Betriebliche Altersversorgung

Was ist bei Jobwechsel und Ruhestand zu beachten?

Für viele Arbeitnehmer ist der nächste Karriereschritt häufig nicht durch einen internen Stellenwechsel im Unternehmen möglich. Wollen sie sich dennoch weiterentwickeln, bleibt nur der Wechsel des Arbeitgebers. Ob das externe Angebot aber tatsächlich auch die angestrebte finanzielle Verbesserung mit sich bringt, lässt sich oft nicht ohne Weiteres prüfen. Nur auf das Fixgehalt, eine Dienstwagenregelung und mögliche Boni zu schauen, wäre zu kurz gesprungen. Der Wert der betrieblichen Altersversorgungszusage sollte stets berücksichtigt werden. Und auch beim Eintritt in den Ruhestand sollten sich VAA-Mitglieder ihrer Situation bewusst sein. Das VAA Magazin hat hierzu beim VAA-Juristen Dr. Torsten Glinke nachgefragt.

VAA Magazin: Zu den umfassenden Leistungen, die der VAA seinen Mitgliedern bietet, gehört auch die Prüfung von Arbeitsverträgen. Für die VAA-Juristen eher Routine?

Glinke: Keinesfalls! Zwar sind die von den Unternehmen in der Regel vorformulierten Arbeitsverträge stark standardisiert. Eine individuelle rechtliche Prüfung ist aber dennoch unentbehrlich. Denn schließlich regeln Arbeitsverträge einen ganz wesentlichen Teil der persönlichen Rechtsbeziehungen, die man im Laufe seines Lebens eingeht. Außerdem beschränken wir uns bei der Beratung unserer Mitglieder nicht nur auf die rein juristischen Aspekte.

Inwiefern?

Dank unserer umfassenden Branchen- und Unternehmenskenntnisse verfügen wir auch über ein sehr breites Know-how dazu, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses ausmacht.

Zum Beispiel?

Mit der jährlich vom VAA durchgeführten Einkommensumfrage verfügen wir über umfassende Informationen zur Entgeltsituation in der Chemie. Unsere Mitglieder profitieren hiervon unter anderem durch den auf der Mitgliederplattform MeinVAA angebotenen Gehalts-Check. Damit lassen sich die Wertigkeit einer Stelle und der eigene Marktwert sehr gut einordnen. Aber das Gehalt ist nicht alles!

Was noch?

Häufig betrachten Arbeitnehmer nur die im Arbeitsvertragsangebot explizit genannten finanziellen Komponenten, im Wesentlichen also das Fixgehalt, ein etwaig genanntes Bonuspotenzial und Regelungen zum Dienstwagen. Die betriebliche Altersversorgung kommt dabei regelmäßig zu kurz.

Woran liegt das?

Zum einen enthalten Arbeitsverträge häufig überhaupt keine Regelungen zu diesem Thema oder nur knappe Hinweise darauf, dass man am aktuellen Betriebsrentensystem des Unternehmens teilnimmt. Denn in der Regel erfolgen Zusagen zur betrieblichen Altersversorgung nicht individuell über Arbeitsverträge, sondern über Betriebs- und Sprecherausschussvereinbarungen, die auch dann gelten, wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist. Zum anderen fehlt vielen Arbeitnehmern einfach das Bewusstsein für das Thema und dessen enorme Wichtigkeit.

Was sollten Beschäftigte denn beachten?

Zuallererst sollte ich mir bei einem angestrebten Arbeitgeberwechsel die Frage stellen, ob ich beim gegenwärtigen Arbeitgeber Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung aufgebaut habe und ob diese Anwartschaften unverfallbar sind. Letzteres ist ohne Weiteres dann der Fall, wenn ich die betriebliche Altersversorgung selbst im Wege der Entgeltumwandlung finanziert habe. Soweit die Finanzierung durch Arbeitgeberbeiträge erfolgt ist, sind aber die gesetzlichen Regelungen zur Unverfallbarkeit zu beachten.

Das heißt?

Aktuelle Zusagen müssen mindestens drei Jahre bestehen. Wenn ich vor Ablauf dieser drei Jahre aus dem Unternehmen ausscheide, gehe ich leer aus, jedenfalls im Hinblick auf den arbeitgeberfinanzierten Teil. Das sollte man beim Timing eines Arbeitgeberwechsels also stets berücksichtigen.

