Innovationen in der Luftfahrt

Auftanken für die Zukunft

Zu den bedeutenden Treibhausgasemittenten gehört zweifelsohne die Luftfahrt. Nach einem deutlichen Einbruch infolge der Coronapandemie ist die Branche langsam wieder im Aufwind – und befeuert damit verstärkt den Klimawandel, wie zahlreiche Umweltverbände kritisieren. Doch klare, nicht nur klima-, sondern auch verbraucherfreundliche Alternativen zum Fliegen fehlen gerade auf längeren Strecken nach wie vor. Im Luftverkehr ist der Klimaschutz eine sehr komplexe Aufgabe, der sich die Industrie zu stellen bereit ist. So wird schon seit Jahren daran getüftelt, die Effizienz der Flugzeuge, Triebwerke und Treibstoffe zu verbessern. Dabei steht neben der Optimierung bestehender seit Kurzem auch die Entwicklung alternativer Technologien immer stärker im Fokus, um den Ausstoß von Schadstoffen und Emissionen zu reduzieren.

„In den letzten Jahren steht bei uns die Klimawirkung sehr stark im Fokus“, betont Fabian Donus von der MTU Aero Engines. Als Innovative Propulsion Director beschäftigt sich der studierte Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik mit allen für die Zukunft der Luftfahrt relevanten Technologien. „All unsere Produkte und Strategien werden davon beeinflusst. Ob Kraftstoffe, Triebwerke oder Regulatorik: Wir wollen verstehen, wie sich Luftfahrt, Politik und Gesellschaft verändern.“

Beim Triebwerkshersteller aus München unterliegt selbst das Brot- und Buttergeschäft mit den Flugzeugturbinen der ständigen Veränderung. 2016 hat MTU seine erste Generation des Getriebefans – kurz GTF – gemeinsam mit Pratt & Whitney aus den USA auf den Markt gebracht. „Das war ein damals revolutionäres Konzept: Erstmals hatte eine Fluggasturbine, die in den Markt eingeführt wurde, eine Getriebeuntersetzung“, erklärt Fabian Donus. Was heißt das? „Das Getriebe wird zwischen Fan und Niederdruckturbine geschaltet, was zu einer deutlich erhöhten Effizienz führt und damit sowohl Kraftstoffverbrauch wie auch CO2-Ausstoß reduziert. Beides konnte um 16 Prozent gegenüber dem Vorgänger verringert werden.“ Mit dem GTF werden beispielsweise die A320neo und die A220 von Airbus sowie die neuen E-Jets von Embraer ausgestattet. „Mit der GTF-Weiterentwicklung, dem GTF Advantage, erfährt der Getriebefan ab 2024 eine weitere Verbesserung. So wird der Kraftstoffverbrauch und der CO2-Ausstoß um ein zusätzliches Prozent verringert, bei gleichzeitiger Erhöhung der Reichweite und Nutzlast.“ Hiervon profitiert vor allem die Langstreckenvariante der A320-Familie, der A321XLR. Bereits jetzt seien die Wirkungsgrade sehr hoch, so Donus. Durch den großen Marktanteil der A320-Familie verringere jedes Prozent Verbesserung die Klimawirkung der Luftfahrt signifikant.

