Interview mit Dr. Thomas Toepfer und Dr. Christoph Gürtler

Krise meistern mit Offenheit und Transparenz

Jahr für Jahr wird die Spitze im Ranking der VAA-Befindlichkeitsumfrage von denselben Unternehmen verteidigt. Dazu gehört auch das Leverkusener Technologie- und Polymerunternehmen Covestro, das seit seiner Ausgliederung aus dem Bayer-Konzern im Jahr 2015 mit Topplatzierungen und guten Noten vonseiten seiner Fach- und Führungskräfte zu bestechen vermag. Erstaunlicherweise ist dies auch 2022 – mitten in einer einschneidenden politischen und wirtschaftlichen Krise – nach wie vor der Fall. Im Interview mit dem VAA Magazin erklären Dr. Thomas Toepfer, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor von Covestro, und der 2. VAA-Vorsitzende Dr. Christoph Gürtler, welche Rolle eine transparente Kommunikation bei der Krisenbewältigung spielt.

VAA Magazin: Was sind die Gründe für das gute Abschneiden von Covestro in der VAA-Befindlichkeitsumfrage? Covestro hat schon in den vergangenen Jahren immer hervorragende Platzierungen erreicht, es handelt sich also bei dem sehr guten Ergebnis um keine Eintagsfliege.

Toepfer: Erfreulicherweise schneiden wir hier tatsächlich schon seit einigen Jahren wiederholt gut ab. Das zeigt mir, dass das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Covestro groß ist. Wir sagen klar und deutlich, was wir machen wollen und wie wir uns aufstellen müssen, um unsere Ziele zu erreichen. Das ist aus meiner Sicht vor allem in den aktuell sehr bewegten Zeiten zentral.

Als energieintensives Unternehmen ist Covestro unmittelbar von der Energiekrise betroffen. Hinzu kommt eine sich abschwächende Weltwirtschaft und die Inflation. Es ist also wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur unsere Strategie verstehen, sondern auch unsere langfristige Vision kennen. Dass wir uns als Konzern vollständig auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten, wird auch von den Kolleginnen und Kollegen voll unterstützt und als richtiger Weg in die Zukunft gesehen. Zu den guten Ergebnissen der Umfrage trägt aber sicher auch unsere Unternehmenskultur „We are 1“ bei. Wir stehen auch in schwierigen Zeiten zusammen und gehen gemeinsam durch Krisen. Jeder handelt an seinem Arbeitsplatz im Sinne des großen Ganzen.

Die guten Ergebnisse erreicht Covestro auch in wirtschaftlich nicht einfachen Zeiten. Wieso sind die Führungskräfte zufrieden, obwohl manche Umstrukturierung nicht zu vermeiden ist?

Toepfer: Darüber habe ich mich wirklich gefreut. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation und der vielen schwierigen Themen, die uns begleiten, hätte ich erwartet, dass sich dies auf die Befindlichkeit durchschlagen könnte. Dass dies nicht der Fall ist, liegt meines Erachtens vor allem an der offenen Kultur und der transparenten Kommunikation, die wir bei Covestro pflegen. Wir holen alle ab und erklären, wo wir als Unternehmen stehen und welche Maßnahmen wir ergreifen. Diese Offenheit wird offensichtlich honoriert.

Sie sind sowohl Finanzvorstand als auch Arbeitsdirektor. Der Arbeitsdirektor muss ein Arbeitsumfeld schaffen, das für die Mitarbeiter ansprechend ist, damit sie gute Ergebnisse erwirtschaften können. Der Finanzvorstand muss dafür Sorge tragen, dass die Zahlen stimmen. Kann es da zu Zielkonflikten kommen?

Toepfer: Im Idealfall ergänzen sich beide Aufgaben und sind sehr komplementär. Aus meiner Sicht gilt es, eine gute Balance hinzubekommen zwischen den Aspekten, welche die Belegschaft betreffen, und den Möglichkeiten der finanziellen Seite. Wenn beides stimmt, wird das Unternehmen insgesamt leistungsfähiger. Es geht also darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das für alle ansprechend ist und in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich wohlfühlen. Das ist personalseitig eine zentrale Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg am Markt.

Aufgrund der aktuellen Krisenlage ist eine tiefe und lang andauernde Rezession in Europa nicht ausgeschlossen. Sie könnte länger andauern als bei der Finanzkrise 2008. Wie bereiten Sie Führungskräfte und Mitarbeiter auf diese Zeiten vor? Wie erhalten Sie das notwendige starke Bekenntnis der Mitarbeiter zum Unternehmen, um durch diese Zeiten zu kommen?

Toepfer: Grundsätzlich lässt sich hier sagen: Wir alle wissen, dass wir in einer zyklischen Industrie arbeiten, und auch das Wettbewerbsumfeld ist den Kolleginnen und Kollegen bekannt. Somit gibt es schon grundlegend ein Verständnis dafür, dass wir uns sehr effizient aufstellen müssen. Entsprechende Maßnahmen werden daher sehr gut mitgetragen. Viel wichtiger ist hier aber vorher noch eine klare und offene Kommunikation. Dafür sind wir zum einen ständig mit der Arbeitnehmervertretung im Gespräch. Zum anderen informieren wir gezielt über verschiedene interne Kanäle. Dabei geht es nicht nur darum, unsere Maßnahmen und unseren Fahrplan zu erklären, sondern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch zu zeigen, dass wir sie wertschätzen und alles tun, um ihnen ein stabiles Arbeitsumfeld zu ermöglichen.

