Erik Lehmann hat das Wort: Bon appétit!

Erik Lehmann hat das Wort: Bon appétit!

Großartig! Endlich einmal wieder eine EU-Verordnung, die Stimmung in den Laden bringt. Seit Kurzem dürfen neben Wanderheuschrecken und Mehlwürmern auch pulverisierte Hausgrillen und zu Paste verarbeitete Getreideschimmelkäfer in Nahrungsmitteln beigemischt werden. Die Bild titelte „Eklig, aber wahr: Das neue MADE in Germany!“. Na, da versucht doch nicht etwa jemand uns Kabarettisten Konkurrenz zu machen! Von denen lasse ich mir die Käferpaste aber noch lange nicht vom Brot nehmen. Denn die neu angepasste Novel-Food-Verordnung ist für uns Satiriker ein gefundenes Fressen. So, wie wir schon 2008 aufgrund des Glühbirnenverbots, auf nahende dunkle Zeiten hinweisend, all unseren schwarzen Humor rauslassen konnten. Oder denken wir nur an den Dauerbrenner „Europäische Krümmungskurve bei Norm-Gurken im Einzelhandel“. Köstlich! Was haben wir für schlüpfrige Altherrenwitze über krumme Dinger von der Bühne geschmettert und schenkelklopfendes Gelächter im Saal ausgelöst.

Und jetzt also Speiseinsekten. Da bekommt die Einladung zum Grillen gleich einen ganz neuen Beigeschmack. Dabei muss man, wie so oft, nur auf die sprachliche Verpackung achten, damit es dem Verbraucher schmeckt. Die Hausgrille zum Beispiel ist bei den Älteren sicherlich noch als Heimchen bekannt. Und das klingt doch schon ganz anders – ja, regelrecht geschmackvoll: „Karamellisiertes Heimchen auf Buffalowurmpastete“. Da läuft einem doch nun wirklich das Wasser im Munde zusammen. Dabei verbergen sich hinter diesen Begriffen eben jene schnöde Hausgrille und der oben erwähnte Getreideschimmelkäfer.

Aber klar, statt Salzstangen demnächst gebackenes Krabbelgetier zu knabbern, ist schon gewöhnungsbedürftig. Aber rein rational gesehen übertreffen Insekten als Proteinlieferanten sogar Nüsse, Hülsenfrüchte und Getreide. Und vom Schimmelkäse zum Schimmelkäfer ist es nur ein kleiner kulinarischer Schritt. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat in verschiedenen Studien festgestellt, dass Insekten sehr nahrhaft und gesund sind. Und so ist es nicht ausgeschlossen, dass demnächst der frühpensionierte Mittfünfziger nicht mehr zum morgendlichen Angeln aufbricht, sondern lieber nachts im Badezimmer auf Silberfischjagd geht.

Übrigens: Der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit liegen derzeit acht weitere Anträge auf Marktzulassung von Insekten vor. Um welche es sich dabei handelt, scheint geheim zu sein. Eine intensive Recherche brachte kein Ergebnis. Dabei ist die Auswahl riesig: Es wird geschätzt, dass über fünf Millionen Insektenarten den Planeten besiedeln. Und in vielen Ländern ist es gar nicht ungewöhnlich, Insekten zu verzehren. Weltweit stehen um die 1.900 Arten auf dem Speiseplan. Mein persönliches Menü steht schon fest: Allgäuer Edelflorfliegen-Jus an Giraffenhalskäferbutter auf Pak Choi und Marienkäfer-Linsen, serviert mit einer Hainschwebfliegen-Vinaigrette und Rhododendron-Zikaden-Spalten, gefolgt von einem Streifenwanzen-Wasabi-Parfait mit Schildlaus-Topfensoufflé, glasierter Feuerlibelle und Joghurt-Ohrenkriechereis, abgerundet vom Taubenschwänzchenbrand als Digestif.

Na, auf den Geschmack gekommen? Bis zu so einem insektoiden Gelage ist es aber noch ein weiter Weg. Bisher kommen hierzulande die vier in der EU zugelassenen Insekten in Brot und Brötchen verbacken oder in Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatzprodukten, Kartoffelerzeugnissen sowie Schokolade vor. Dem Aufschrei von EU-Gegnern, man würde uns nun Insekten ins Essen untermischen, entgegnete die Europäische Kommission via Twitter: „Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen.“ Als historisch gebildeter Mitbürger der ehemaligen Zone horcht man bei dieser Wortwahl natürlich etwas ungläubig auf. Also, wer keine Lust auf Kerbtiere und Gliederfüßler hat, der sollte spätestens jetzt die Koffer packen und sich ein Gebiet suchen, in dem relativ wenig Insekten vorkommen – was allerdings schwierig werden dürfte, denn die Menschheit wiegt zusammen so viel wie alle derzeit auf der Welt lebenden Termiten – also eine Insektenart von den oben erwähnten fünf Millionen. Wenn wir da also irgendwann einem Ausgleich näherkommen wollen, gibt es wohl doch nur eine Möglichkeit: Bon appétit!

Mit seinen verschiedenen Kabarettprogrammen reist der Dresdner Kabarettist Erik Lehmann quer durch Deutschland und hat auch schon diverse Preise gewonnen. Unter dem Pseudonym Uwe Wallisch vertreibt der passionierte Hobbyimker zudem seinen eigenen Honig. Auf der Website www.knabarett.de ist Lehmann jederzeit käuflich und bestellbar. Honig gibt es auf uwes-landhonig.de.