Erik Lehmann hat das Wort: Guck mal, was da flimmert!

Erik Lehmann hat das Wort: Guck mal, was da flimmert!

Kurz war ich dazu geneigt, diese Kolumne von ChatGPT schreiben zu lassen. Nicht, weil Faulheit und Müßiggang über mich gekommen wären. Mitnichten! Es lag mehr an der Hardware. Computer Nummer eins gab den Geist auf, indem der Lüfter zur Kühlung nicht mehr wollte, wie er sollte, und so schaltete sich das Gerät in immer kürzeren Frequenzen von selbst aus. Nervig! Ersatzcomputer hochgefahren – seit Langem mal wieder. Ging auch erst gut, dann aber: Update erforderlich! Neustart bitte! Na ja, wenn‘s weiter nix ist! War aber mehr als nix: nämlich knapp fünfeinhalb Stunden updaten. Unfassbar! Da verzweifelt man, wenn einem nur noch das Handy bleibt. Aber auf dem lässt sich satirische Prosa so schlecht abtippen. Also doch wieder den Unbelüfteten hochgefahren, und zwar am offenen Fenster. Immerhin, ein laues Märzlüftchen ließ ihn mehr schlecht als recht durchhalten. Hatte auch schon im Januar geklappt, als er erstmals diese Macke der unerwarteten Betriebsruhe aufwies und ich bei minus zehn Grad und Schneesturm ein dringliches Video am offenen Fenster fertig schneiden durfte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hätte also bei der derzeit angesagtesten App beinahe verlauten lassen: „Verfasse eine satirische Glosse zum Thema Medienkonsum mit besonderem Blick auf die Jugend und schreibe das Ganze im Stil von Erik Lehmann.“ Fertig! Die KI macht‘s möglich. Oder der KI? Oder das KI? Welches Geschlecht hat eigentlich eine oder ein KI? Eher männlich, oder? Wenn man bedenkt, dass die meisten Computer-Nerds eher Typen sind, die so etwas wie KI programmieren. Aber eine KI lernt ja auch aus sich selbst heraus und vielleicht fühlt sie sich dann eher weiblich oder ist geschlechtsneutral oder divers. Egal! Jedenfalls bliebe mir viel Arbeit und Kopfzerbrechen und Recherchezeit erspart. Aber würde mich die gewonnene Zeit klüger machen? Würde ich tatsächlich ein erhellendes Buch lesen oder doch wieder nur eine zu Unrecht überschätzte Netflix-Serie anfangen? Auf alle Fälle habe ich‘s gelassen, das mit ChatGPT. Schon allein, weil ich mich da anmelden müsste. Und ich musste mich in letzter Zeit schon viel zu oft anmelden, wo ich mich gar nicht anmelden wollte. Bei Elster zum Beispiel. Die neue Grundsteuer lässt grüßen. Unser angepasster Grundsteuermessbetrag kam kürzlich vom Finanzamt reingeflattert. Den multipliziert mit unserem bisher geltenden Hebesatz (der ja angeblich noch gesenkt werden soll – ganz bestimmt!) und wir kommen auf eine Grundsteuererhöhung von 607 Prozent. Aber auch schön doof, ein Einfamilienhaus in Ostdeutschland aufm Dorf zu bauen. Innenstadtbereich von Gelsenkirchen wäre da die bessere Wahl gewesen.

Aber zurück zu IT und neuen Medien: Einer DAK-Studie zufolge stieg die Zahl abhängiger Kinder und Jugendlicher im Alter zwischen zehn und 17 Jahren zwischen September 2019 und Juli 2022 bei Computerspielen von 2,7 Prozent auf 6,3 Prozent. Bei Social Media verdoppelte sich die Mediensucht von 3,2 auf 6,7 Prozent. Läuft! Ich merke es bei meinen eigenen Kindern. Auch wenn unsere vorpubertäre Brut frei von Switch, iPad und Smartphone ist: Im Freundeskreis wird dann eben doch stundenlang Fortnite- und Minecraft-Spielern beim Onlinespiel wiederum online via Twitch zugeschaut und natürlich werden fleißig TikTok- und Insta-Videos auf YouTube konsumiert, deren Inhalt meist dem intellektuellen Horizont eines Mischbrotes ähnelt und deren Länge über die üblichen eineinhalb Minuten vom Internationalen Strafgerichtshof als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden müsste.

Als unmittelbare Folge zeigt sich bei der heutigen Generation Alpha, so heißen die vollständig im 21. Jahrhundert Geborenen, eine Aufmerksamkeitsspanne von der Länge eines Zeugungsaktes bei Wildkaninchen (zehn bis 15 Sekunden). Als vorsorgliche Gegenmaßnahme hatte ich meine Kinder zwischen Weihnachten und Neujahr ins Kino zu „Avatar 2“ geschleppt und sie sozusagen einer Hardcore-Videolänge von drei Stunden und zehn Minuten ausgesetzt. Die „Behandlung“ war erfolgreich und der Film wurde von den Plagen mit dem Prädikat „spannend und irgendwie nice“ ausgezeichnet. Als Nächstes gehen wir die Harry-Potter-Sammlung an. Aber nicht etwa als Einzelfilme – das haben wir schon längst abgehakt – sondern in Summe. Zusammenhängend. 1.176 Minuten. Das sind fast 20 Stunden. „Binge watching“ heißt das auf Neudeutsch. Oder Komaglotzen. Aber nützt ja nüschd! Muss ja! Denn wenn Mediensucht, dann aber richtig!

Mit seinen verschiedenen Kabarettprogrammen reist der Dresdner Kabarettist Erik Lehmann quer durch Deutschland und hat auch schon diverse Preise gewonnen. Unter dem Pseudonym Uwe Wallisch vertreibt der passionierte Hobbyimker zudem seinen eigenen Honig. Auf der Website www.knabarett.de ist Lehmann jederzeit käuflich und bestellbar. Honig gibt es auf uwes-landhonig.de.