Schutz gegen Schädlinge

Wie Pilze Pflanzen überlisten

Von Timur Slapke und Simone Leuschner

Im Herbst erfreuen sich viele Menschen an der Farbenpracht des Waldes. Doch der Zustand der Wälder lässt in Deutschland oft zu wünschen übrig. Aufgrund zunehmender Dürreperioden und ausbleibenden Regens haben Bäume vermehrt mit Trockenheit und starkem Wassermangel zu kämpfen. Entscheidend am Biomassekreislauf eines Waldes sind Pilze beteiligt: Sie fangen an, abgestorbene Bäume und Streu zu zersetzen, was es vielen Insekten erst ermöglicht, die Nährstoffe aus der Biomasse zu nutzen. Aber von Pilzen profitieren umgekehrt auch Schädlinge wie der Borkenkäfer, der ohne Pilzsymbionten nicht überleben kann. Ähnliches gilt für das komplexe Zusammenspiel zwischen Pilzen und Pflanzen in der Landwirtschaft, in der beispielsweise Weizen und Gerste regelmäßig vom Echten Mehltau befallen werden. In der Wissenschaft, im Ackerbau, aber auch in der Industrie wird daran geforscht, Wald- und Nutzpflanzen besser zu schützen.

Den Zustand der heimischen Wälder bezeichnet Dr. Maximilian Lehenberger vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena als dramatisch. „Ein Effekt der verstärkten Trockenheit ist die sogenannte Kronenverlichtung.“ Hier produziert der Baum immer weniger und kleinere Blätter oder Nadeln, um die Verdunstung von Wasser zu minimieren und so vor allem bei Trockenheit Wasser zu sparen. „Das bedeutet aber auch, dass der Baum weniger Photosynthese betreiben kann und dadurch auch weniger Zuwachs – sprich weniger Ertrag im forstwirtschaftlichen Sinne – hat.“

Von den Trockenperioden ist vor allem die Fichte gefährdet. Dank ihrer hervorragenden Materialeigenschaften und ihres raschen Wachstums ist diese Baumart in der Forstwirtschaft und Industrie sehr beliebt – und wurde so schnell zur vorherrschenden Art, was zugleich viele Probleme mit sich brachte. „Ähnlich wie in der Landwirtschaft haben wir es nun mit Fichtenmonokulturen zu tun, was vor allem ein Paradies für Schadinsekten ist“, so Lehenberger. An der Abteilung für Biochemie des MPIs arbeitet der Wissenschaftler in der Projektgruppe Waldkäfer und Freunde. „Im Zuge dieser Monokulturen wurden vor allem zwei der über 100 heimischen Borkenkäfer zu einer großen Gefahr für die Fichte: der Buchdrucker Ips typographus und der Kupferstecher Pityogenes chalcographus.“

Normalerweise befindet sich die Natur in einer Art Gleichgewicht, in dem es unter idealen Bedingungen keine Massenvermehrung von bestimmten Insekten gibt. „So befällt unser bekanntester Borkenkäfer, der Buchdrucker, normalerweise nur geschwächte Fichten, welche ganz natürlich auch vorkommen“, sagt Maximilian Lehenberger. Das sei ein ganz natürlicher Kreislauf. „Er sorgt dafür, dass alte oder geschädigte Bäume aussortiert werden, um so Platz für nachwachsende Bäume zu schaffen. Da die meisten unserer heimischen Wälder aber im Fokus Wirtschaftlichkeit genutzt werden, gibt es dieses Gleichgewicht zumeist nicht mehr.“

