Familienpolitik: Echte Flexibilität statt einfacher Formeln
Frauen mit Kindern sollten in Deutschland mehr Möglichkeiten haben, schneller in Vollzeit in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Diese Forderung hat Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), kürzlich in einem Zeitungsinterview aufgestellt. Schweitzer kritisiert, dass sich Deutschland trotz eines zunehmenden Fachkräftemangels die zweithöchste Teilzeitquote unter Frauen in Europa leistet und fordert deshalb mehr bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote.
So weit, so gut. In der Tat arbeiten viele Frauen nicht deshalb in Teilzeit, weil sie genau das wollen, sondern weil sie aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen keine andere Möglichkeit sehen. Das belegt nicht nur der Fachkräfte-Fortschrittsbericht der Bundesregierung, sondern auch die letzte VAA-Umfrage zur Chancengleichheit. Insofern hat der DIHK-Präsident recht: Wir brauchen bessere Möglichkeiten für die Vollzeit-Rückkehr in den Job nach einer familienbedingten Auszeit. Und dazu gehören – auch hier hat Eric Schweitzer recht – bedarfsgerechte Kinderbetreuungsangebote.
Mit dem Aufruf an die öffentliche Hand, mehr für die Kinderbetreuung zu tun, ist es allein indes nicht getan. Vielmehr sollten die Unternehmen den Staat bei der Bereitstellung dieser Infrastruktur schon aus eigenem Interesse nach Kräften unterstützen. Dafür existieren bereits viele gute Beispiele, auch in der Chemiebranche. Bei vielen kleinen und mittleren, teilweise aber auch bei großen Unternehmen gibt es allerdings noch deutlichen Nachholbedarf.
Auch an anderer Stelle sind die Unternehmen gefordert: Sie müssen es Mitarbeitern mit familiären Verpflichtungen deutlich besser als bislang ermöglichen, alternative Arbeitszeitmodelle – zu denen auch die Teilzeit gehört – vorbehaltlos und ohne Angst vor dem Karriereknick zu nutzen. Sei es ergänzend oder alternativ zur Wahrnehmung von Kinderbetreuungsangeboten.
Mitarbeitern bei der Ausgestaltung ihres Weges zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Karriere ein Höchstmaß an Flexibilität zu bieten, ist im Übrigen nicht zuallererst eine Frage des Arbeitskräfteangebotes. Diese Flexibilität ist vielmehr ein Gebot echter Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Vor allem aber ist sie ein Maß für eine Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient. Denn ein familienpolitischer Anspruch an Staat und Unternehmen, der sich wirklich am Wohl der Familien orientiert, darf sich nicht auf die einfache Formel „mehr Kinderbetreuung, mehr Vollzeitarbeit, weniger Fachkräftemangel“ beschränken. Wir brauchen mehr Kinderbetreuungsangebote, eine bessere Nutzbarkeit alternativer Arbeitszeitmodelle und damit insgesamt mehr Flexibilität für Familien.