Betriebsratswahlen 2022

Warum ist der Betriebsrat wichtig für AT-Angestellte?

Alle vier Jahre finden in den Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland die Betriebsratswahlen statt. Im Frühjahr 2022 ist es wieder so weit: Die Kandidatinnen und Kandidaten des VAA sind gut gerüstet und mit Zuversicht in die heiße Phase der Wahlkampagne gestartet. Entscheidend für den Erfolg ist eine möglichst hohe Wahlbeteiligung bei den außertariflichen Angestellten.

Warum ist der Betriebsrat eigentlich so wichtig für die außertariflichen Angestellten, deren Interessenvertretung der VAA als Akademikergewerkschaft ist? „Es ist ganz einfach: Wie bei den Tarifangestellten die Gewerkschaft spielt der Betriebsrat für AT-Angestellte die Schlüsselrolle, wenn es um die Gestaltung der Arbeitsbedingungen geht“, betont VAA-Geschäftsführer Thomas Spilke. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht ist in der VAA-Geschäftsführung für die Koordination der Betriebsratswahlkampagne zuständig. „Ob die AT-Angestellten das nun wollen oder nicht: Der Betriebsrat vertritt ihre kollektiven Interessen tatsächlich uneingeschränkt.“ Deshalb sei es so wichtig, dass möglichst viele Außertarifliche auch wirklich ihr Wahlrecht wahrnehmen und selbst mitbestimmen, wer ihre Interessen für die kommenden vier Jahre vertritt.

Vom Gehalt bis zur Arbeitszeit – Betriebsrat bestimmt mit 

„Hier kommt der VAA ins Spiel“, erklärt Spilke. „Wer könnte die AT-Interessen besser vertreten als AT-Angestellte selbst?“ Und genau das treffe auf die VAA-Mitglieder in den Betriebsräten zu. „Ob bei Gehaltssystemen, bei der Entgeltverteilung oder der Festlegung von Bonussystemen: Unsere Betriebsratsmitglieder kennen ihre jeweiligen innerbetrieblichen AT-Regelungen ganz genau und wissen, worauf es ankommt.“ Außerdem hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit, aber auch bei den Systemen der betrieblichen Altersversorgung. „Gerade hier ist das Know-how der AT-Angestellten unabdingbar für eine richtige und erfolgreiche AT-Interessenvertretung. Erst wenn unsere Kandidatinnen und Kandidaten in die Betriebsräte gewählt werden, kann ihr Wissen in die Ausgestaltung der AT-Arbeitsbedingungen einfließen.“  

Wofür setzt sich der VAA konkret ein? „Für gerechtere Entgelt- und Bonussysteme, die plausible Kriterien brauchen, aber auch für transparentere Beurteilungssysteme mit nachvollziehbaren, für alle verständlichen Bewertungsstandards“, so Thomas Spilke. „Außerdem treten wir als VAA für die Entwicklung zukunftsfester Konzepte zur Sicherung der betrieblichen Altersversorgung ein. Dies ist vor allem mit Blick auf die jüngeren AT-Beschäftigten eine Herausforderung.“ Was die Arbeitszeit betrifft, steht der VAA für eine flexible Arbeitszeitgestaltung. Spilke dazu: „Wir treten ein für eine Stärkung lebensphasenorientierter und mobiler Arbeitsmodelle – mit ausreichend Freiräumen für eine gelebte Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Karriere. Das gilt ausdrücklich auch für Führungspositionen.“ 

Partner auf Augenhöhe – lösungsorientiert und verlässlich

Als Interessenvertretung der außertariflichen Angestellten betrachtet der VAA die Betriebsratsarbeit als Form der konstruktiv gelebten Mitbestimmung im Sinne der Kooperation mit allen Vertretern der Beschäftigten. „VAA-Vertreter werden zwar zu Recht als AT-Vertreter in die Gremien gewählt, weil sie AT-Belange am besten kennen, aber sie übernehmen im Betriebsrat natürlich Verantwortung für alle Beschäftigten“, stellt VAA-Geschäftsführer Spilke heraus. „Es geht um das Wohl der Beschäftigten im gesamten Unternehmen. Unsere Betriebsratsmitglieder sind verlässliche Partner auf Augenhöhe, die mithelfen, möglichst maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.“ VAA-Mitglieder können dabei besonders gut Brücken bilden und, wenn nötig, in Konflikten moderieren. „Unsere Leute kennen sowohl die Perspektive der Vorgesetzten als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ 

