Kein Hausverbot für Betriebsratsvorsitzenden
Arbeitgeber müssen Betriebsratsvorsitzenden räumlich und zeitlich ungehinderten Zutritt zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten gewähren.
Arbeitgeber dürfen den Betriebsratsvorsitzenden nicht an der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeiten hindern. Nach einem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2.9.2009 (Az. 17 TaBVGa 1372/09) können Arbeitgeber auch durch eine einstweilige Verfügung dazu verpflichtet werden, dem Betriebsratsvorsitzenden jederzeit unbegrenzten Zugang zum Betrieb zu gewähren. Dieses Zutrittsrecht gilt auch im Falle einer laufenden gerichtlichen Anfechtung der Betriebsratswahlen oder individualrechtlichen Freistellung des Betriebsratsvorsitzenden von der Arbeit durch den Arbeitgeber.
Freier Zugang für Betriebsräte
Das LAG entschied in diesem Fall zugunsten eines Betriebsratsvorsitzenden, den die Arbeitgeberin wegen des Verdachts auf Arbeitszeit- bzw. Abrechnungsbetrug zu kündigen beabsichtigt. Vor dem Berliner Arbeitsgericht ersucht sie um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Kündigung. Die Arbeitgeberin hat den Altenpfleger von der Arbeit freigestellt und ihm Hausverbot erteilt. Daraufhin stellte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht den Antrag auf eine einstweilige Verfügung, um den räumlich und zeitlich unbegrenzten Zugang zum Betrieb zu erwirken. Am 3.6.2009 sprach das Gericht dem Betriebsratsvorsitzenden das Zutrittsrecht zu öffentlichen Räumen des Betriebs zu, allerdings nur an zwei Tagen in der Woche zu festgelegten Uhrzeiten. Dagegen schließlich legte der Betriebsrat vor dem LAG Beschwerde ein und bekam recht.
In der Urteilsbegründung bekräftigte das Gericht das Recht der Betriebsratsmitglieder auf ungestörte Amtsausübung gemäß § 78 BetrVG. Damit sie jederzeit die Möglichkeit zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben haben, folgt daraus auch das Recht auf einen zeitlich uneingeschränkten Zutritt zum Betrieb.
Die Einwände der Arbeitgeberin, dass der Betriebsratsvorsitzende nicht mehr zur Arbeit verpflichtet und daher durch die Freistellung sogar wie ein freigestelltes Betriebsratsmitglied zu behandeln sei, ließ das Gericht nicht gelten. Ebenso wenig hielt ihre Auffassung, ein uneingeschränktes Zutrittsrecht könne nicht durch das begehrte Mittel einer einstweiligen Verfügung erzwungen werden, der Prüfung vor Gericht stand. Im Gegenteil, der einstweilige Rechtschutz dient gerade der Anspruchssicherung oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Außerdem sah das LAG den Grund für eine Leistungsverfügung gegeben: Dem Betriebsrat sei es aufgrund der Weigerungshaltung der Arbeitgeberin nicht zuzumuten, auf den Abschluss der Beschwerdeinstanz zu warten, was mindestens ein weiteres halbes Jahr hätte dauern können.
Betriebszutritt trotz laufender Verfahren
Entscheidend für die Bewertung dieses Urteils ist auch die Tatsache, dass der Betriebsratsvorsitzende ein besonderer Ansprechpartner nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber ist. Eine Einschränkung des Zutrittsrechts würde die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer auf irreparable Weise beeinträchtigen. Wohlgemerkt, ein laufendes Zustimmungsersetzungsverfahren oder die Anfechtung der Betriebsratswahl haben keine Auswirkungen auf das Zutrittsrecht, das ausschließlich an die Mitgliedschaft im Betriebsrat gebunden ist. Solange eine Betriebsratswahl nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt wird, genießen Mitglieder des Betriebsrates freien und uneingeschränkten Zugang zu ihrem Betrieb – zeitlich wie räumlich.