Und was ist sonst noch wichtig?

Entscheidend ist dann natürlich ein Vergleich der Qualität der bestehenden Versorgungszusage des aktuellen Arbeitgebers und der Zusage des potenziellen neuen Arbeitgebers.

Wie geht das?

Auf diese Frage gibt es zwar leider keine einfache Antwort, aber für VAA-Mitglieder immerhin eine gute Nachricht: Der VAA hilft! Schon seit vielen Jahren analysiert der VAA regelmäßig die jeweils aktuellen Betriebsrentenzusagen der großen Unternehmen in der Chemie. Hierdurch sind wir in der Lage, sehr konkrete Aussagen zur Wertigkeit der jeweiligen Zusagen zu machen. Dabei rechnen wir die einzelnen Systeme mit einer standardisierten Musterkarriere durch, was uns am Ende konkrete Zahlen zu dem zu erwartenden Bruttoversorgungsgrad liefert, also zum Verhältnis der zu erwartenden Betriebsrentenleistung bezogen auf das zu erwartende letzte Einkommen vor Rentenbeginn – und das Ganze sogar differenziert nach arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierter Aufteilung.

Klingt gut!

Ist es auch, zumal wir wegen unserer sehr langfristigen Betrachtung nicht nur aktuelle Versorgungssysteme mit einander vergleichen können, sondern auch die Wertigkeit von Altzusagen mit neuen und das ist für unsere Mitglieder besonders wichtig.

Warum?

Ein Vergleich nur der Versorgungssysteme, die für aktuell neu in die Unternehmen eintretenden Mitarbeiter gelten, würde unser Beratungsangebot erheblich einschränken. So könnten wir qualitative Aussagen nur zu gleichzeitig von mehreren Unternehmen vorliegenden Stellenangeboten machen. Wir sind aber in der Lage, aktuelle Angebote potenzieller neuer Arbeitgeber auch zur bestehenden Zusage beim gegenwärtigen Arbeitgeber ins Verhältnis zu setzen. Und das ist oft die für unsere Mitglieder viel wichtigere Aussage. Denn wir beobachten seit vielen Jahren einen kontinuierlichen Rückgang des Versorgungsniveaus. Vereinfacht ausgedrückt gilt: Je älter die Versorgungszusage, desto besser. Diese – zugegebenermaßen – sehr allgemeine Aussage näher quantifizieren zu können, hilft unserem Mitgliedern bei einer beruflichen Neuorientierung schon sehr.

Sie sprachen davon, die Versorgungssysteme der großen Unternehmen in der Chemie- und Pharmabranche analysiert zu haben. Können Sie auch Mitgliedern helfen, die aus kleinen oder mittelständischen Unternehmen kommen oder zu einem solchen Unternehmen wechseln wollen?

Selbstverständlich! Arbeitnehmer haben nach § 4a Betriebsrentengesetz umfassende Auskunftsansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber zu ihrer betrieblichen Altersversorgung. Wir helfen dabei, nicht nur diese Auskunftsansprüche geltend zu machen, sondern auch die erteilten Auskünfte zu analysieren. Für einen Vergleich der bestehenden Zusage mit der angebotenen Zusage eines potenziellen neuen Arbeitgebers ist das eine gute Basis. Außerdem verfügen wir auch in vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen dank unserer Werksgruppen und Mitglieder in den Betriebsräten und Sprecherausschüssen über ein ausgezeichnetes Netzwerk, das uns bei Bedarf unterstützt.

Und wie hilft der VAA seinen Mitgliedern, die bald in den Ruhestand treten?

Umfassend! In aller Regel erhalten unsere Mitglieder vor ihrem Eintritt in den Ruhestand eine Information darüber, wie hoch die Betriebsrente sein wird und wie sie sich berechnet. Dies führt allerdings häufig zu Rückfragen und Erklärungsbedarf, aber zuweilen auch dazu, dass wir für unsere Mitglieder Korrekturen geltend machen müssen. Teilweise können wir dies direkt mit dem Unternehmen klären. Zum Teil lassen sich aber auch gerichtliche Auseinandersetzungen zur korrekten Höhe der Betriebsrente nicht vermeiden.

