ChemieGeschichte(n) – zum 185. Geburtstag von John Wesley Hyatt
Ein Mann gibt sich die Kugeln
Unter der Überschrift „ChemieGeschichte(n)“ wirft das VAA Magazin einen Blick auf Meilensteine der chemisch-pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis. Im Mittelpunkt stehen Personen, Dinge oder Ereignisse, die Geschichte gemacht haben und deren Einflüsse bis heute spürbar sind.
Bereits seit dem ausgehenden Mittelalter sollen Urformen des Billardspiels an den Höfen verbreitet gewesen sein. Später griff der französische Monarch Karl IX. zum Spielstab – Queue geheißen –, ebenso wie seine schottische Kollegin Maria Stuart. Kurz darauf, Ende des 16. Jahrhunderts, gelangte das Spiel durch die Spanier nach Amerika. Die erste detaillierte Beschreibung brachte 1674 der englische Dichter Charles Cotton in „The Compleat Gamester“ zu Papier, nachdem sein ungleich berühmterer Kollege William Shakespeare bereits 1606 das Wörtchen „billiards“ in seiner Tragödie „Antonius und Cleopatra“ untergebracht hatte. Cotton hatte offenbar ein Faible für Freizeitvergnügen, bei denen eine gewisse Geschicklichkeit gefragt war: Die Onlineenzyklopädie Wikipedia führt ihn auch als „Vater der Fliegenfischer“.
Bereits zu Cottons Zeit erlangte Billard eine wachsende Popularität auch beim einfachen Volk. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hinterließen erste „Stars“ ihre Spuren in der Geschichte des Spiels. Einer von ihnen war Michael Phelan, der in den USA für Furore sorgte. Phelan erspielte sich erkleckliche Summen bei spektakulären Partien, betrieb Billardsalons und machte sich darüber hinaus als Buchautor und Produzent von Billardtischen einen Namen. Dieser Phelan soll es auch gewesen sein, der 10.000 US-Dollar für die Erfindung eines Werkstoffs auslobte, der das teure und immer schwerer zu beschaffende Elfenbein ersetzen sollte, aus dem die Billardkugeln seinerzeit hergestellt wurden. Nun kommt John Wesley Hyatt ins Spiel, dessen 185. Geburtstag es zu feiern gilt.
Als Sohn eines Schmieds kam Hyatt am 28. November 1837 in Starkey, New York, zur Welt. Als der Tüftler von Phelans Ausschreibung hörte, machte er sich an die Arbeit. Zu den Zutaten, mit denen er experimentierte, gehörten Alkohol, Campher, Salpeter- und Schwefelsäure. Und Nitrozellulose, umgangssprachlich auch Schießbaumwolle genannt. Allmählich kam Hyatt den haptischen sowie optischen Eigenschaften der herkömmlichen Billardkugeln schon ziemlich nahe. Doch der Einsatz der Schießbaumwolle sorgte für das einzige Problem: Das typische Klicken der Kugeln beim Aufeinandertreffen fiel mitunter etwas arg aus. Ein Saloonbesitzer hielt in einem Schreiben an den Unternehmer und Chemiker fest: „Mir macht es nichts aus, aber jedes Mal, wenn die Kugeln zusammenstoßen, ziehen alle Männer im Raum den Revolver.“ Hyatt blieb am Ball und kümmerte sich weiter um die Vervollkommnung der Kugeln. Letztlich mündete das in die Entwicklung eines thermoplastischen Kunststoffs, der sich durch Erwärmen verformen ließ.
Nicht belegt ist, ob Hyatt tatsächlich die von Phelan ausgelobte Prämie einstreichen konnte. Aber seine Erfindung fügt sich ein in eine ganze Reihe von Innovationen, die sich in jenen Jahren rund um den Billardtisch abspielten: Der Franzose François Mingaud stattete den Queue mit einer ledernen Spitze aus, was Effetstöße möglich machte. Der Engländer John Thurston versah die Bande mit einer Innenleiste aus Kautschuk und verwendete Schiefer- anstelle von Holzplatten als Untergrund für die Spielfläche. Das sorgte für einen besseren Lauf der Kugeln.
Für Hyatt, der 1920 starb, zahlte sich seine Tüftelei auf jeden Fall auch abseits des Billardtischs aus. Das von ihm entwickelte Celluloid stieß auf großes Interesse. Künstliche Gebisse, Puppen, Kämme, Messergriffe und Füllhalter ließen sich damit fertigen. Allerdings ist der Stoff leicht brennbar und verwittert – weswegen er seit den 1950er-Jahren mehr und mehr durch Polyethylenterephthalat, kurz PET, ersetzt wurde. Noch recht lange kam das Material bei einem anderen Freizeitvergnügen zum Einsatz: der Produktion von Tischtennisbällen. So schließt sich der Kreis.
Miträtseln und gewinnen!
Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner der Augustausgabe: Dr. David Taras, Werksgruppe Boehringer Ingelheim, Barbara Hockeborn, Landesgruppe Mitte/Ost und Clemens Dalferth, Landesgruppe Hessen. Für diese Ausgabe ist der Einsendeschluss der 15. November 2022. Nach Ablauf der Frist wird die Lösung auf der VAA-Website eingestellt. Das Lösungswort bezeichnet wieder einen Begriff aus der Chemie. Die Lösung des Sudokurätsels wird ebenfalls im Internet eingestellt. Bitte Rückmeldungen per E-Mail (redaktion@), Fax (+49 221 160016) oder Post an die VAA-Geschäftsstelle Köln (Mohrenstraße 11 – 17, 50670 Köln) senden. Unter den richtigen Einsendungen werden drei Gewinner gezogen, die jeweils einen Wunschgutschein im Wert von 25 Euro erhalten. vaa.de
Glückwünsche
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- 29.11. Sitzung der Kommission Führung, digital
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