Ausländische Fachkräfte: Anerkennen? Wertschätzen!
Kennen Sie das? Ankunft am Flughafen, Taxifahrt in die Stadt. Während draußen die fremde Großstadt vorbeirauscht, stellt sich im Gespräch mit dem Taxifahrer heraus, dass er seine Wurzeln im Ausland hat und eigentlich Arzt ist. Oder Pilot. Oder Ingenieur. Dass seine Ausbildung hierzulande aber nicht anerkannt wurde. Die Bundesregierung hat im letzten Jahr – spät, aber zutreffend – erkannt, dass sich Deutschland solche Schicksale nicht nur aus menschlichen, sondern in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels auch aus handfesten ökonomischen Gründen nicht mehr leisten kann. Seit dem 1. April 2012 gilt das Anerkennungsgesetz, das einen Rechtsanspruch auf die Überprüfung ausländischer Berufsabschlüsse und die Einleitung eines entsprechenden Anerkennungsverfahrens vorsieht.
Gut ein Jahr später haben rund 30.000 Menschen einen entsprechenden Antrag gestellt. Dass die meisten davon erfolgreich waren, zeigt, wie überfällig das Gesetz war. Viele dringend benötige Mediziner und Krankenpfleger dürfen ihre Qualifikation inzwischen einsetzen. Denn ein erheblicher Anteil der Anträge kam aus den Gesundheitsberufen. Was aber ist zum Beispiel mit den Ingenieuren, die ein Industrieland wie Deutschland kaum weniger dringend braucht und an denen bekanntermaßen inzwischen Mangel herrscht? Selbstverständlich brauchen wir zu allererst eine Personalpolitik, mit der die vorhandenen Potenziale ausgeschöpft werden. Aber unser Land wird angesichts der absehbaren demografischen Entwicklung nicht ohne qualifizierte Zuwanderer auskommen. Das Anerkennungsgesetz regelt die Anerkennung von rund 600 Berufen, für die der Bund nach der föderalen Ordnung der Bundesrepublik zuständig ist. Für die anderen Berufe – darunter die Ingenieure – sind hingegen die Länder zuständig.
Und nur fünf der 16 Bundesländer haben es bisher vermocht, einen entsprechendes Landesgesetz in Kraft zu setzen. Die wichtigen Industriestandorte Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern sind nicht dabei. Der deutsche Föderalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er Vielfalt zulässt und so mehr Nähe zwischen Staat und Bürger ermöglicht. Hier jedoch stellt er sich selbst ein Bein. Vor allem aber ist dieser Zustand Ausdruck einer bürokratischen und ablehnenden Grundhaltung, die beim Thema Zuwanderung noch viel zu häufig anzutreffen ist.
Dass die Standards für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse hoch sein müssen, steht außer Frage. Die praktische Anerkennung durch die Arbeitgeber würde den formal anerkannten Fachkräften sonst ohnehin versagt bleiben. Fragwürdig ist hingegen die Errichtung unnötiger bürokratischer und finanzieller Hürden. Die teilweise beträchtlichen Gebühren für die Anerkennungsverfahren spürbar abzusenken, wäre deshalb Ausdruck einer dringend notwendigen Willkommenskultur. Denn gemessen an den 300.000 Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen, die in Deutschland leben, sind die 30.000 Anträge noch deutlich zu wenig. Und wer mit den Qualifikationen der bereits hier lebenden Zuwanderer nicht wertschätzend umgeht, darf sich nicht wundern, wenn auch die allseits beschworene qualifizierte Zuwanderung hinter den Erwartungen zurück bleibt. Deutschland muss ein Einwanderungsland sein wollen. Sonst wird es keines werden.