Wie sieht es bei den Beziehern von Betriebsrenten aus?

Laufende Betriebsrentenzahlungen sind nach den Maßgaben von § 16 Betriebsrentengesetz und der jeweiligen Versorgungszusage regelmäßig anzupassen. Auch hier kommt es häufig zu Problemen, bei denen wir unsere Mitglieder unterstützen. Insbesondere bei älteren Versorgungszusagen, bei denen eine Anpassung der Betriebsrente gemäß der Entwicklung der Verbraucherpreise zu erfolgen hat, lassen sich auch Rechtsstreitigkeiten bisweilen nicht vermeiden.

Kommt das denn häufig vor?

Immer wieder. Und aus meiner Sicht wird das Thema erheblich an Dynamik gewinnen.

Warum?

Mein Optimismus hinsichtlich der Entwicklung der Inflation hält sich – leider – in Grenzen. Schon bei jährlichen Inflationsraten von nur einem und zwei Prozent – und damit einem Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente alle drei Jahre in einer Größenordnung von um die fünf bis sechs Prozent – kamen Unternehmen ihrer Anpassungsverpflichtung nicht nach und wir mussten für unsere pensionierten Mitglieder vor Gericht ziehen. Dass sich die Situation bei der aktuellen Inflation und den damit verbundenen möglichen Anpassungssprüngen von jenseits der 20 Prozent verschärfen wird, liegt auf der Hand.

Was raten Sie VAA-Mitgliedern vor diesem Hintergrund?

Die Mitglieder sollten sich zum einen ihrer Ansprüche bewusst sein und sie gegebenenfalls von uns prüfen lassen. Zum anderen sollten sie auch im Ruhestand Mitglied im VAA bleiben. Denn nur so können wir ihnen auch in Zukunft helfen, zumal sich der Mitgliedsbeitrag im Ruhestand halbiert. Weiterführende Informationen zu dem Thema finden sich außerdem in meiner letzten „Rechtsecke“ im VAA Magazin in der Juniausgabe 2020.

Urteil

LAG Rheinland-Pfalz: AT-Vergütung muss über E 13 liegen

Arbeitnehmer in einem außertariflichen Arbeitsverhältnis mit einem tarifgebundenen Chemie-Arbeitgeber müssen eine Vergütung erhalten, die über die der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe E 13 hinausgeht. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden.

Ein Mitarbeiter eines Chemieunternehmens war von seinem Arbeitgeber 2009 als Tarifmitarbeiter eingestellt worden. 2018 erhielt er einen neuen Arbeitsvertrag, laut dem er fortan als außertariflicher Angestellter geführt wurde. 2020 machte der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber per Klage vor dem Arbeitsgericht Differenzvergütungsansprüche geltend, weil aus seiner Sicht für die Höhe seiner Vergütung ein Mindestabstand zu den tariflichen Mindestbestimmungen der höchsten Entgeltgruppe E 13 hätte gelten müssen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. 

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) entschied in der Berufung dagegen teilweise zugunsten des Arbeitnehmers (Urteil vom 27. Januar 2022, Aktenzeichen: 2 Sa 114/21). Das LAG nahm in seinem Urteil Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach beinhaltet die Vereinbarung eines außertariflichen Vertragsverhältnisses eine arbeitsvertragliche Zusicherung, diesen Status durch Zahlung einer Vergütung zu erhalten, die mindestens das im einschlägigen Tarifvertrag geregelte Abstandsgebot wahrt. Zwar besteht aus Sicht des LAG entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers kein Differenzanspruch in Höhe eines prozentual zu bemessenden Mindestabstands. Die Vergütung des Arbeitnehmers müsse aber höher liegen als die Vergütung der Entgeltgruppe E 13. 

Bei dieser Vergleichsbetrachtung sind laut LAG aufseiten des Arbeitnehmers neben dem 

  • Vertragsgehalt 
  • auch variable Entgeltbestandteile (wie der Bonus für den jeweiligen Bezugszeitraum)
  • und der Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen. 