Erst durch Fichtenmonokulturen wurde der Buchdrucker also von der Gesundheitspolizei zum Schädling. Lehenberger vom MPI für chemische Ökologie erläutert: „Bei einem Befall durch den Buchdrucker werden einzelne geschwächte Fichten zuerst von den sogenannten Pionierkäfern angeflogen. Diese meist bereits vorab geschädigten Fichten sind durch verschiedene von der Fichte ausgeschüttete Substanzen wie etwa Alpha-Pinen, aber auch durch viele andere Substanzen für die Pionierkäfer sehr attraktiv.“ Diese Käfer können das Alpha-Pinen nun in ein Pheromon umwanden, das cis-Verbenol, mit dem sie viele andere Buchdrucker anlocken. Dies könne zu Massenausbrüchen führen, erklärt Lehenberger, denen die Fichten nichts mehr entgegenzusetzen haben. „Extremereignisse wie Stürme vor allem auch in Kombination mit dem Verbleib von toten und verletzten Fichten im Wald verstärken diesen Effekt zusätzlich massiv.“ Die darauffolgenden Massenausbrüche können demnach verheerende Folgen haben und ganze Waldstriche auslöschen. „Ist ein bestimmter Schwellenwert erreicht, produzieren die Käfer das Anti-Pheromon Verbenon, welches anderen Käfern signalisiert, dass dieser Baum bereits vollständig belegt ist und sie weiter ziehen müssen.“

Immer mit dabei sind verschiedenste Pilze. In einer Studie, erschienen im Fachblatt PLOS Biology, hat ein internationales Forschungsteam unter der Federführung des MPI in Jena nachgewiesen, dass Ips typographus beim Fichtenbefall die von symbiotischen Pilzen verstoffwechselten Abbauprodukte pflanzlicher Abwehrsubstanzen als wichtige chemische Signale nutzt. „Diese Pilze werden vom Buchdrucker selbst mitgebracht und so übertragen“, erläutert MPI-Wissenschaftler Maximilian Lehenberger. „Bisher wissen wir von circa fünf Hauptpilzen, die immer an einem Befall beteiligt sind.“

Diese Pilze sind es, die maßgeblich am Erfolg des Buchdruckers beteiligt sind. Dabei sei die Fichte kein einfacher Gegner, weiß Lehenberger zu berichten. „Sie produziert eine Vielzahl an giftigen Substanzen, um Insekten wie etwa den Buchdrucker in Schach zu halten. Aber die Pilze sind in der Lage, die Abwehr der Fichte zu unterbinden und die giftigen Substanzen zu entgiften.“ Manche dieser Pilze schwächen auch den Baum selbst und fördern so den Erfolg der Käfer.  „Außerdem spielen diese Pilze sehr wahrscheinlich auch eine Rolle bei der Nährstoffversorgung der Käfer, aber auch der heranwachsenden Larven.“ Obwohl das Phloem, also der Lebensraum unter der Rinde, den die Käfer besiedeln, bereits sehr nährstoffreich ist, helfen die Pilze hier sehr. „Sie sind in der Lage, Nährstoffe auch außerhalb der Reichweite der Käfer abzubauen und können diese so über das Myzel zusätzlich den Käfern zuführen.“

Vom Symbionten zum Schädling

Nicht nur in von Borkenkäfern befallenen Wäldern können Pilze eine Bedrohung für Pflanzen sein – auch die Landwirtschaft hat seit jeher mit Schadpilzen zu kämpfen. Pilzkrankheiten wie Echter Mehltau, der zu den obligat biotrophen Pilzen zählt, stellen eine erhebliche Bedrohung für Getreidekulturen wie Weizen und Gerste dar. Oft haben sie verheerende Folgen für die landwirtschaftlichen Erträge. Ein Schlüsselelement zwischen Pflanzen und Echtem Mehltau ist die Interaktion zwischen pflanzlichen Immunrezeptoren und sogenannten Krankheitserregereffektoren. „Effektoren sind Moleküle, die Krankheitserreger in Wirtszellen einschleusen, um eine Infektion auszulösen“, erklärt Yu Cao vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Cao promoviert zurzeit am Institut für Biochemie der Universität zu Köln und beschäftigt sich als Teil eines internationalen Forschungsteams mit dem „molekularen Wettrüsten“ zwischen Effektoren und Immunrezeptoren.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Florian Kümmel hat Yu Cao als Erstautor einer im Fachjournal PNAS veröffentlichten Studie die Strukturen von fünf verschiedenen Effektoren aus zwei verschiedenen Mehltauarten identifiziert, die Gerste und Weizen befallen. „In PNAS haben wir neue molekulare Details charakterisiert, die der RALPH-Avirulenzeffektor-gestützten Infektion durch die Echten Mehltaupilze Blumeria gramminis hordei (Bgh) und Blumeria gramminis tritici (Bgt) und deren Erkennung in Getreidekulturen zugrunde liegen.“ Mit RALPH bezeichnet man RNase-ähnliche Proteine, die mit sogenannten Haustorien assoziiert sind. Letztere sind Saugorgane zur Nährstoffaufnahme, mit denen Pflanzen oder Pilze Wasser oder Nährstoffe von einem anderen Teil des eigenen Organismus oder von einem anderen Organismus aufnehmen.

