltebecken im ungarischen Kolotar – wieder belastete bauxithaltiger Schlamm die Donau.
All das zwingt zur kontinuierlichen Verbesserung höchster Sicherheitsstandards und vor allem bei internationalen Gewässern dazu, die Internationalen Kommissionen zum Schutz solcher Flüsse zu stärken. Dennoch darf die hohe Aufmerksamkeit, die auf diese Einzelfälle gelenkt wurde, nicht den Blick für die alltäglichen, aber darum in der Summe keineswegs kleineren Gefahren verstellen. 70 Prozent aller industriellen Abfälle in den Entwicklungsländern gelangen unbehandelt ins Abwasser. Hier sind Umwelttechnik und Chemie gewiss dringend gefordert.
Im schnelllebigen Medienzeitalter ohne Kurzzeitgedächtnis dürfen nicht die Maßstäbe verrutschen. Nur dann wird klar, dass die Chemie zwar auch Betreiberin von Produktionsanlagen mit Restrisiken ist, dass sie im Weltmaßstab angesichts der dramatischen Versorgungs- und Ernährungsprobleme durch das Bevölkerungswachstum aber vor allen Dingen zur Lösung dieser Probleme unverzichtbar ist. Müßig zu erwähnen, dass Wohlstand und Innovationskraft am Standort Deutschland ohnehin aufs engste mit der Chemie verknüpft sind.
Ihr
Dr. Thomas Fischer