Chemiekonjunktur: Vom Haben in der Not ...
Die Hoffnung richtet sich auf die Grundchemikalien. Die Produktion zieht wieder etwas an. Das ist ein positiver Konjunkturindikator. Festigt sich dieser Trend, dann mag das Schlimmste überstanden sein.
Trotzdem werden die Unternehmen weiterhin unter starkem Kostensenkungsdruck stehen. Das kann nicht anders sein: Die Anlagen sind nur zu 72 Prozent ausgelastet. Das Produktionsniveau pendelt sich beim Stand von 2003 wieder ein. Für 2009 soll die Chemieproduktion um 10 Prozent gegenüber 2008 sinken und der Gesamtumsatz gar um 12 Prozent.
Als Führungskräfteverband können wir die Augen vor dieser Entwicklung nicht verschließen. Das hindert freilich nicht daran, sehr genau auf die Zwischentöne zu achten. In der ersten Phase der Krise war noch so etwas wie trotziger Mut der Verzweiflung in den Chefetagen zu bemerken. Es hieß, wir schließen betriebsbedingte Kündigungen aus. Es wirkte nicht so, als sei das nur Beschwichtigungskalkül gewesen. Jetzt, da man sich schon wieder auf dem aufsteigenden Ast wähnt, formuliert der VCI schon sehr viel vorsichtiger und deutlich kalkulierender: Wir werden uns bemühen, die Stammbelegschaften zu halten.
Der demografische Wandel macht keine Pause
Das sollte sich von selbst verstehen! Was denn sonst? Wie will man ansonsten im demografischen Wandel bestehen? Der hat ja nicht einfach einmal Pause gemacht. Ob Krise oder nicht, die Know-How-Träger altern kollektiv. Eines Tages sind sie weg. Der ohnehin schwer zu kompensierende Verlust von Leistungsträgern sollte keinesfalls durch kurzfristige Personalpolitik in hektischer Reaktion auf die Krise vergrößert werden. Sonst wird man beim anstehenden generationsübergreifenden Wissenstransfer einen nicht wieder gutzumachenden Know-How-Abfluss erleben. Damit wären künftige Wohlstandsgewinne endgültig verspielt.
Die Grundchemikalien herstellenden Großunternehmen trifft in dieser Situation eine doppelte Verantwortung. Sie müssen Augenmaß im eigenen Unternehmen beweisen.
Sie müssen ihre Politik aber auch so anlegen, dass dem zuliefernden und Grundchemikalien verarbeitenden Mittelstand die Luft zum atmen bleibt. Über 1500 kleine und mittlere Firmen bewegen sich in diesem Markt. Das gibt es so in anderen Volkswirtschaften der Welt kein weiteres Mal. Die Arbeitsteilung zwischen Großen und Kleinen macht die deutsche Chemie stark und innovativ. Freilich darf ein wesentlicher Faktor dabei auch nicht übersehen werden: Die Banken können und dürfen sich nicht erst selbst zulasten der Realwirtschaft sanieren.
Die richtige Balance finden
Führungskräfte im mittleren Management kennen die operativen Abläufe und sind dieser Struktur verpflichtet. Der VAA wird alles dafür tun, dass Corporate Social Responsibility in dieser Krise keine leere Floskel für mäzenatenartige Aktivitäten bleibt. Für solche Mißverständnisse eines allemal richtigen Grundanliegens ist gewiss kein Raum. Corporate Social Responsibility zeigt sich, wenn Großunternehmen im Zielkonflikt zwischen der kurz- oder mittelfristigen Optimierung der Rahmenbedingungen für die eigene Produktion und der auf lange Sicht angelegten Erhaltung aller gesellschaftlichen Ressourcen, derer sich das Unternehmen bedienen muss, die richtige Balance finden.
An erster Stelle geht es dabei natürlich um die direkten und indirekten Investitionen in Forschung und Humankapital. Wer heute nicht ausbildet, Nachwuchs mit verlässlicher beruflicher Perspektive rekrutiert und forscht, wird morgen nicht die erforderlichen neuen Produkte und qualifizierten Mitarbeiter haben. Es gilt eben dieser Tage unter Beweis zu stellen, was die Alten schon lange über antizyklisches Verhalten wussten: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“