„Die lokalen Strukturveränderungen im RALPH-Gerüst könnten erklären, warum sich die Effektoren mit verschiedenen Wirtsproteinen verbinden können, um eine Infektion zu ermöglichen“, berichtet Cao. „Da wir die strukturelle Vorlage eines RALPH-Effektors bereits kannten, wollten wir herausfinden, ob wir die Erkennung zwischen Immunrezeptoren und Effektoren in den Fällen manipulieren können, in denen die Divergenz zu einer Immunflucht geführt hatte.“ Ein Faktor sei die natürliche Selektion. „Der Selektionsdruck führt zu einer Diversifizierung der Effektoren und zur Unkenntlichkeit.“

Mithilfe der Röntgenkristallografie – einer Technik, die es ermöglicht, die Positionen von Atomen in einem Molekül anhand der Elektronendichte zu bestimmen – war Caos Team erfolgreich. „Obwohl die Ähnlichkeit zwischen den Effektoren auf der Ebene der DNA-Sequenz sehr gering war, stellten wir fest, dass sie alle eine gemeinsame Strukturfalte namens RALPH aufweisen.“ Die Analyse dieser Strukturen ergab, dass sie ein gemeinsames Gerüst annehmen, das mit dem RNase-Familie T1/F1 geteilt wird. „Nur sechs Aminosäureaustausche reichen aus, um sicherzustellen, dass ein Effektor von einem bestimmten Immunrezeptor erkannt wird.“ Die Analyse weiterer Effektor-Rezeptor-Paare ließ die Studienautoren zu dem Schluss kommen, dass jeder Immunrezeptor weitgehend unterschiedliche Bereiche auf der Oberfläche des entsprechenden Effektors erkennt.

Yu Caos Experimente geben neue Impulse für die Landwirtschaft. „Unsere Arbeit an Effektoren aus strukturellen Superfamilien, die geeignete Ziele für manipulierte Rezeptoren darstellen könnten, wird die Regeln für die Entwicklung neuer resistenter Nutzpflanzen definieren.“ Um die Krankheitsresistenz von Nutzpflanzen zu erhöhen, biete die Entwicklung des pflanzlichen Immunsystems mithilfe transgener und genomeditierender Technologien viele Vorteile gegenüber der konventionellen Züchtung.

Kampf gegen Schadpilze

In den Werkzeugkasten der konventionellen Agrarindustrie gehören speziell für die Bekämpfung von Pilzen entwickelten Fungizide. Wie unterscheiden sie sich von Insektiziden und Herbiziden? „Der wichtigste Unterschied ist die spezifische Wirkung auf Pilzkrankheiten“, erläutert Dr. Andreas Huber von Corteva Agriscience. „In der Regel ist ein zusätzlicher Effekt auf Pflanzen oder Insekten unerwünscht, weil dadurch das Risiko für Nichtzielorganismen steigen kann. In der Pflanzenschutzmittelentwicklung werden derartige Nebenwirkungen systematisch geprüft und sind oft ein Ausschlusskriterium für die Weiterentwicklung eines Wirkstoffs.“ Huber arbeitet seit 1999 in der agrochemischen Industrie. Anfang 2017 wurde er zum Global R&D Leader von DuPont Crop Protection in den USA ernannt und führte die Organisation durch die Fusion mit Dow. Aus diesem Merger ist Corteva Agriscience als eigenständiges und reines Agrarunternehmen entstanden. Seit September 2017 ist der Agrarwissenschaftler in Genf ansässig und leitet die Crop Protection Discovery & Development (CPD&D) Field Science Organisation in der Region EMEA.

