Kooperationsverbot: Stillstand in der Bildungsrepublik
Am 15. Juli war an der Universität Köln Bewerbungsschluss für das kommende Wintersemester. Auf die 8.000 verfügbaren Studienplätze kamen sage und schreibe 60.000 Bewerbungen. Für alle 140 Studienfächer gilt ein Numerus clausus. Ausnahmezustand herrscht nicht jedoch nicht nur in Köln, sondern an vielen Universitäten bundesweit. Zwar ist die Situation derzeit durch den doppelten Abiturjahrgang und die ausgesetzte Wehrplicht besonders prekär und wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren wieder leicht verbessern. Das ändert aber nichts daran, dass die deutschen Universitäten mehr Geld grundsätzlich gut gebrauchen könnten. Es ist längst eine Binsenweisheit, dass Deutschland als ressourcenarmes Land auf gut ausgebildete Köpfe zwingend angewiesen ist und eine „Bildungsrepublik“ sein müsste. Jeder einzelne Studienanfänger sollte uns hoch willkommen sein. Gleichzeitig sollen und müssen die Universitäten der Nukleus der Spitzenforschung sein, auf die der Industriestandort Deutschland ebenso angewiesen ist wie auf qualifizierten Nachwuchs. In seinen Empfehlungen zur Sicherung des deutschen Wissenschaftssystems hat der Deutsche Wissenschaftsrat Mitte Juli formuliert, was für die Einlösung dieses Anspruches nötig ist: eine verlässliche Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen.
Dem steht derzeit allerdings nichts Geringeres im Wege als das Deutsche Grundgesetz. Und wie so oft macht dabei ein fehlendes Wörtchen einen großen Unterschied. In Artikel 91b Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es: „Bund und Länder können […] zusammenwirken bei der Förderung von […] Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“. Weil in diesem Satz das Wort „Einrichtungen“ fehlt, darf sich der Bund nicht dauerhaft an der Finanzierung des deutschen Bildungssystems beteiligen. Dieses sogenannte Kooperationsverbot ist aber keineswegs eine unbeabsichtigte Regelungslücke, sondern das Ergebnis eines klassischen Kuhhandels.
Als die Bundesländer im Zuge der Förderalismusreform 2006 einen Teil ihrer Mitspracherechte bei Gesetzgebungsverfahren aufgaben, erhielten sie im Gegenzug ein Quasi-Monopol in der Bildungspolitik. Inzwischen hält diese Regelung kaum noch jemand für sinnvoll. Wie schon ihre Vorgängerin will Bundesbildungsministern Johanna Wanka das Kooperationsverbot abschaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf scheitere allerdings im Bundesrat. SPD und Grüne lehnen den Vorschlag ab, weil sie das Kooperationsverbot nicht nur an Hochschulen, sondern gleich im gesamten Bildungsbereich kippen wollen. Dann könnte der Bund beispielweise auch den Kita-Ausbau oder den Ganztagsschulunterricht fördern. Das wiederum ist vor allem für die CDU-regierten Bundesländer ein rotes Tuch, die eine Einmischung in die Bildungspolitik fürchten. Die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat scheint derzeit also kaum erreichbar.
Und während sich die schwarz-gelbe Bundesregierung und die rot-grünen Landesregierungen gegenseitig Blockade vorwerfen, rollt eine Welle mit Ablehnungsbescheiden für studienwillige Abiturienten durch das Land. Wer so mit der Zukunft des deutschen Bildungssystems verfährt, darf sich über eine zunehmende Politikverdrossenheit – gerade bei jüngeren Wählern – nicht wundern. Es bleibt also zu hoffen, dass nach der Bundestagswahl Bewegung eintritt. Denn eine Fortsetzung des bildungspolitischen Stillstandes können wir uns nicht leisten.