Zurzeit entwickelt MTU die zweite GTF-Generation. Donus schildert das Problem: „Die A320neo war ein sogenanntes Reengining-Programm – die Flugzeugzelle ist nahezu gleichgeblieben, lediglich die Triebwerke wurden ersetzt.“ Dadurch war der Platz unter dem Flügel begrenzt und die Getriebefantechnologie konnte noch nicht ihr volles Potenzial ausnutzen. „Für die nächste Generation Getriebefan erwarten wir auch ein neues Flugzeug und damit die Möglichkeit, auch dieses Potenzial zu nutzen“, erklärt  der MTU-Experte. Was bedeutet das konkret? „Das Fandruckverhältnis wird weiter reduziert und das Nebenstromverhältnis dadurch nochmals erhöht.“ Das verbessere den sogenannten Vortriebswirkungsgrad. „Durch eine integrierte Auslegung der Verdichter- und Turbinenkomponenten können wir das Verbesserungspotenzial neuer Technologien optimal ausnutzen und so den thermischen Wirkungsgrad des Kerntriebwerks weiter verbessern.“  Im neuen GTF kommen auch neuartige Materialien wie Einkristalle der sechsten Generation oder Pulvermetalle für die Turbinen zum Einsatz. Die Werkstoffe sind leicht, extrem hitzeresistent und robust gegenüber Umwelteinflüssen.

Mit der Gasturbine betreibt MTU ähnlich wie andere Triebwerkshersteller eine evolutionäre Technologieentwicklung. „Dieses Konzept bleibt unerreicht, wenn man die Leistung pro Gewichtseinheit berücksichtigt“, hebt Fabian Donus hervor. Es sei wichtig, diese sogenannte spezifische Leistung weiter voranzutreiben. „Aktuell gehen wir davon aus, dass ein neues Mittelstreckenflugzeug ungefähr Mitte der 2030-er Jahre auf den Markt kommen könnte. Hierauf richten wir die Technologieentwicklung des Getriebefans der nächsten Generation aus.“

Ein weiteres innovatives Gasturbinenkonzept ist der Water-Enhanced-Turbofan (WET) „Wir verdampfen das Wasser mit einem Dampferzeuger“, erläutert MTU-Ingenieur Donus. „Dazu nutzen wir die Abgaswärme, die in der konventionellen Gasturbine ungenutzt ausgestoßen wird. Das Wasser fließt dabei durch kleine Rohre und verdampft. So schaffen wir es, die Wärme aus dem Abgas in den Dampf zu bringen.“ Dieser werde dann in die Brennkammer eingespritzt. Eine solche nasse Verbrennung erhöhe die Effizienz des Triebwerks und mindere den Ausstoß von Stickoxiden massiv um bis zu 90 Prozent. „Im Kraftwerk wird es heutzutage bereits gemacht, es funktioniert also.“ Der Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und die Bildung von Kondensstreifen sinken ebenfalls stark.

Neuer SAFt für die Düse

Betrieben werden könnten die neuen MTU-Gasturbinen grundsätzlich sowohl mit Flüssigwasserstoff als auch sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF). Fabian Donus zufolge könnte damit die Klimawirkung bereits um bis zu 65 Prozent gegenüber einer Gasturbine aus dem Jahr 2000 verringert werden. Unter dem Begriff SAF werden Treibstoffe zusammengefasst, die aus erneuerbaren Ressourcen wie Biomasse und Abfällen gewonnen oder aber synthetisch und CO2-neutral produziert werden. MTU-Innovator Fabian Donus nennt den wichtigsten Vorteil zuerst: „Synthetisches Kerosin kann sofort in der Bestandsflotte wirken!“ Betrachtet man die Zyklen in der Luftfahrt – der A320 etwa stammt aus den 1980er Jahren –, gibt es eine riesige Zahl an älteren Flugzeugen und Triebwerken, die immer noch viele Jahre fliegen können und werden. „SAFs haben ein enormes Potenzial, um die Luftfahrt zukünftig CO2-neutral zu gestalten.“ Vorstellbar ist auch der Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt. Donus gibt zu Bedenken: „Selbst, wenn man zeitnah Wasserstoffflugzeuge hätte, benötigt man SAFs weiterhin für die Bestandsflotte. Daran führt kein Weg vorbei.“  

Zur Klimawirkung im laufenden Flugzeugbetrieb trägt nicht nur Kohlendioxid bei. Auch Stickoxide (NOx) und Kondensstreifen haben einen großen Anteil. „Bei der Herstellung von SAFs wird CO2 als Rohstoff verwendet“, erklärt Fabian Donus. „Der spätere Ausstoß im Flugzeug wurde also vorher schon eingespart, indem das CO2 für die SAF-Herstellung der Atmosphäre entzogen wurde.“ Aber auch bei den sogenannten Nicht-CO2-Effekten kann SAF große Vorteile bringen. So haben Flugtests gezeigt, dass auch die Bidung von Kondensstreifen beim Einsatz von SAF deutlich verringert wird. 