Huber zufolge können Fungizide auf Kulturpflanzen in zweierlei Hinsicht wirken: „Erstens als präventive Behandlung, um Pflanzen vor Pilzsporen zu schützen, die nach der Infektion nicht mehr erfolgreich behandelt werden könnten, und zweitens als kurative Applikation nach der Infektion.“ Die Anwendungsstrategie hänge dabei von der Aggressivität des Pilzes sowie der Wirkungsweise des Fungizids ab. Bei Corteva, einem der führenden Hersteller „natürlicher oder naturähnlicher Pflanzenschutzmittel, die durch Fermentation hergestellt werden“, hat es in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsfortschritte gegeben. Andreas Huber nennt Beispiele: „Die sichtbarste Innovation aus unserem Haus war sicherlich die Entwicklung zweier neuer Wirkungsmechanismen gegen Pilzkrankheiten im Getreide sowie in Kartoffeln, Gemüse und Wein.“

In der Gesellschaft ist die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln durchaus umstritten, vor allem in Bezug auf industrielle Landwirtschaft. Hat ein Unternehmen wie Corteva Strategien, um nachhaltige Lösungen zu fördern? „Die Bekämpfung von Pilzkrankheiten sichert die Lebensmittelproduktion auf deutschen und europäischen Hochertragsflächen“, erwidert Andreas Huber. „Würden wir auf diese Maßnahmen verzichten, müssten wir die Produktionsfläche entsprechend ausweiten, was zulasten der Biodiversität und der verbleibenden Rückzugsflächen für die Tier- und Pflanzenwelt ginge. Das wäre das Gegenteil von Nachhaltigkeit.“ Auf der anderen Seite müsse natürlich gewährleistet sein, dass der Fungizideinsatz nicht die Funktionalität des Ökosystems beeinträchtigt. „In diesem Sinne haben wir zum Beispiel die durchschnittlichen Aufwandmengen pro Hektar in vielen Anwendungsgebieten verringern können, bei gleichzeitiger Erhöhung der Sicherheit für Anwender und Nichtzielorganismen. Der Einsatz natürlicher oder naturähnlicher Fungizide ist ein weiterer Beitrag für nachhaltige Lösungen im Pflanzenschutz.“

Böden brauchen Fruchtbarkeit

Geht es um einen nachhaltigen Ansatz in der Landwirtschaft, gibt unterschiedliche Methoden und Perspektiven. Bei Naturland, dem Verband für ökologischen Landbau, sieht man den Aufbau und Erhalt von Bodenfruchtbarkeit als Grundbaustein für vitale und gesunde Pflanzen. „Je fruchtbarer ein Boden ist, desto weniger Eingriffe sind notwendig, um Pflanzen vor potenziellen Schaderregern zu schützen“, sagt Pflanzenbauspezialist und Naturland-Berater Stefan Veeh. Dazu gehöre eine Vielzahl an „Werkzeugen“, die Landwirten im Ökolandbau zur Verfügung stehen. „Natürliche Bekämpfungsmittel sind vor allem die vorbeugenden pflanzenbaulichen Methoden und Werkzeuge, um eine mögliche Infektion von pilzlichen Schaderregern vorzubeugen. Erst wenn diese versagen, werden mechanische Methoden, zum Beispiel das Entfernen befallener Pflanzenteile – kleinflächig –, oder der Einsatz von natürlichen Fungiziden – großflächig – in Betracht gezogen.“

Für Veeh ist die Fruchtfolge das zentrale Element: „Durch die weite Stellung der einzelnen Kulturarten mit den entsprechenden Anbaupausen werden die Schaderreger eingedämmt und der Infektionszyklus unterbrochen.“ Die weiteren Bausteine der ackerbaulichen Maßnahmen wie zum Beispiel die Bodenbearbeitung werden rund um die Fruchtfolge je nach Witterungsverlauf eingeplant. „Resistente beziehungsweise tolerante Sorten sind ebenfalls ein wichtiger Baustein, um auf spezielle pilzliche Erreger zu reagieren.

