Erik Lehmann hat das Wort: Verordnung zur Sparsamkeit

Erik Lehmann hat das Wort: Verordnung zur Sparsamkeit

Na, leben Sie Ihren Alltag gemäß der EnSikuMaV? Sagt Ihnen nix? Na, dann hier in voller Länge: Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung. Die gilt seit 1. September und deren Ziel ist es, zwei Prozent des deutschen Gasverbrauchs einzusparen. Ganze zwei Prozent! Nimm das Putin! Details gefällig? Bitte! Mietern ist es nach § 3 der Verordnung nun offiziell erlaubt, die Heizklauseln in Mietverträgen zu missachten und dementsprechend freiwillig zu frieren. Ja, richtig: Das erinnert an Herrn Gaucks solidarischen Frieren-für-die-Freiheit-Aufruf in einer Maischberger-Sendung vom März dieses Jahres, der nun verordnende Beachtung findet. In § 6 wird die neuerdings erlaubte Höchsttemperatur in öffentlichen Gebäuden definiert. Von zwölf Grad bei körperlich schwerer Tätigkeit, über 16 Grad bei überwiegendem Stehen und Gehen, zu 18 Grad bei mittelschwerer und überwiegend sitzender Tätigkeit bis zu absolut privilegierten 19 Grad bei körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit. Egal ob Indoor-Baustelle, Logistikzentrum oder Supermarkt – wer hart arbeitet, ist schön dumm. Denn je krummer der Buckel, umso tiefer die Temperatur. Denjenigen, die schon immer die Vorteile der Askese am Arbeitsplatz genossen, ist auch diese Verordnung milde gestimmt und wird sie nicht den winterlichen Übeln und rauer Marter saisonaler Naturgewalten ausliefern. Und alle anderen, die einfach nicht anders können, als anzupacken und emsig wie die Bienen zu schuften, die werden zum Weihnachtsfest mit leuchtenden Augen die sonst so ungeliebten, selbst gestrickten Socken und Wollpullis dankbar entgegennehmen. Zur Einordnung: Die WHO-Leitlinien deklarieren 18 Grad in Innenräumen als absolutes Minimum für gesunde Menschen. Hier die schlechte Nachricht: Für Menschen mit Herzproblemen nehmen diese laut zahlreichen seriösen Studien mit jedem fallenden Grad zu. Aber hier wieder eine gute Nachricht: Wirklich lebensbedrohlich wird es für gesunde Menschen erst ab vier Grad minus. Da ist also noch kalte Luft nach unten.

Bleibt eben nur die Angst: Hol ich mir am Arbeitsplatz die Grippe? Wir werden uns daran gewöhnen müssen, die Kassiererin mit Schal und Mütze am Ende des Warenbandes vorzufinden. Die Apothekerin wird selbst die überteuerten Lutschbonbons im Mundraum kreisen lassen. Und der Automechaniker wird sich ausschließlich hinter dem Lenkrad aufhalten und alle Funktionen des Bordcomputers extra lange prüfen, um in den Genuss der eingeschalteten Sitzheizung zu kommen. Und wem das als Arbeitnehmer alles zu blöd ist, der kann sich natürlich auch vorsorglich gegen Grippe impfen lassen. Ach so: Ladentüren bleiben nach § 10 der EnSikuMaV ab sofort geschlossen. Nur zur Erinnerung: Vor gar nicht allzu langer Zeit war das noch strickt verboten und man lief Gefahr, als Pandemieleugner geahndet zu werden, wenn man vorhatte, eine Tür auch nur anzulehnen. „Licht aus!“ heißt es nach § 8. Denn öffentliche Gebäude werden nicht mehr angestrahlt. Gut so! Auch Werbeflächen sind zwischen 22 Uhr und 6 Uhr auszuschalten. „Dunkeldeutschland“ ist jetzt überall. Spannend wird es, wenn man demnächst vorhaben sollte, den Sachsen im Advent die traditionelle Weihnachtsbeleuchtung zu verbieten. Dann raucht jedem Räuchermännel aber aus ganz anderen Gründen der Kopf.

Und doch ist Sparen wichtig: Noch vor Kurzem war Waschlappen ein Schimpfwort – dank Winne Kretschmann wissen wir: Der Lappen könnte der Heilsbringer des Winters werden. Denn wenn ganz Deutschland aufs Duschen verzichtet, wird Putin vor Wut schäumen. Und Sparmöglichkeiten gibt es noch viele: Jeder weiß: Energiefresser Nummer eins in der Küche ist der Herd. Konsequent wäre, kochen zu verbieten! So käme das gute, alte und vor allem kalte „Abendbrot“ (ein schon fast in Vergessenheit geratener Verwandter des Waschlappens) wieder in Mode. Den Kühlschrank kann man auch abschaffen. Denn wer nicht heizt, der braucht auch nicht zu kühlen. Außerdem ist der Keller zum Kühlen da und nicht zum Schwitzen auf dem Heimtrainer (Stromfresser abschalten!) oder um im beheizten Privatpool seine Bahnen zu ziehen (Achtung: neuerdings verboten!).

Dem pfiffigen Leser fällt aber spätestens hier auf: Wer sich Pool und Fitnessraum im Keller leisten kann, der wird über einen nicht zu verachtenden Kontostand verfügen. Diejenigen, die wirklich sparsam sein sollen, sind wohl diejeniegen, die es aufgrund des übersichtlich gefüllten Geldbeutels eh schon sind. Na dann: Weitermachen!

Mit seinen verschiedenen Kabarettprogrammen reist der Dresdner Kabarettist Erik Lehmann quer durch Deutschland und hat auch schon diverse Preise gewonnen. Unter dem Pseudonym Uwe Wallisch vertreibt der passionierte Hobbyimker zudem seinen eigenen Honig. Auf der Website www.knabarett.de ist Lehmann jederzeit käuflich und bestellbar. Honig gibt es auf uwes-landhonig.de.