Vorstandsvergütung: Vorbild Schweiz?
Es war ein klares Votum: Mehr als zwei Drittel der Schweizer haben sich Anfang März in einer Volksabstimmung dafür ausgesprochen, die Gehälter der Top-Manager in ihrem Land zu begrenzen und die Aktionäre in den Hauptversammlungen über die Entlohnung ihrer obersten Angestellten entscheiden zu lassen. Goldene Handschläge und Managergehälter im zweistelligen Millionenbereich – solche Entwicklungen stören auch hierzulande das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. Kein Wunder also, dass sich sechs Monate vor der Bundestagswahl Vertreter aller deutschen Parteien mit Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Managergehälter zu Wort melden. Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause entsprechende Pläne im Bundestag auf den Weg bringen.
Allzu leicht wird im wahlkämpferischen Aktionismus ausgeblendet, dass die Ausgangslage in der Schweiz eine gänzlich andere ist als in Deutschland. Die Eidgenossen fordern mit ihrem Volksbegehren etwas ein, das ihnen bislang fehlt, nämlich eine echte Kontrolle der Vergütung ihrer Top-Manager. Denn selbstverständlich haben die Aktionäre als Eigentümer eines Unternehmens das Recht, über die Vergütung ihrer Manager zu entscheiden. Das entspricht dem Grundgedanken der Marktwirtschaft. Allerdings sind im monistischen System des Schweizer Aktienrechts – anders als in Deutschland – Geschäftsleitung und Überwachung institutionell nicht voneinander getrennt. Die Aktionäre wählen einen Verwaltungsrat als Exekutivorgan, der über seine eigene Vergütung quasi selbst entscheiden kann. Dass die Schweizer Bürger diese Art der finanziellen Selbstausstattung nun unterbinden wollen, indem sie die Entscheidung über die Vergütung direkt in die Hände der Aktionärshauptversammlung legen, kann niemanden verwundern.
Nach deutschem Gesellschaftsrecht entscheidet mit dem Aufsichtsrat hingegen ein von der Geschäftsführung getrenntes Kontrollgremium über die Bezahlung der Spitzenmanager. Und an dieser Entscheidung sind neben den Vertretern der Eigentümer auch gewählte Arbeitnehmervertreter beteiligt. Eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse vom Aufsichtsrat zu den Aktionären käme einer Einschränkung dieser Mitbestimmung gleich, die noch dazu eine beschleunigte Entwicklung der Gehälter zur Folge haben könnte.
Denn in den Hauptversammlungen haben die Großaktionäre das Sagen. Und das können auch Hedgefonds mit einem Interesse an kurzfristiger Gewinnmaximierung sein. Bonuszahlungen in exorbitanter Höhe ließen sich mit dieser Interessenlage sicherlich leichter vereinbaren als mit der eines von Arbeitnehmervertretern mitbestimmten Aufsichtsrates.
Keine Frage: Auch das deutsche System schützt nicht vor Fehlentwicklungen. VW-Chef Martin Winterkorn verzichtete zuletzt auf einen Teil der ihm zugedachten Bezüge, weil er die Höhe der Zahlung offenbar nicht für vermittelbar hielt. Nicht nur für Vorstände, sondern für leitende Angestellte und Führungskräfte im Allgemeinen gilt aber: Sie realisieren hohe Werte für ihre Unternehmen. Sie übernehmen Verantwortung. Sie tragen durch ihre Leistung maßgeblich zur Motivation ihrer Mitarbeiter bei. Sie am Erfolg ihrer Unternehmen zu beteiligen, ist insofern nur folgerichtig. Dass dies durchaus auf maßvolle Art und Weise geschieht, zeigt ein Blick auf die aktuelle VAA-Einkommensumfrage. Danach machen Bonuszahlungen bei unseren Mitgliedern im Durchschnitt nur 16 Prozent des Gesamteinkommens aus. Auch die Steigerung des Gesamteinkommens fiel 2012 mit vier Prozent zwar erfreulich, aber verhältnismäßig bescheiden aus. Wäre das nicht ein geeignetes Vorbild für die Lohnfindung deutscher Top-Manager in den Vorstandsetagen?
Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat jedenfalls Anfang Februar vorgeschlagen, dass der Aufsichtsrat bei der Festlegung der Vorstandsvergütung künftig die Relation zur Vergütung der restlichen Belegschaft berücksichtigen soll. Solche relativen Obergrenzen können, wenn sie praktikabel und transparent ausgestaltet werden, ein gangbarer Weg sein, um Auswüchse bei der Vorstandsvergütung zu verhindern – unter Wahrung marktwirtschaftlicher Prinzipien und ohne die Errungenschaften des deutschen System der Unternehmensmitbestimmung über Bord zu werfen. Die deutsche Bundesregierung täte also gut daran, dem Urteil ihrer eigenen Expertenkommission zu vertrauen und nicht auf populäre, aber systemfremde Entscheidungen im Ausland zu schielen.