Doch ohne Fungizide kommt auch der zertifizierte Ökolandbau nicht aus. Sogenannte Biofungizide kommen vor allem in Sonderkulturen zum Einsatz, zum Beispiel im Wein- und Obstbau, im Ackerbau dagegen laut Stefan Veeh nur sehr selten. „Biologische Fungizide wirken so, dass auf der Blattoberfläche ein Schutzbelag durch Spritzen aufgebracht wird, der dann die pilzliche Infektion verhindert, indem er die Keimung der pilzlichen Sporen hemmt“, erläutert der Naturland-Berater. „Der schützende Spritzbelag wird dann durch Regen abgewaschen und muss regelmäßig erneuert werden. Gängige Fungizide sind zum Beispiel Mittel auf Kupfer oder Schwefelbasis, aber auch Kaliumhydrogencarbonat.“

Bei Corteva ist man der Biolandwirtschaft gegenüber aufgeschlossen. Das Unternehmen stellt auch Pflanzenschutzmittel für Biobetriebe her. Außerdem ist man bemüht, die mitunter negative Haltung zu Pflanzenschutzmitteln in der Gesellschaft zu entkräften. „Ein großer Teil dieser Skepsis basiert auf der Vorstellung, dass man auf Pflanzenschutz und moderne Pflanzenzüchtung verzichten könnte“, so Andreas Huber. Dabei werde übersehen, dass gerade Fungizide seit vielen Jahrhunderten in der Landwirtschaft unverzichtbar seien. „Die fungiziden Eigenschaften von zum Beispiel Arsen, Kupfer und Schwefel sind seit der Antike bekannt und wurden im großen Maßstab in der Landwirtschaft genutzt. Auch die biologische Landwirtschaft kann nicht auf Pflanzenschutzmittel verzichten und setzt anorganische oder natürliche Wirkstoffe ein.“

Welche Empfehlungen geben Industrieunternehmen ihren Kunden für einen möglichst effektiven und verantwortungsvollen Fungizideinsatz? Corteva-Experte Huber, der zwischen 2000 und 2008 Mitglied mehrerer europäischer Arbeitsgruppen und Mitverfasser von Leitfäden zur Bewertung der Pestizidexposition von Grund- und Oberflächengewässern in der EU war, gibt Tipps: „Die gute fachliche Praxis ist bei allen Pflanzenschutzmittelanwendungen einzuhalten. Dazu gehören die Ausbringung möglichst bei Windstille, um Abdrift zu vermeiden, die Einhaltung von Abstandsauflagen zu Gewässer oder anderen Nichtzielflächen und die fachgerechte Entsorgung von leeren Behältern und Spritzmittelresten.“ Daneben sei die Beachtung der Anwendungsempfehlungen für jedes Produkt essenziell.

Resistenz als Risiko

Worauf Andreas Huber besonders hinweist, sind die Empfehlungen zur Verminderung des Resistenzrisikos: „Die meisten Schadpilze haben sehr kurze Reproduktionszyklen. Daher können innerhalb der Vegetationsperiode mehrere Generationen auftreten. Wie bei jedem anderen Organismus verändert sich das Erbgut mit jedem neuen Zyklus.“ Das heißt: Je öfter sich ein Organismus reproduziert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mutationen zu Resistenzen gegenüber Fungiziden führen. „Resistenzen führen zu geringerer Wirkung und daher Ertragsverlust oder zu mehr Applikationen und höheren Aufwandmengen auf der gleichen Fläche. Ein gutes Resistenzmanagement ist somit ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion.“

In den letzten Jahrzehnten hat die Risikobewertung im Pflanzenschutz große Fortschritte gemacht, auch aufgrund des Drucks vonseiten der Verbraucher und eines gestiegenen Verantwortungsbewusstseins für die Umwelt und natürliche Ressourcen. „Landwirte haben keinerlei Interesse daran, die Funktionalität des Ökosystems zu schädigen, da ihr Ertrag stark von einem funktionierendem Ökosystem abhängt“, betont Andreas Huber von Corteva. Gleichzeitig sei das Ziel, Lebensmittel zu produzieren, die von Verbrauchern als gesund und gut empfunden werden. „Unsere Aufgabe als Industrie ist es, Produkte zur Verfügung zu stellen damit Landwirte genau diese Anforderungen erfüllen können.“