Für eine ausgewogene Zusammensetzung der Betriebsräte, die alle Teile der Belegschaft gut repräsentiert, kommt es also darauf an, zur Wahl zu gehen und die Stimme abzugeben. „Wer derzeitig im Homeoffice ist oder anderweitig am Wahltermin verhindert ist, sollte sich unbedingt rechtzeitig um die Briefwahlunterlagen kümmern“, weist Thomas Spilke auf die Möglichkeit der Briefwahl hin. „Wir können es nicht oft genug betonen: Jede, wirklich jede Stimme zählt bei den Betriebsratswahlen!“ Nicht selten könne eine einzige Stimme den Ausschlag geben, welcher Kandidat am Ende einen Sitz erhält. „Daher gilt auch in diesem Jahr: Nur wer wählt, kann mitbestimmen und damit auch die Arbeitsbedingungen aktiv mitgestalten.“

Toolbox für Betriebsratswahlen

Toolbox für Betriebsratswahlen

Auf der exklusiven Mitgliederplattform MeinVAA finden eingeloggte VAA-Mitglieder im Bereich „Service“ die Toolbox für Betriebsratswahlen mit zahlreichen Infomaterialien rund um die Betriebsratswahlen.

Interview mit Katja Rejl und Prof. Manuela Rousseau

Diversity: Ideen von unten, Commitment von oben

2021 hat sich die VAA-Kommission Führung intensiv mit dem Thema Mixed Leadership auseinandergesetzt. Dabei standen mehrere Fragen im Vordergrund: Was bedeutet Diversity für die Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie? Welche Rolle können unternehmensinterne Netzwerke spielen, Vielfalt und Inklusion erfolgreich umzusetzen? Darüber hat sich das VAA Magazin mit der Vorsitzenden der Kommission Katja Rejl, langjährige Führungskraft bei Merck und bald in einer großen Unternehmensberatung tätig, und ihrer Kommissionskollegin sowie Beiersdorf-Aufsichtsrätin Prof. Manuela Rousseau unterhalten.

VAA Magazin: In den Unternehmen entstehen immer mehr Diversity-Netzwerke. Führt Quantität hier am Ende zu Qualität? Was ist eigentlich der Schlüssel zum Erfolg?

Rousseau: Gerade beim Thema Diversity ist es gut, wenn sich an vielen unterschiedlichen Stellen Interessengruppen bilden. Wenn Mitarbeitende ihre Vielfalt aktiv einbringen, also etwas von der Basis entsteht, dann kann dies dazu führen, dass die Verantwortlichen diese Impulse als Chancen oder auch als Risiken erkennen und diese Gruppen stärken. Diversity ist kein Selbstzweck, sondern diese beeinflusst die Unternehmenskultur. Es findet ein Kulturtransfer vom Unternehmen auf das Kerngeschäft statt. Quantität und Qualität schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Netzwerke und Kontakte helfen denjenigen, die sie haben und nutzen. Vielfalt bedeutet, andere Sichtweisen nicht zu ignorieren, sondern diese wahrzunehmen und eine Kultur der Toleranz zu fördern.

Rejl: Das ist richtig. Eine neue Führungskultur entsteht gerade und die zehrt davon, dass sich von unten nach oben – also von einem Bottom-up-Ansatz – etwas Echtes entwickelt, das nicht nur in HR-Broschüren gut aussieht. Bottom-up bedeutet, den Blick zu schärfen und Perspektiven zu zeigen, die vorher gar nicht auf dem Plan standen. Und in der Tat ist aber absolut notwendig, diese neuen Dinge über einen Top-down-Ansatz zu erkennen, anzureichern und zu unterstützen, um es dann in die Breite zu tragen. Beides kann gleichzeitig ablaufen und bedingt einander sogar, um letztendlich zu einem großen Erfolg zu führen.