Herr Gürtler, Sie bekommen das ja als Mitglied des Sprecherausschusses hautnah mit: Unterstützen Sie den Vorstand uneingeschränkt oder gibt es auch kritische Punkte?

Gürtler: Die gibt es immer wieder. Natürlich sind wir grundsätzlich an einem konstruktiven Verhältnis zum Vorstand interessiert, aber manchmal läuft was falsch und wir müssen darauf aufmerksam machen, so wie eben angesprochen bei der jüngsten Restrukturierung. Um konkrete Ergebnisse zu erzielen, ist dann sicher auch eine gute Abstimmung mit dem Betriebsrat nötig. Die gab es in der Vergangenheit auch schon und funktionierte gut.

Das Thema New Work beschäftigt zurzeit die Unternehmen. Pandemie und Krise sind Digitalisierungsbeschleuniger. Die Arbeitswelt ändert sich. Stichworte sind Hierarchieabbau, mehr Selbstorganisation, agile Arbeits- und Führungskonzepte et cetera. Welche Tools brauchen Fach- und Führungskräfte, um New Work erfolgreich im Unternehmen umzusetzen?

Toepfer: Ihre Stichworte nennen ja schon viele Aspekte, um die es bei New Work geht. In den vergangenen Jahren haben wir – sicher bedingt durch einen großen Digitalisierungsschub – auch bei uns gesehen, dass dezentrales und mobiles Arbeiten sehr gut funktionieren kann. Aber wir sehen auch, dass die persönlichen Begegnungen extrem wichtig bleiben. Die kreativen Prozesse und das gemeinsame Brainstorming sind aus den virtuellen Büros schwieriger zu machen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird daher sicher hybrid sein.

Und was heißt das konkret für Ihre Fach- und Führungskräfte?

Toepfer: Uns ist es insgesamt wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut zu begleiten, das heißt zu schulen und entsprechende Möglichkeiten aufzuzeigen. So gibt es gezielt Trainings, um digitale Kompetenzen weiterzuentwickeln oder agile Arbeitsmethoden zu erlernen. So können wir Befindlichkeiten abbauen, sofern es welche gibt, und die Chancen von New Work und der Digitalisierung besser ausschöpfen. Außerdem sehen wir auch das Bedürfnis bei den Kolleginnen und Kollegen, ihr Arbeitsleben und ihre Karriere flexibel zu gestalten. Darauf reagieren wir: So bieten wir nicht nur Führungspositionen in Teilzeit an, sondern machen auch geplante Auszeiten möglich.

Gürtler: Wir vom Konzernsprecherausschuss sagen unseren Führungskräften: Geht auch digital auf eure Mitarbeiter zu, trefft euch häufiger virtuell. Redet miteinander. Vertraut euren Mitarbeitern und kontrolliert auch mal weniger. Da werden dann manchmal auch Fehler gemacht, aber daraus lernt man und im Endergebnis profitieren alle aus dem Lernprozess – Mitarbeiter und Unternehmen.

Welche Kompetenzen von Führungskräften werden in Zukunft gefragt sein?

Toepfer: Neben grundlegenden digitalen Kompetenzen sind aus meiner Sicht Vertrauen, Wertschätzung und eine gute Kommunikation zentral. Es ist wichtig, ansprechbar zu bleiben – auch in schwierigen Situationen. 

Herr Gürtler, Sie sind 2. Vorsitzender des VAA. Wo und wie kann der VAA die Unternehmen bei New Work unterstützen?

Gürtler: Wir sind zu diesem Thema mit unseren Mitgliedern und unseren Mandatsträgern in Betriebs- und Aufsichtsräten sowie den Sprecherausschüssen in ständigem Austausch. Wir haben Umfragen zu New Work durchgeführt und Veranstaltungen organisiert, um herauszufinden, welche Unterstützungswünsche unsere Mitglieder haben. Wir wollen sie unterstützen, neue Arbeitsmodelle auch im eigenen Verantwortungsbereich gut realisieren zu können.

Dabei hören wir immer wieder den Wunsch nach Orientierung, nach praktischen Beispielen und nach einer konkreten Unterstützung durch spezifische Bildungsmodule, um New Work im jeweiligen Verantwortungsbereich wirksam umsetzen zu können. Auch die Unterstützung durch Business Partner im Personalbereich wird breit gewünscht. Erfreulich ist, dass es in den Unternehmen offenbar bereits gute Angebote zur Verbesserung der Medien- und Kommunikationskompetenz gibt, so auch bei Covestro.

Wir als VAA werden in Zukunft noch weitere Veranstaltungen und Plattformen einrichten, auf denen es zu einem direkten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen kommen kann – gern auch unternehmensübergreifend. Unsere VAA-Werksgruppen sind daran interessiert, zu wissen, was die anderen in ihren jeweiligen Unternehmen machen. Mehr Austausch, mehr Diskussion, mehr offene Gespräche, auch über Misserfolge – hier sehe ich die künftige Rolle des VAA zum Thema New Work.