Neben der aktiven Schädlingsbekämpfung gibt es auch Präventivmaßnahmen zur Förderung der Pflanzengesundheit. Im Biolandbau wird beispielsweise auf Stressreduktion gesetzt, um Schadpilzen vorzubeugen. Denn Stress führt bei Pflanzen zu einer größeren Anfälligkeit, etwa für Schwächeparasiten wie Roste. „Stress kann aber auch die Überernährung von Pflanzen sein, welche die Anfälligkeit gegenüber Mehltau bewirken“, sagt Stefan Veeh von Naturland. „Eine ausgeglichene, organische Ernährung im Ökolandbau, verbunden mit anderen Faktoren, wie angepasste Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Bodengare et cetera fördert die Pflanzengesundheit und schafft vitale Pflanzen, die in gewisser Weise auch resilient gegenüber den Umwelteinwirkungen sind, die wir nicht beeinflussen können.“

Ob im ökologisch zertifizierten oder im konventionellen Ackerbau: Pilzkrankheiten können die landwirtschaftliche Produktion deutlich verringern. Bei einigen aggressiven Pilzarten kann ein Befall zu einem Totalausfall der Ernte führen. Viele Pilze produzieren zudem giftige Stoffwechselprodukte, sogenannte Mykotoxine, die das Erntegut ungenießbar machen und schwere gesundheitliche Schäden verursachen können. Beispiele hierfür sind Mutterkorn im Getreide oder von Schimmelpilzen gebildete Aflatoxine. Und die Rolle symbiotischer Pilze als eine Art Trojanisches Pferd für Insekten wie den Borkenkäfer ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Deswegen wird die Forschung an neuen, wirksameren, aber auch nachhaltigeren Methoden zum Schutz von Pflanzen auch in Zukunft unvermindert weitergehen.

„Vermutlich sind die symbiotischen Pilze von entscheidender Bedeutung, um den Angriff der Käfer zu unterstützen und den Befall zu verstärken. Die Pilze tragen dazu bei, den Wirtsbaum abzutöten, seine Abwehrkräfte zu überwinden, die Käfer mit Nährstoffen zu versorgen oder sie vor Krankheitserregern zu schützen. Mit ihrer Fähigkeit, Harzbestandteile, die eigentlich der Verteidigung der Bäume dienen, zu verstoffwechseln, liefern die Pilze den Käfern darüber hinaus wichtige Informationen darüber, welche Pilze bereits im Baum vorhanden sind, wo sie sich im Baum befinden und ob sie als Symbiosepartner dienen können.“

Prof. Jonathan Gershenzon, Direktor der Abteilung für Biochemie am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena.

Interview mit Dr. Maximilian Lehenberger

Interview mit Dr. Maximilian Lehenberger

Dr. Maximilian Lehenberger ist 32 Jahre alt und arbeitet als Wissenschaftler und Projektleiter am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. Der studierte Forstwissenschaftler hat bereits im Bachelorstudium ein großes Interesse an Pilzen und Forstinsekten entwickelt. In seiner Masterarbeit widmete sich Lehenberger den pilzzüchtenden Borken- und Ambrosiakäfern, um auch im Anschluss zu dieser Thematik zu promovieren.

VAA Magazin: Welche Aufgaben haben Pilze in den Wäldern?

Lehenberger: Pilze sind ein ganz wesentlicher Bestandteil des Ökosystems Wald. Ohne sie gäbe es den Wald nicht so, wie wir ihn kennen. Alltägliche Prozesse wie etwa das Wachstum der Bäume und der Abbau von Biomasse, zum Beispiel toter Bäume und Streu, und vieles anderes kämen ohne sie zum Erliegen. Unsere Bäume leben zum Beispiel in einer Symbiose mit sogenannten Mykorrhizapilzen. Diese Pilze bilden ein feines Geflecht aus Myzel um die Feinwurzeln der Bäume. Der Baum versorgt den Pilz mit Photosyntheseprodukten wie Zucker und der Pilz liefert dafür im Gegenzug Mineralstoffe und unterstützt zusätzlich noch die Wasserversorgung des Baumes. So können sich beide, Pilz und Baum, gegenseitig unterstützen und sich das Überleben sichern.