Rousseau: Langfristiger und qualitativer Erfolg entsteht, wenn gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Weitsichtige Unternehmer und Vorstände erkennen den Mehrwert von Diversity. Dabei ist es so einfach: Diversity ist kein Trend, sondern der Spiegel der Gesellschaft – und damit auch unserer Kunden auf der ganzen Welt.

Aber am Anfang muss sich doch trotzdem erst eine Gruppe bilden, die gemeinsame Interessen formuliert.

Rousseau: Ganz genau. Angefangen hat es bei Beiersdorf mit LGBTIQ+ – die Gruppe entstand vorerst informell, initiiert von einem Kollegen. Die Gruppe wuchs schnell und nach einem Gespräch mit dem Vorstand erhielt die Gruppe den Auftrag ein Konzept vorzulegen. Wir ergänzten das Sortiment für verschiedene Zielgruppen, zum Beispiel die NIVEA-Regenbogendose: Wir unterstützen den CSD, arbeiten mit dem Netzwerk „Prout at work“ zusammen, veranstalten internationale Trainings zur Sensibilisierung im Umgang mit Diversity, veranstalteten 2020 die erste Pride Week, um Sichtbarkeit für Vielfalt zu stärken. So entstanden neue Blickwinkel, die Zustimmung bei Mitarbeitenden und Kunden finden und auch auf Kritik stoßen.

Verstehe. Als echter Stakeholder lässt es sich erfolgreicher für eine Sache streiten.

Rousseau: Ja. Es ist eine hohe Komplexität, die Reaktionen in beide Richtungen hervorruft – sowohl tiefe Emotionen der betroffenen Gruppen als auch manchmal Wut- und Trotzreaktionen bei Menschen, die mit Unsicherheit oder Angst mit dem Thema bis dahin nicht konfrontiert waren. Das zeigt ja auch die hitzig geführte Genderdiskussion. Dabei sollten wir den Bogen viel weiter spannen: Diversity ist, wie das Beispiel LGBTIQ+ zeigt, viel mehr als eine Einengung auf das Themenfeld Gender!

Rejl: Ich sehe das ähnlich. In der Kommission Führung haben wir im letzten Jahr untersucht, wo die Unternehmen stehen bei Diversity, und festgestellt: Schon allein die Definition zum Thema Diversity kann sehr eng oder breit gehalten sein. Demnach sind auch die Entwicklungsstufen von Diversity und Mixed Leadership sehr unterschiedlich. Manche fangen gerade erst an, aber diese orientieren sich wiederum an den Best-Practice-Beispielen aus Unternehmen, die schon weiter sind in der Diskussion. Schließlich verfolgen die Unternehmen bei all ihrer Diversität einen ähnlichen Ansatz.

Wo beginnt dieser Ansatz meist – bei LGBTIQ+ und Gender?

Rejl: Pride oder LGBTIQ+, Frauennetzwerke und die internationalen Communitys sind in der Tat oft die drei Startthemen für das Netzwerken in Unternehmen. Das war beispielsweise auch bei Merck so. Wir haben sogar unterschiedliche Frauennetzwerke mit unterschiedlichen Fokusthemen. Verschiedene Ausprägungen von Netzwerken entstehen fast von allein mit aktiven Mitgliedern, vor allem dann, wenn beispielsweise lebensphasenspezifische Themen oder regionale Themen besonderes Augenmerk brauchen. Alle zusammen aber bilden dann eine große Interessengruppe mit einer großen und lauten Stimme. So werden das Unternehmen und natürlich die Führungskräfte auf sie aufmerksam und können daraus auch lernen, dass Mixed Leadership etwas anderes ist als die klassischen Führungsstile.

Mittlerweile gibt es in den Unternehmen auch Care-Netzwerke für Menschen mit pflegebedürftigen Verwandten oder auch Eltern-, Mütter- und Väternetzwerke. Da steckt dann Diversity wortwörtlich in den Kinderschuhen, wächst dann aber ganz schnell heraus und wird auch für diejenigen sichtbar, die davon nicht betroffen sind.