In einer Studie haben sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die US-Weltraumbehörde NASA 2018 mit Kondensstreifen als Klimafaktor in der Luftfahrt beschäftigt. Mit der Verwendung einer 50-50-Mischung aus Kerosin und SAF erzielte das Forschungsteam von DLR und NASA in Testflügen eine Halbierung der Eiskristallanzahl in Kondensstreifen unter realen Flugbedingungen, was zu einer 20 bis 30 Prozent geringeren Klimawirkung der Kondensstreifen geführt hat. Zuletzt haben von Ende Februar bis Ende März 2023 vor den Küsten Frankreichs neue Forschungsflüge im Rahmen des Projekts VOLCAN stattgefunden: Erstmals ist ein Airbus A321neo mit reinem SAF in beiden Triebwerken geflogen. Verfolgt wurde der Jet vom DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E, das Emissionen und Eiskristalle im Abgasstrahl gemessen hat.

Moderne Passagierflugzeuge wie der A321neo sind mit Magerverbrennungstriebwerken ausgestattet, die Kerosin sehr rußarm verbrennen. Gerade Rußpartikel wirken in der Höhe der Flugumgebung als starke Kondensationskeime für Wassertropfen, die bei kalten Temperaturen zu Eiskristallen gefrieren. Und bei ausreichender Feuchtigkeit entstehen Kondensstreifen. Hier mit SAF anzusetzen, ist aus Sicht von MTU-Experte Fabian Donus genau richtig, selbst im Vergleich zu Wasserstoff, der prinzipiell ebenfalls in Gasturbinen verbrannt werden könnte: „Auch bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehen Stickoxide und Kondensstreifen.“ Hinsichtlich der Kondensstreifen könnte Wasserstoff SAF aber sogar noch überlegen sein, da dieser keinerlei Kohlenstoff enthält und damit sehr rein verbrennt. „Ob das tatsächlich so ist, muss erst bewiesen werden“, sagt Donus. „Es könnte auch sein, dass Wasserstoff und SAF in diesem Punkt nicht allzu weit voneinander entfernt sind.“

An der SAF-Kraftstoffproduktion ist auch Air Liquide beteiligt. Doch der französische Chemie- und Gaskonzern engagiert sich ebenso für die Etablierung einer Wasserstoffinfrastruktur in der Luftfahrt. Anfang 2021 hat sich Air Liquide mit Airbus und dem Flughafenbetreiber Aéroports de Paris (Groupe ADP) zusammengetan. „Im Jahr 2022 haben wir eine intensive einjährige Studie an 30 Flughäfen weltweit abgeschlossen, die auf Streckenplänen von Airbus basiert“, berichtet Vice President Energy Transition Partnerships bei Air Liquide Eric Prades. Dazu gehören zum Beispiel der Flughafen Amsterdam-Schiphol, die beiden Pariser Flughäfen, aber auch einige Flughäfen in den USA und in Korea. „Wir haben untersucht, inwieweit diese Flughäfen wasserstofffähig sein könnten und haben die gesamte Kette abgedeckt.“ Wie bringt man den Wasserstoff ins Flugzeug? Wie lange dauert es, ein Flugzeug wieder aufzufüllen? Das waren die Fragen, die sich die Partner in ihrer Studie gestellt haben.