Sie forschen schon einige Jahre an Ambrosiakäfern. Was ist das Besondere an diesen Insekten?

Das Leben im Splintholz ist hart für die Käfer. Sie müssen mit vielen Schimmelpilzen zurechtkommen und haben mit starkem Nährstoffmangel zu kämpfen. Die Käfer sind zwar umgeben von lebensnotwendigen Kohlenstoff in Form von Cellulose und Hemicellulosen, können diese aber nicht direkt verwerten. Dafür aber haben sie sich Unterstützung geholt: Pilze. Jede Ambrosiakäferart weltweit – mehr als 3.500 Arten bisher beschriebene Arten, davon circa 17 in Deutschland – ist mit ganz spezifischen Pilzen assoziiert. Man findet Käfer und Pilz grundsätzlich nur zusammen, da sie beide getrennt voneinander nicht überlebensfähig sind. Dieser Mutualismus geht sogar soweit, dass die Käfer eigene Strukturen, sogenannte Mycetangien, entwickelt haben, in welchen sie ganz selektiv diese Pilze übertragen. Die Käfer betreiben zudem aktive Landwirtschaft mit ihren Pilzen. Das bedeutet: Sie säen ihre Pilze in ihren Brutsystemen im Baum aus und beweiden den sich entwickelnden Pilzrasen regelrecht. Nicht verwunderlich also, dass den Käfern diese Pilze zumeist als alleinige Nahrungsquelle dienen. Obwohl die Käfer schon lange bekannt sind, wissen wir nur sehr wenig über sie.

In meiner Forschung beschäftige ich mich unter anderem mit der tatsächlichen Nährqualität dieser Pilze. Wir untersuchen also die Zusammensetzung der isolierten und identifizierten Pilze hinsichtlich der für die Käfer relevanten Nährgruppen wie etwa Aminosäuren, Zucker, Vitamine, Fettsäuren und Sterole. Da die Ambrosiapilze auch mit Schimmelpilzen und anderen Mikroben konkurrieren müssen, ist anzunehmen dass sie auch verschiedene bioaktive Substanzen produzieren, um ihr Überleben und das ihrer Käfer zu sichern. Daher erforschen wir auch Sekundärmetabolite verschiedenster Borken- und Ambrosiakäferpilze hinsichtlich der Produktion möglicher bioaktiver Substanzen. Wichtiger Bestandteil unserer Forschung sind zudem Verhaltensversuche mit Käfern, um etwa einen möglichen anziehenden oder abstoßenden Effekt einer Chemikalie auf die Käfer zu testen. Dies ist vor allem im Hinblick auf den angewandten Waldschutz wichtig.

Zahlen und Fakten

44,7 Millionen
Kubikmeter Schadholzwurden im Jahr 2022 aufgrund von Insektenschäden deutschlandweit eingeschlagen, berichtet das Statistische Bundesamt. Steigende Temperaturen und anhaltende Trockenheit setzen den Wäldern in Deutschland zunehmend zu. Millionen Hektar Fichten in Deutschland und den umliegenden Ländern werden jedes Jahr vom Buchdrucker getötet, auch großer achtzähniger Fichtenborkenkäfer genannt. Die Ausbrüche nehmen aufgrund der steigenden Temperaturen und Trockenheit zu, was die Fichten sehr viel anfälliger für den Käferbefall macht und zudem den Lebenszyklus des Käfers beschleunigt.

Etwa 14.000
pilzliche Organismen sind der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zufolge in Deutschland beschrieben. Eine große Anzahl davon erfüllen wichtige Funktionen in Ökosystemen wie dem Wald. Sie zersetzen unter anderem totes organisches Material wie Holz, Laub oder Nadelstreu und halten so den Nährstoffkreislauf innerhalb des Waldes in Gang. Symbiotische Mykorizapilze liefern wertvolle Mineralstoffe an die Bäume und bekommen dafür im Austausch Zucker. Eine weitere, besondere Gruppe symbiotischer Pilze, die mit dem Buchdrucker assoziiert sind und zusammen mit ihm bei einem Befall auftreten, können verschiedene Abwehrstoffe des Baumes wie Terpene aus dem Fichtenharz in Lockstoffe für den Borkenkäfer umwandeln.