Wie sorgt man denn für diese Sichtbarkeit?

Rejl: Es ist wichtig, Fürsprecher in der Unternehmensleitung, aber auch bei den unmittelbaren Führungskräften zu finden. Diese fungieren gewissermaßen als „Diversity-Sponsoren“. Ohne die geht es nicht, dann kriegt die Sache nicht genug Auftrieb. In der Chemie würde man sagen: Es braucht einen Katalysator. Diese Rolle kann und sollte der Sponsor übernehmen – und wir reden hier nicht vom berühmten Einrichten von Stillräumen für Frauen. Wer so denkt, hat es noch nicht richtig verstanden.

Rousseau: Richtig. Ist es einmal von oben entschieden und – das ist das Wichtigste – wirklich gewollt, dann funktioniert es auch. Dann wird es breit ausgerollt und so motiviert man auch die Führungskräfte zu einem Umdenken, die vielleicht noch nicht mit im Boot saßen, sondern noch am Rand vorsichtig abgewartet haben.

Rejl: Bei Merck etwa gibt es schon seit vielen Jahren einen Chief Diversity Officer und eine richtige Diversity-Council-Struktur an den Standorten. Das hat geholfen. So konnten Führungskräfte aller Ebenen mit der Zeit besser verstehen, dass die unterschiedlichen Diversity-Gruppen keine Selbsthilfegruppen sind. Es ist eben wichtig, Diversität sichtbar und erlebbar zu machen.

Rousseau: Bevor bei Beiersdorf die Position Global Director Diversity & Inclusion geschaffen wurde, gab es eine lange Übergangszeit, in der Kolleginnen diese Aufgabe zusätzlich übernahmen und als Diversity-Beauftragte das Thema voranbrachten. Diversity ist heute eine internationale Vollzeitaufgabe: Die Verantwortliche berichtet direkt an den HR-Vorstand.  

Was den Faktor der erlebbaren Diversity und Sichtbarkeit angeht, habe ich ein Beispiel aus der Beiersdorf-Praxis. Die Rückfrage einer Kundin zu einem neuen Pflaster lautete: „Warum gibt es Pflaster nur in beigen Farbtönen? Die Haut hat viel mehr Unterschiede. Kann ich Pflaster in anderen Farbschattierungen kaufen?“ Ein Pflaster mit der klassischen beigen Standardfarbe in nur einer Farbe entspricht nicht den Wünschen von Kunden rund um diesen Globus. Das Sortiment wurde erweitert.

Wir müssen unsere Sinne öffnen, unterschiedliche Perspektiven erkennen und verstehen, dann ist man automatisch näher an den Kunden und auch an gelebter Diversity dran. Es gibt also sehr viele Faktoren zu berücksichtigen.

Hilft es hier, sich gezielt der sogenannten Unconscious Bias anzunehmen, also der unbewussten Vorannahmen?

Rejl: Natürlich. Das gilt für alle Menschen und Gruppen. Es ist schnell gesagt, dass man kein „Unconscious-Thema“ hinsichtlich der verschiedenen Diversityaspekte hat. Aber kann das wirklich sein? Ich glaube nicht. Dazu ein Beispiel: In vielen Teams, und das ist wirklich toll zu sehen, werden Mütter und Väter in Teilzeit und auch in Vollzeit wesentlich besser integriert als noch vor vielen Jahren. Allerdings darf dies auch nicht bedeuten, dass damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Kinder immer das flexible Glied im Team sein müssen.

Es kann sein, dass man mit dem Grundsatz, Müttern und Vätern besonders zu helfen, diejenigen übersieht, die einen lange unerfüllten Kinderwunsch hegen und es einfach nicht klappt. Es mag sein, dass man diejenigen übersieht, die zu Hause ihre Eltern pflegen und eine ähnliche Flexibilität brauchen wie ihre Kollegen. Es ist zu leicht, von einem Extrem ins nächste zu gelangen – und vielleicht eröffnen die Netzwerke ja ungeahnte Gespräche zwischen den Führungskräften und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sobald Führungskräfte diese auch als Inspirationsquelle erkennen.