Aus der Pipeline in den Tank

Um einen Flughafen mit Wasserstoff zu versorgen, nennt Eric Prades drei Etappen: „Am Anfang liefert man Wasserstoff mit Tankwagen an einen Flughafen und füllt das Flugzeug. Sobald sich der Verkehr etwas entwickelt, beginnt man, mithilfe von Elektrolyse direkt auf dem Flughafengelände Wasserstoff zu produzieren. Zuletzt wird Wasserstoff verflüssigt und das Flugzeug anschließend wieder aufgetankt.“ Es müsse sichergestellt werden, dass Flughäfen alle drei Etappen bewältigen können. Für jede dieser Phasen haben die Air-Liquide-Fachleute die Anforderungen an der Oberfläche untersucht, die erforderlich sind, um alle Geräte zum Aufbau der Produktion und Elektrolyse zu implementieren. „Wir haben untersucht, wie hoch die geschätzten Investitionsausgaben, die Betriebsausgaben und die Sicherheitsanforderungen sind, um sicherzustellen, dass wir die gesamte Wasserstoffinfrastruktur bis zur Wiederbetankung des Flugzeugs gewährleisten können.“

Das Fazit der Untersuchung war positiv: Für alle untersuchten Flughäfen wäre die Wasserstofflösung machbar. Weitergehende In-depth-Studien wurden zudem für die Pariser Airports Roissy-Charles-de-Gaulle und Paris-Orly durchgeführt. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen: Groupe ADP und Air Liquide haben beschlossen, das erste Flughafentechnikunternehmen zu gründen, um sich auf die Herstellung der Wasserstofftauglichkeit von Flughäfen zu konzentrieren. Die Groupe-ADP-Ingenieure kennen Flughäfen sehr gut, die Air-Liquide-Ingenieure wissen genau, wie kryogenes Know-how und Wasserstoffproduktion und -transport funktionieren. „Wir werden in der Lage sein, nahezu jeden Flughafen der Welt, der einen Masterplan für die Umstellung auf Wasserstoff im Jahr 2035 benötigt, auszustatten und zu beliefern“, ist sich Eric Prades sicher. Dieses Joint Venture werde in der Lage sein, alle Dienstleistungen zu erbringen, die für diese Umstellung erforderlich sind.

Eine wichtige Herausforderung wird das Volumen sein. „In Roissy haben wir die Umrüstung der Mittelstreckenflugzeuge mit einer Reichweite von bis zu 2.000 Seemeilen auf Wasserstoff untersucht“, so Air-Liquide-Experte Prades. „Dafür wären 700 Tonnen Wasserstoff pro Tag nötig. Dies ist ein sehr großes Volumen. Zum Vergleich: Unser erster Wasserstoff-Verflüssiger in Nevada in den USA produziert 30 Tonnen pro Tag.“ In Korea setzt Air Liquide täglich etwa zehn Tonnen um. „Wir haben gezeigt, dass der nötige Platz vorhanden wäre und dass der Wasserstofftransport zum Verflüssiger und danach der Transport per Pipeline zum Flugzeug funktionieren würde.“ Außerdem wurde eine A319 mit drei Tonnen Wasserstoff betankt. „Das Ziel war eine Betankung in 15 Minuten – so lange dauert es heute, ein vergleichbares Flugzeug mit Kerosin zu füllen.“

Für die Dekarbonisierung der Wasserstoffwirtschaft in der Luftfahrt gibt es zwei Hauptwege. Der erste ist die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse mit grünem Strom. „Der andere, auch für uns machbare Weg ist die Verwendung eines CCS-Prozessors“, erzählt Eric Prades. Die Carbon-Capture-and-Storage-Technologie (CCS) wird bereits in einigen Projekten wie zum Beispiel im Hafen von Antwerpen genutzt. „Wir fangen das Kohlendioxid in unserer Wasserstoffproduktionsanlage ein, verflüssigen es und transportieren es anschließend zur Sequestrierung.“ So könnte der Flughafen in Schiphol bereits jetzt mit kohlenstoffarmem Wasserstoff betankt werden. In Frankreich betreibt das Unternehmen ein 200-Megawatt-Elektrolyseprojekt in der Normandie. „Diese Elektrolysekapazitäten werden in Zukunft natürlich noch größer werden. Wir sind also bereit für die steigende Nachfrage.“