Zu den tariflichen Mindestbestimmungen gehören gemäß dem LAG-Urteil neben dem

  • Tarifentgelt der höchsten Entgeltgruppe E 13 auch alle weiteren geldwerten tarifvertraglichen Leistungen mit Entgeltcharakter. Dazu zählen 
  • die tarifliche Jahresleistung
  • das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld
  • der Entgeltumwandlungsgrundbetrag nebst Chemietarifförderung
  • der tarifvertragliche Demografie-Betrag aus dem Demografie-Tarifvertrag
  • und der Zukunftsbetrag aus dem Tarifvertrag „Moderne Arbeitswelt“.

Auf dieser Grundlage sprach das LAG dem Arbeitnehmer im Ergebnis eine Differenzvergütung in Höhe von 1.935 Euro für 2019 und 4.696 Euro für 2020 zu. 

VAA-Praxistipp: Mit seinem inzwischen rechtskräftigen Urteil hat das LAG Rheinland-Pfalz klargestellt, dass AT-Angestellte in der Chemie grundsätzlich eine Vergütung erhalten müssen, die oberhalb der Vergütung der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe E 13 einschließlich aller geldwerten tarifvertraglichen Leistungen mit Entgeltcharakter liegt. VAA-Mitglieder, die unsicher sind, ob ihr Entgelt hoch genug liegt, können dies mithilfe des VAA-AT-Entgeltrechners überprüfen. Der Entgeltrechner wurde speziell für diesen Zweck entwickelt und ist über den Online-Mitgliederbereich MeinVAA erreichbar.

Urteil

BAG stärkt Prinzip der Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern

Frauen haben Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Eine Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro. Ab dem 1. August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der unter anderem die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Arbeitnehmerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt in Höhe von 4.140 Euro vor. Der Haustarifvertrag enthielt eine Deckelungsregelung, nach der bei einer Überschreitung des bisherigen tariflichen Entgeltes durch das neue tarifliche Grundentgelt die Anpassung in den Jahren 2018 bis 2020 auf 120 Euro begrenzt wurde. In Anwendung dieser Bestimmung zahlte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin ab dem 1. August 2018 ein Grundentgelt in Höhe von 3.620 Euro, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der Arbeitnehmerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb des Unternehmens zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Der Arbeitgeber hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt in Höhe 3.500 Euro angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung am 1. November 2017 ein höheres Grundentgelt in Höhe von 4.500 Euro. Der Arbeitgeber gab dieser Forderung nach. Nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro gezahlt hatte, vereinbarte er mit diesem ab dem 1. Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 Euro. Zur Begründung berief sich der Arbeitgeber unter anderem darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab dem 1. August 2018 zahlte das Unternehmen dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Arbeitnehmerin, das sich in Anwendung der Deckelungsregelung des Haustarifvertrags auf 4.120 Euro belief.

Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, das Unternehmen müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen, weil sie die gleiche Arbeit verrichte. Sie klagte vor dem Arbeitsgericht auf die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 1.000 Euro brutto und von 500 Euro monatlich für die Zeit von Juli 2018 bis Juli 2019. Da das Unternehmen sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, forderte sie zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von mindestens 6.000 Euro. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Die Revision der Arbeitnehmerin beim Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dagegen Erfolg (Urteil vom 16. Februar 2023, Aktenzeichen: 8 AZR 450/21). Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt hat, weil er ihr ein niedrigeres Grundentgelt zahlte als dem männlichen Kollegen, obwohl beide die gleiche Arbeit verrichteten. Die Arbeitnehmerin habe aufgrund der gleichwertigen Tätigkeit nach Artikel 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie § 3 Absatz 1 und § 7 des Entgelttransparenzgesetzes Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege.

Der Umstand, dass die Arbeitnehmerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhielt als ihr männlicher Kollege, begründe nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die Vermutung einer die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne er sich für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe lediglich auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann das Unternehmen die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts laut BAG zudem nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Für den Zeitraum ab dem 1. August 2018 ergibt sich laut Urteil der höhere Entgeltanspruch der Arbeitnehmerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung des Unternehmens findet die Deckelungsregelung des Haustarifvertrag auf die Arbeitnehmerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hatte. Das BAG sprach der Arbeitnehmerin zudem eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in Höhe von 2.000 Euro zu.

VAA-Praxistipp: Mit seinem Urteil hat das BAG das Prinzip der Lohngleichheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt und klargestellt, dass allein das Verhandlungsgeschick von Beschäftigten keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung rechtfertigt.