Es ist im Grunde einfach: Bestimmte Gruppen fassen Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen zusammen. Aber alle Menschen haben auch individuell verschiedene Bedürfnisse. Der Übergang von Bias zu Bias ist also auch fließend. Egal wie groß das Unternehmen ist: Leute mit ähnlichen Problemen schließen sich zusammen. Auch als Führungskraft sollte man reflektieren, welche Gruppe und Interessen man im Unternehmen haben. Wie sind die Teams zusammengesetzt? Wie ist der Frauenanteil? Wie sieht die internationale Struktur aus? Diese Fragen sind wichtig.

Rousseau: Als Führungskraft sollte man in der Lage sein, möglichst alle Bedürfnisse der Beschäftigten zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren. Das muss gezielt trainiert werden. Wenn dies klappt, wird auch der Übergang von Diversity zu Wertefragen und der Unternehmenskultur klar. Die Menschen im Unternehmen prägen das Bild auch von außen – die Menschen von außen spiegeln ihre Bedürfnisse als Kunden ins Unternehmen. Das hängt miteinander zusammen.

Was kann man selbst tun, um diese Vielfalt zu fördern und sich der oft unbewussten Vorurteile bewusster zu werden? Gerade in der VAA-Mitgliedschaft gibt es viele Menschen, die an der Schnittstelle zwischen Bottom-up und Top-down arbeiten.

Rousseau: Wir brauchen mehr Respekt und mehr Toleranz. Am Ende sollten auch Minderheitsmeinungen gehört werden, um sie zu verstehen, selbst wenn man sie nicht teilt. Wir alle gehören, so wie Katja es eben beschrieben hat, zu irgendeiner Art von „Randgruppe“ dazu. Wir sollten uns die Frage stellen, wo die gesellschaftliche Klammer ist: Wie steuern wir klug und weitsichtig das Unternehmen gemeinsam, um Diversität in eine gute Richtung gehen?

Rejl: Offen Dinge anzusprechen, sollte man sich dazu auch trauen. Welche Themen bewegen mich und meine Beschäftigten? Wodurch fühle ich mich vielleicht auch angegriffen? Vielfalt wird erkennbar, wenn wir sie ansprechen. Dafür braucht Top-down gleichzeitig auch Bottom-up – und umgekehrt.

Mixed Leadership ist letztlich das Ergebnis einer Bewegung, die den Top-Down-Ansatz antizipiert, aber auch von Bottom-up eingefordert werden kann. Diese neue Führungskultur beinhaltet eine Symbiose verschiedener Führungsstile, die möglichst alle Beschäftigten anspricht, die Besonderheiten des Individuums berücksichtigt, ohne einzelne Menschen zu stereotypisieren.

Rousseau: Jede Führungskraft steht heute vor der Aufgabe, immer nah am Individuum zu bleiben und gleichzeitig verschiedene Meinungen und Kulturen zusammenzuhalten. Gerade beim Thema Diversity geht es darum, den Mehrwert von Vielfalt zu erarbeiten. Unsere persönliche Haltung gehört nicht in einseitige gedankliche Schubladen, sondern sie setzt eine hohe Bereitschaft für dauerhaftes Lernen und für eine kontinuierliche Veränderung voraus.

Rejl: Das hat auch viel mit dem Thema New Work zu tun. Es bedarf neuer Strukturen in den Unternehmen, die der Individualität der Beschäftigten mehr entgegenkommen. Spricht man mit den neuen Generationen, wird das mehr als deutlich. Ein Arbeitsumfeld mit einem inklusiven Anspruch hat einen großen Reiz. Das Leben und die individuellen Lebensumstände können und dürfen zukünftig einen größeren Raum einnehmen. Ich vermute, dass es zukünftig auch wesentlich mehr Teilzeitansprüche geben wird – nicht nur aus den heute dominierenden Gründen.

Da gibt es für die Unternehmen sicherlich noch einiges zu tun. Was sind die wichtigsten Herausforderungen?