Treibstoff für die Zelle

Wenn es um Brennstoffzellen geht, spielt Wasserstoff ebenfalls eine Schlüsselrolle. Bereits seit einiger Zeit forscht Airbus an Brennstoffzellenantrieben für Flugzeuge. Brennstoffzellen wandeln flüssigen Wasserstoff in elektrische Energie um und zeichnen sich durch einen hohen Wirkungsgrad aus. 2020 hat der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern mit dem Projekt ZEROe die Entwicklung von drei Wasserstoffflugzeugen angekündigt, einem Flugzeug mit Turbopropantrieb, einem mit Turbofan und einem mit einem sogenannten Blended Wing Body. Alle drei ZEROe-Konzepte sind laut Airbus Hybrid-Wasserstoff-Flugzeuge. Angetrieben werden sie durch Wasserstoffverbrennung durch modifizierte Gasturbinentriebwerke. Darüber hinaus erzeugen Brennstoffzellen Strom, der die Gasturbine ergänzt.

Ende November 2022 hat Airbus außerdem die Entwicklung eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellentriebwerks bekannt gegeben. „Im Maßstab und wenn die technologischen Ziele erreicht wurden, könnten Brennstoffzellenmotoren in der Lage sein, ein hundert Passagierflugzeug mit einer Reichweite von etwa 1.000 Seemeilen anzutreiben“, äußerte sich Vice President Zero-Emission Aircraft Glenn Llewellyn in einer Pressemitteilung. „Indem wir weiter in diese Technologie investieren, verschaffen wir uns zusätzliche Optionen, die unsere Entscheidungen über die Architektur unseres zukünftigen ZEROe-Flugzeugs beeinflussen werden, dessen Entwicklung wir im Zeitraum 2027 bis 2028 auf den Markt bringen wollen.“

Auch bei MTU in München setzt man auf die Technologie: „Nur die Brennstoffzelle schafft es, gar keine Emissionen mehr außer Wasserdampf zu haben“, erklärt MTU-Innovationsexperte Donus. Das MTU-Konzept heißt Flying Fuel Cell (FFC). Daran arbeitet in München ein Team von derzeit rund 70 Expertinnen und Experten – Tendenz steigend. Eine derart neue Technologie wird typischerweise nicht in großen Flugzeugen eingeführt, sondern in kleineren Anwendungen, beispielsweise im Regionalflugzeugbereich. „Das könnte im Zeitraum 2035 geschehen“, berichtet Fabian Donus. 2050 sei dann eine zweite Generation der fliegenden Brennstoffzelle mit verbesserter Effizienz vorstellbar. „Diese könnte dann potenziell sogar im Kurz- und Mittelstreckenbereich Anwendung finden und die Klimawirkung des zivilen Luftverkehrs weiter verringern.“ Am Ende braucht es klimaneutrale Konzepte in den großen Flugzeugklassen, wo der Großteil der Klimawirkung entsteht.

Mit dem DLR hat MTU vor einigen Jahren im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ein Projekt gestartet, um eine Dornier Do228 auf einer Flügelseite mit einer Brennstoffzelle auszustatten und im Flug zu demonstrieren. „Ziel ist es, einen der beiden konventionellen Gasturbinenantriebe durch einen elektrischen 600-Kilowatt-Antriebsstrang mit Energieversorgung durch eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle zu ersetzen und zu erproben.“ Den Erstflug des fliegenden Labors peilen die Projektpartner zur Mitte der Dekade an. „Unsere Aufgabe als MTU ist es, den gesamten wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenantriebsstrang einschließlich des Flüssigwasserstofftreibstoffsystems und der Regelung zu entwickeln.“