4,2 bis 5,5 Millimeter
ist der Fichtenborkenkäfer lang. In Deutschland trifft er auf Fichtenmonokulturen, die durch hohe Temperaturen und anhaltende Dürreperioden bereits sehr geschwächt sind, was eine Ausbreitung desSchädlings erleichtert und innerhalb von kurzer Zeit zum Absterben riesiger Waldbestände führt. Ein Forschungsteam um Dr. Dineshkumar Kandasamy und Prof. Jonathan Gershenzon arbeitet derzeit daran, Pheromonfallen für die Käfer zu optimieren und noch attraktiver zumachen, indem man zum Beispiel die anziehenden Substanzen solchen Fallen beimischt, um so die Fangquote zu erhöhen und eventuell mehr Käfer als zuvor abzuschöpfen. Das Team will mehr über die Verstoffwechslung der Fichtenharzverbindungen in den Pilzen erfahren und herausfinden, ob es sich dabei um eine Entgiftungsreaktion für den Pilz oder für den Käfer handelt. Inwiefern das bei einem Massenausbruch eine Wirkung haben könnte, müsste allerdings noch getestet werden.

Mehr als 40.000
Borkenkäfer können bei einem Massenbefall eines Fichtenwaldes an einem Baum auftreten, so das Portal waldwissen.net. Warum die Käfer kommen und wie sie zueinander finden, lässt sich in der chemischen Kommunikation der Borkenkäfer während eines Massenbefalls erklären: Die Käfer suchen sich zunächst einen geeigneten Baum aus und geben dann sogenannte Aggregations- oder Versammlungspheromone ab. Diese Pheromone locken Artgenossen an, welche dann ebenfalls diesen Baum besiedeln. Tritt dies bei sehr vielen Bäumen auf, zum Beispiel nach einem Sturm, können sich sehr schnell sehr viele Käfer entwickeln und es kommt zu einem Massenausbruch. Ist die Zahl der Käfer hoch genug, wird die natürliche Abwehr der Fichte überwunden und viele andere Käfer können den Baum leichter besiedeln.

1837 begann
die Geschichte der Ambrosiakäfer, die der Mönch Josef Schmidberger bei einem seiner Spaziergänge entdeckte. Nach einem heftigen Sturm ist der Ast eines Apfelbaumes abgebrochen und Schmidberger ist genau dieser Ast aufgefallen. Bei näherer Betrachtung bemerkte er, dass in diesem Ast einige kleine schwarze Käfer hausten, die scheinbar an einer weißen fluffigen Substanz in ihrem Nest fraßen. Für Schmidberger war der Fall klar: Der Baum produziert diese Substanz nur für die Käfer – und das kann nur im Auftrag Gottes passieren. Die aus der griechischen Mythologie bekannte „Götternahrung“, die sich aus flüssigem Nektar und fester Ambrosia zusammensetzt, war die Grundlage für die Namenswahl. Erst einige Jahre später fand Theodor Hartig heraus, dass es sich bei dieser weißen Substanz tatsächlich um einen Pilz handelt, und hat damit die Ambrosiapilze entdeckt.

Im Jahr 1844
wurden die Pilze der Ambrosiakäfer, die Nachfahren der Borkenkäfer, erstmals als solche von Förster Theodor Hartig identifiziert. Allerdings vertrat ihr Entdecker noch die Auffassung, dass der Pilz nur zufällig auftrete und mit dem Käfer wenig zu tun habe. Henry Guernsey Hubbard hat 1897 schließlich erkannt, dass der Prozess von den Käfern selbst gesteuert ist und die Käfer immer mit den Pilzen auftreten. Danach ist viel Zeit vergangen und nur wenige Forscher haben sich mit den Ambrosiakäfern und ihren Pilzen beschäftigt. Eine der bedeutendsten Person im deutschen Raum war Helene Francke-Grosman. Die Pionierin auf diesem Gebiet war übrigens auch die Mutter von Prof. Wittko Francke, einer zentralen Figur in der Chemischen Ökologie.