Rejl: In der Coronasituation haben viele Unternehmen einiges zum Thema New Work auf den Weg gebracht. Vielleicht wäre es gut, wenn das Beschreiten dieser neuen Wege auch die Netzwerke im Unternehmen mit um Input bittet. Damit rücken die Bedürfnisse der diversen Mitarbeiterstruktur mit ins Diskussionsfeld und können beim Schaffen einer neuen Unternehmensrealität die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen direkt mit einbeziehen.

New Work inkludiert so viel – wir reden hier nicht nur über neue Büroarbeitsplätze und andere Anreizsysteme – sondern auch über neue Organisationsformen, Hierarchiemodelle und damit auch Führungsformen. Es wäre doch sinnvoll, wenn das eine mit dem anderen „sprechen“ würde.

Rousseau: Auch wenn sich hier viel getan hat: Der wichtigste Punkt ist und bleibt die ernsthafte Unterstützung für Veränderung vonseiten der Unternehmensleitungen. Deswegen ist es gut, wenn der VAA mit den Sozialpartnern weiter im Gespräch bleibt. Die Sozialpartnerveranstaltung gemeinsam mit dem BAVC im Oktober 2021 zu Diversity und Führung hat hier wirklich gute Impulse gesetzt. Das sollte fortgesetzt werden – auf allen Ebenen.

Rejl: Ich würde den VAA-Mitgliedern empfehlen, den Mut zu fassen, um mit den Führungskräften und in den entsprechenden Kanälen möglichst die Themen anzusprechen, die einen beschäftigen und die bezüglich der Arbeitskultur oder -struktur angepasst werden könnten. Offene Diskussionen entstehen erst, wenn jemand den Mut hatte, Probleme zu thematisieren. Und im Bereich Diversity haben die meisten mit Sicherheit schon Herausforderungen gehabt, die angesprochen werden könnten. Zögern Sie dann bitte aber auch nicht, Teil der Lösung zu sein. Wer anspricht, darf auch nicht davor zurückschrecken, selbst bei der Abschaffung von Problemen anzupacken.

Rousseau: Genau das ist der springende Punkt: Diversity betrifft jeden einzelnen – bis man es verinnerlicht hat, dauert es, aber irgendwann fällt der Groschen.

Mitgliederentwicklung 2021

Konstanz trotz Krisenmodus

Auch im zweiten Jahr der Coronapandemie ist die Mitgliederentwicklung im VAA weitgehend stabil geblieben. Positiv hervorzuheben ist vor allem das anhaltende Wachstum der studentischen Mitgliederzahlen.

Zum Jahresende 2021 hat die Gesamtzahl der Mitglieder im größten Führungskräfteverband Deutschlands bei 28.152 Mitgliedern gelegen – und ist damit trotz der anhaltenden Coronakrise nur minimal gesunken. „Es hat zwar gut 60 weniger Zugänge gegeben als 2020, aber dafür auch weniger Abgänge“, stellt VAA-Hauptgeschäftsführer Stephan Gilow fest. Auch die für die Durchschlagskraft des VAA als Akademikergewerkschaft wichtige Zahl der im Berufsleben stehenden Mitglieder sei mit gegenwärtig über 19.200 Personen nur sehr moderat zurückgegangen. 

„Wie fast alle Gewerkschaften haben wir mit außergewöhnlichen Umständen durch Corona zu kämpfen“, erklärt Gilow. „Vor allem die Mitgliederwerbung über Mund-zu-Mund-Propaganda in den Betrieben vor Ort ist durch weit verbreitetes mobiles Arbeiten und Homeoffice manchmal eine echte Herausforderung.“ Hier sei man aber noch auf einem stabilen Niveau. „Ich sage ganz offen: Gerade im Vergleich zu anderen Organisationen stehen wir wirklich gut da.“ In Krisenzeiten komme Beschäftigten in den Unternehmen eine gute Interessenvertretung besonders zugute. „Hier bietet der VAA seinen Mitgliedern einen echten Mehrwert, unter anderem durch den umfangreichen Juristischen Service“, so der VAA-Hauptgeschäftsführer.