Brennstoffzellen sind auch im Automobilbereich ein großes Forschungsthema. Lässt sich dies mit der Luftfahrt vergleichen? Nach Ansicht von Fabian Donus unterscheiden sich die Ansätze. „Wir entwickeln Technologien ganz speziell für die Luftfahrt. Das heißt: Es muss sehr klein, sehr effizient und sehr leicht sein.“ In der Luftfahrt brauche man viel Leistung bei wenig Gewicht. „Automotivelösungen sind vor allem kostenoptimiert, Gewicht und Volumen spielen keine derart große Rolle wie in der Luftfahrt.“

Leistung und Effizienz sind wichtige Stellschrauben, an denen die Unternehmen der Luftfahrtindustrie drehen können, um klimafreundlicher zu werden, ihren CO2-Fußabdruck zu minimieren und Stickoxidemissionen zu senken. Ein weiterer Ansatz ist die Reduzierung des Treibstoffverbrauchs und die Verwendung alternativer Treibstoffe wie Wasserstoff und SAF, die zurzeit aber noch deutlich teurer als fossiles Kerosin sind. Nicht nur aus Kostengründen ergibt Technologieoffenheit gerade in der Luftfahrt Sinn, um parallel verschiedene Konzepte wie Brennstoffzellen und effizientere Gasturbinenantriebe voranzutreiben und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.

In der Verantwortung der einzelnen Konsumenten liegt hingegen die Entwicklung eines Bewusstseins über die Reiseplanung. Die Frage, ob, wann und welche Flugreisen nötig sind, lässt sich immer wieder individuell stellen, ohne in Flugscham zu verfallen.

Zahlen und Fakten

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland spielt die Luftfahrt eine große Rolle. Laut Informationen des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) sichern Unternehmen der deutschen Luftverkehrswirtschaft mehr als 800.000 Arbeitsplätze, auch durch die Konsumausgaben der direkt und indirekt Beschäftigten, etwa für Lebensmittel und Kleidung. Tragend ist auch der Tourismus: Im Sommerflugplan 2023 können Passagiere rund 370 internationale Ziele von deutschen Flughäfen – ohne Umsteigen. Etwa 13.900 Flugzeuge starten wöchentlich, um Privat- und Geschäftsreisende an ihr Ziel im Ausland zu bringen. Im Jahr 2021 transportierten Flugzeuge im Außenhandel Waren im Wert von 340 Milliarden Euro – 197 Milliarden entfielen auf den Export, 143 Milliarden auf den Import ausländischer Produkte nach Deutschland.

3,1 Prozent
der weltweiten CO₂-Emissionen stammen aus dem nationalen und internationalen Luftverkehr. Sechs Staaten teilen sich über die Hälfte der Belastung: die USA, China, das Vereinigte Königreich, Russland, Japan und Deutschland, wobei allein die USA ein Viertel der Emissionen ausmachen. Die andere Hälfte entfällt in der Summe auf 187 Staaten. Die Nachfrage nach Luftverkehr wachse seit einigen Jahren aber besonders stark in und aus asiatischen Ländern, so der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in seiner Studie „Analyse der Klimaschutzinstrumente im Luftverkehr zur CO₂-Reduktion“.

Bis 2050
kann eine CO₂-Neutralität trotz des weiteren Verkehrswachstums durch eine Bündelung sich ergänzender Maßnahmen erreicht werden. Stichwort Technologie: Durch neue Antriebssysteme, effizientere Triebwerke, leichtere Materialien und andere Fortschritte in der Luftfahrttechnik kann es zu einer Reduktion der CO₂-Emissionen kommen, so der BDL in seiner Studie – je nach Szenario zwischen zwölf Prozent und 34 Prozent. Wichtige Effizienzsteigerungen sind an allen Stellen des Luftverkehrsbetriebs möglich –  in der Luft durch eine Steigerung der Flugzeugauslastung, am Boden durch die Nutzung von Bodenstrom, elektronisch betriebene Fahrzeuge oder den Bau nachhaltiger Gebäude und im Luftverkehrsmanagement durch die Vermeidung von Umwegen von effizienten Flugrouten.

