Verfall von Resturlaub: Informationspflicht des Arbeitgebers auch bei dauerhafter Erkrankung

28.09.2020 Kategorie:  Urteile und Recht

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Das Arbeitsgericht Berlin hat im Anschluss an das BAG-Urteil zu den Hinweispflichten des Arbeitgebers zum Verfall von Resturlaub entschieden, dass diese auch bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers gelten.

Im Dezember 2019 hat der VAA darüber berichtet, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub laut BAG am Ende des Kalenderjahres nur erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das Arbeitsgericht Berlin hat im Anschluss an das BAG-Urteil entschieden, dass die Hinweispflichten auch bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers gelten.

Eine Arbeitnehmerin war vom Mai 2016 durchgehend bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Jahr 2018 dauerhaft erkrankt gewesen. Bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber die Abgeltung für den Jahresurlaub 2017 und anteilig für das Jahr 2018 an die Arbeitnehmerin aus. Für die 2016 unstreitig nicht gewährten 18 Urlaubstage berief sich der Arbeitgeber hingegen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der ein Urlaubsanspruch bei andauernder Krankheit 15 Monate nach Ende des Jahres verfällt, in dem der Urlaub entstanden ist. Die Hinweispflichten zum Verfall des Urlaubs galten aus Sicht des Arbeitgebers nicht, da bei einer dauerhaften Erkrankung ein entsprechender Hinweis nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar schädlich sei. Er dränge Arbeitnehmer dazu, bei bestehender Arbeitsunfähigkeit Urlaub zu nehmen.

Das Arbeitsgericht Berlin entschied im Sinne der Arbeitnehmerin (Urteil vom 13. Juni 2019, Aktenzeichen 42 Ca 3229/19). Die Berliner Arbeitsrichter argumentierten, dass der Arbeitgeber im Vorhinein nicht absehen könne, ob ein Arbeitnehmer für den Rest des Jahres oder sogar noch länger erkrankt bleibe. Daraus folge, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, über den Umfang des Urlaubsanspruchs und die sich ergebenden Folgen bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs aufzuklären, in jedem Fall – also auch bei Krankheit – bestehe.

Es komme nicht darauf an, dass der Urlaubsanspruch während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht gewährt werden kann, sondern allein darauf, dass der Arbeitgeber auf die Folgen hinweisen muss. Ein solcher Hinweis könne aus Sicht des Arbeitsgerichtes ohne Weiteres auch innerhalb einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit erfolgen, ohne dass es sich um eine Ermahnung oder ein Drängen handelt. Der Jahresurlaub aus dem Jahr 2016 sei somit abzugelten, weil der Arbeitgeber die entsprechende Hinweispflicht verletzt habe.

VAA-Praxistipp: Ausgehend vom Urteil des Arbeitsgerichtes Berlin müssten Arbeitgeber alle Arbeitnehmer – also auch diejenigen, die aktuell und gegebenenfalls dauerhaft erkrankt sind – regelmäßig auf die rechtlichen Folgen hinsichtlich der Nichtinanspruchnahme von Urlaubstagen im Sinne der neuen Rechtsprechung hinweisen. Ob diese Rechtsprechung vom Bundesarbeitsgericht bestätigt wird, bleibt allerdings abzuwarten.