Zahl studentischer Mitglieder steigt auf über 3.000

Aus Stephan Gilows Sicht ist besonders erfreulich, dass sich der Wachstumstrend bei Studentinnen und Studenten auch 2021 fortgesetzt hat. „Wir haben mit nunmehr 3.009 studentischen Mitgliedern fast 200 mehr als letztes Jahr“, betont Gilow. Davon sind 2.894 Doppelmitglied im VAA und in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) – fast 80 mehr als 2021. „Von der studentischen Doppelmitgliedschaft profitieren sowohl der VAA als auch die GDCh“, so der VAA-Hauptgeschäftsführer. „In erster Linie aber sind es die studentischen Mitglieder selbst, die in den Genuss der vielfältigen Services beider Organisationen kommen.“

Ganz leicht zugelegt hat außerdem der Frauenanteil im VAA, der von 22 auf 23 Prozent gestiegen ist. Gilow dazu: „Da haben wir natürlich immer noch großen Nachholbedarf, aber ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten beiden Jahren das Viertel erreichen werden.“ Die Struktur des 2021 gewählten siebenköpfigen VAA-Vorstandes mit drei weiblichen Mitgliedern setze hier sicherlich ein zusätzliches Signal. „Wir brauchen mehr Frauen im VAA, die sich aktiv engagieren“, so Stephan Gilow. „Und wir haben mit Dr. Birgit Schwab nun auch eine zupackende und energische 1. Vorsitzende, die das entsprechend vorlebt.“ 

Weitgehend unverändert ist die Zusammensetzung des Verbandes nach den Berufsgruppen der Mitglieder geblieben: Rund 44 Prozent der VAA-Mitglieder weisen eine Hochschulausbildung im Bereich der Chemie auf, gefolgt von Mitgliedern mit einem ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund bei 20 Prozent. Ein weiteres Fünftel setzt sich aus anderen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen wie Biologie, Pharmazie oder Physik zusammen. Gut sechs Prozent der Mitglieder haben BWL studiert oder eine kaufmännische Ausbildung absolviert.  „Der VAA ist durchaus von Mitgliedern mit naturwissenschaftlich-technischem Background geprägt“, erläutert VAA-Hauptgeschäftsführer Gilow. „Wir sind und bleiben aber ein offener, inklusiver Verband, der Mitglieder aus allen Berufsfeldern willkommen heißt. Wir vertreten die Interessen aller unserer Mitglieder mit aller Kraft, egal welchen Hintergrund sie haben oder aus welcher Branche sie kommen.“

Mitgliederwerbeaktion: Gewinner stehen fest!

Mitgliederwerbeaktion: Gewinner stehen fest!

Auch im letzten Jahr hat der VAA eine besondere Mitgliederwerbeaktion im vierten Quartal durchgeführt. Diesmal lautete das Motto: „Zu Hause essen. Wie im Gourmet-Restaurant.“ Dabei wurde das Engagement der VAA-Mitglieder in den Werks- und Landesgruppen mit einem Gourmet-Gutschein von „StarchefBox“ im Wert von 300 Euro honoriert. Die Gewinnerinnen und Gewinner der Verlosung stehen fest:

  • Dr. Thorsten Hage, B. Braun Melsungen
  • Xueling Liu-Hoffmann, BASF Ludwigshafen
  • Thomas Volkmer, Bayer Berlin
  • Dr. Karl Ziegelbauer, Bayer Elberfeld
  • Dr. Peter Altenbuchner, Chemiepark Marl
  • Thomas Oeldorf, Clariant Rhein-Main
  • Dr. Anja Hirsch-Behnam, CSL Behring
  • Claudia Valente, Grace
  • Dr. Vera Jüchter, Heraeus
  • Dr. Daniel Neß, Industriepark Wolfgang
  • Bastian Höfer, Lanxess
  • Dr. Martin Gerlach, Leverkusen
  • Dr. Sabrina Heisel-Stöhr, Merck
  • Hans Peter Leydecker, Roche Diagnostics Mannheim
  • Peter Geiss, Sanofi-Aventis Deutschland
  • Dr. Markus Maier, Röhm
  • Philipp Lenz, studentisches Mitglied