205 Flugzeuge
mit der Einstufung „verbrauchsarm“ zu einem Listenpreis von insgesamt 48 Milliarden Euro stehen derzeit auf der Einkaufsliste deutscher Fluggesellschaften, denn die Branche möchte auch weiterhin ihre Flugzeugflotten mit energieeffizienteren Flugzeugen ausstatten. Schließlich seien laut dem BDL Investitionen in energieeffiziente Flugzeuge und Flugverfahren der wirksamste Weg, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Denn jede neue Flugzeuggeneration verbrenne rund 25 Prozent weniger Kerosin und emittiere entsprechend weniger CO₂. Wichtige Stellschrauben sind dabei Verbesserungen an den Triebwerken, bei der Aerodynamik und bei dem Gewicht.

6,3 Liter
pro Passagier und 100 Kilometerverbrauchten Flugzeuge deutscher Fluggesellschaften im Jahr 1990 – heutzutage sind es im Schnitt nur noch 3,56 Liter, berichtet der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Durch eine Modernisierung ihrer Flotten, den Austausch von alten Flugzeugen durch neue energieeffizientere Modelle, haben die Airlines damit die spezifischen CO₂-Emissionen seit 1990 um 43 Prozent senken können. Zeitgleich hat sich in letzten 30 Jahren der Kerosinbedarf vom Verkehrswachstum entkoppelt: Während der Transport von Passagieren und Fracht um 273 Prozent gewachsen ist, stieg der Kerosinbedarf nur um 122 Prozent.

Seit 2004
konnte insbesondere im Kontinentalverkehr, wo die meisten Flüge jährlich durchgeführt werden, die Energieeffizienz pro Passagier durch den Einsatz größerer Flugzeuge und eine erhöhte Auslastung weiter verbessert werden. Je größer das Flugzeug und je höher die Auslastung, desto weniger Flüge sind für den Lufttransport erforderlich. Ein wesentlicher Anteil des Passagierwachstums kann mit einer besser ausgelasteten und optimierten Flottenstruktur aufgefangen werden: Passagierplätze könnten innerdeutsch von 102 auf 145 Sitzplätzen pro Flug erhöht werden, innereuropäisch von 109 auf 167 und interkontinental von 272 auf 274 Sitzplätze pro Flug, schlägt der BDL vor.

71.500 Tonnen
weniger CO₂ wurden allein im Jahr 2019 ausgestoßen, so der BDL in seiner aktuellen Studie zum Klimaschutz im Luftverkehr. Der Grund: Im deutschen Luftraum werden keine Umwege geflogen. Durch eine effizientere Flugverkehrsführung konnte im Bereich der Deutschen Flugsicherung bereits seit 2010 die durchschnittliche Abweichung von der Ideallinie einer Flugstrecke in Deutschland um 31 Prozent reduziert werden – von 5,5 Kilometer im Jahr 2010 auf 3,8 Kilometer im Jahr 2019. Das ist weniger als die Länge der Startbahnen am Flughafen Frankfurt am Main.

12,5 Millionen
Flüge sollen im Luftverkehr in Europa bis zum Jahr 2035 durchgeführt werden, prognostiziert die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt EUROCONTROL. Das wären 15 Prozent mehr als 2019. Dennoch sinke die Umweltbelastung durch ein verbessertes Flugverkehrsmanagement, eine Flottenerneuerung und den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF) im selben Zeitraum um bis zu 25 Prozent, erklärt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. SAFs sind Flugkraftstoffe, die nachhaltig produziert und nicht aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden.